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“Heutzutage sind alle Gegner schwierig”

Eusébio im Gespräch mit swissinfo.

Eusébio ist eine der ganz grossen, noch lebenden Fussball-Legenden. Der ehemalige portugiesische Fussballstar spricht in einem Exklusiv-Interview mit swissinfo über seine Eindrücke von der Euro.

Die Physiognomie des schwarzen Panthers der 1960er- und 1970er-Jahre hat sich kaum verändert. Alle, die ihn auf dem Fussballfeld oder im Fernsehen gesehen haben, erkennen ihn sofort wieder. Kaum ein weisses Haar ist bei ihm zu entdecken.

Aber der Körper hat schon ein wenig gelitten. Eusébio, 66-jährig, leidet an Arthrose in den Knien. All die wunderbaren Tore seiner Karriere forderten ihren Tribut. Vor einem Jahr musste sich der ehemalige Spieler einer heiklen Operation unterziehen: Seine Halsschlagader wurde erweitert. Anlässlich eines Gala-Abends in Zürich spricht er im Interview mit swissinfo sogar über den Tod.

swissinfo: Was sind ihre Erwartungen an diese Euro, und wie stehen die Chancen von Portugal?

Eusébio: Die Euro ist ein grosses Turnier, ebenso wichtig wie die Weltmeisterschaft. Die Gruppe, in der Portugal spielt, ist schwierig, denn heutzutage gibt es keine einfachen Gegner mehr.

Als Botschafter der portugiesischen Nationalmannschaft glaube ich an diese Mannschaft. Sie besteht aus Fussballern, die bereits seit einiger Zeit zusammen spielen. Zudem werden uns die in der Schweiz lebenden Portugiesen unterstützen. Ich glaube, wir werden eine gute Europameisterschaft absolvieren.

swissinfo: Wird die Schweiz ein schwieriger Gegner sein?

Eusébio: Alle für die Euro qualifizierten Mannschaften sind schwierig. Alle verfügen über Spieler, die sich in grossen Klubs entwickeln konnten. Die Schweiz wird von ihren Anhängern unterstützt werden, sie hat einen Heimvorteil.

Ich habe Respekt vor den Mannschaften unserer Gruppe, aber ich glaube, dass Portugal die erste Runde schafft.

swissinfo: Portugal war 2004 Vize-Europameister. Ist der Druck nicht sehr gross, endlich den Titel zu holen?

Eusébio: Ich denke nicht. Er ruht auf den Mannschaften der Gastgeber-Länder, also der Schweiz und Österreich, die zu Hause spielen. Ich glaube nicht, dass die andern Mannschaften unter Druck stehen, einschliesslich Portugal.

Wichtig ist, mit Freude aufs Spielfeld zu kommen, den Gegner zu respektieren und die Matches zu gewinnen.

swissinfo: Ist Cristiano Ronaldo aktuell der beste Spieler der Welt?

Eusébio: Zum heutigen Zeitpunkt ist es Kaká. Ihm wurde ja auch dieser Titel verliehen.

Cristiano Ronaldo durchläuft eine gute Phase und ich hoffe, dass er zum weltbesten Spieler ernannt wird. Im Moment ist er in ausgezeichneter Form: Er war für Manchester United massgeblich am Gewinn der englischen Meisterschaft und am Erfolg in der Champions League beteiligt. Ich hoffe, er wird es auch zum Saisonschluss für unsere Nationalmannschaft sein.

swissinfo: UEFA-Präsident Michel Platini hat kürzlich erklärt, er würde es befürworten, im Falle von rassistischem Benehmen auf den Rängen das Spiel zu unterbrechen und die Übeltäter zu entfernen. Was halten Sie davon?

Eusébio: Ich halte dies für eine gute Idee und unterstütze den Vorschlag von Michel Platini.

swissinfo: Ist der heutige Fussball weniger spektakulär als zu Ihrer Zeit?

Eusébio: Man kann den Fussball der 1960er-Jahre nicht mit dem heutigen vergleichen. Wir sind jetzt im 21. Jahrhundert, und der Fussball ist kommerziell geworden. Heute sind es die Marken, die im Fussball und auch im Fernsehen befehlen.

Zu meiner Zeit spielte man mehr aus Liebe zum Trikot, doch auch wir mussten ein wenig Geld verdienen. Wenn es mir nicht gelungen wäre, wüsste ich nicht, wie mein Leben heute aussähe.

Ich bevorzuge meine Zeit: Da gab es Spieler, die auf internationaler Ebene zu Schlüsselfiguren wurden. Ich denke, dass die heutigen Spieler Recht haben, wenn ihre Manager die Löhne aushandeln. Sie können zehn Jahre spielen und reich bleiben, denn was sie machen, ist eine Unterhaltungsshow.

swissinfo: Sie haben während der Diktatur Salazars gespielt, der Sie nicht aus Portugal ausreisen liess. Heute ist Salazar vergessen, wie ist das für Sie?

Eusébio (lacht): Das ist Politik. Es gibt immer noch Leute, die von Salazar sprechen. Sie scherzen damit, dass Salazar mein “Pate” gewesen sei. Manchmal werde ich auch kritisiert, wenn ich sage, dass Salazar Portugal liebte.

Ich bin in Lourenço Marques, dem heutigen Maputo, der Hauptstadt Moçambiques, geboren. Es ist richtig, er liess mich nicht ausreisen, um in Spanien oder Italien zu spielen und mehr Geld zu verdienen.

Wäre ich einer, der die Leute hasst, so würde ich nicht von ihm sprechen. Aber ich bin nicht so. Salazar liebte sein Land und so viel ich weiss, hat er niemanden bestohlen und ist arm gestorben.

swissinfo: Haben Sie Angst davor, auch in Vergessenheit zu geraten?

Eusébio: Nein. Ich wusste ja, dass man mich schätzte. Doch vor etwas mehr als einem Jahr musste ich mich einer Operation unterziehen. Ich hätte nie gedacht, dass sich so viele Leute, fast überall auf der Welt, um mein Schicksal sorgen würden.

Ich habe unseren Präsidenten Cavaco Silva gebeten, den Portugiesen in meinem Namen zu danken. Wenn meine Stunde gekommen ist, werden wahrscheinlich viele Leute an meine Beerdigung kommen.

swissinfo-Interview, Claudinê Gonçalves

Eusébio da Silva Ferreira wurde am 25. Januar 1942 in Lourenço Marques (heute Maputo), der Hauptstadt der damaligen portugiesischen Kolonie Moçambique, geboren.

Er gilt als der beste portugiesische Fussballer aller Zeiten.

Er schoss während seiner Karriere 1137 Tore, davon 733 in offiziellen Spielen. Die meisten seiner Tore schoss er für Benfica Lissabon.

In seiner Karriere stechen drei Ereignisse hervor: Mit Benfica Lissabon gewann er 1962 den Europapokal der Landesmeister und 11 Mal die portugiesische Meisterschaft, mit der Nationalmannschaft wurde er Dritter an der Weltmeisterschaft 1966 in England.

Eusébio erhielt 1965 den Titel “Europas Fussballer des Jahres”.

Mit 31 Jahren begab sich Eusebio auf Tingeltour durch Nord- und Mittelamerika. Bei den New Jersey Americans beendete er 1978 seine Karriere.

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