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Klagen zur Gleichstellung auf einen Blick

Frauen verdienen für die gleiche Arbeit oft weniger als ihre männlichen Kollegen. Keystone

Eine Datenbank soll bei der Umsetzung der Gleichstellung Hilfe leisten: 250 Gleichstellungs-Klagen aus 11 Kantonen sind seit kurzem im Netz abrufbar.

Das Internet-Angebot ist als Ansporn für potenzielle Klägerinnen zu verstehen und soll helfen, Hemmschwellen abzubauen.

Unter der Adresse www.gleichstellungsgesetz.ch ist zum Beispiel der Fall einer Industriearbeiterin zu finden, die erreicht hat, dass ihr Stundenlohn jenem ihrer männlichen Kollegen angepasst wurde.

Dokumentiert sind auch insgesamt 19 Verbandsklagen, darunter etwa der Fall von Lohngleichheit für Krankenschwestern im Vergleich mit Polizisten in Zürich.

Oder neun Fälle sexueller Belästigung im Gastgewerbe. Die Kantone Appenzell Ausserrhoden und Nidwalden melden keinen einzigen Fall.

Gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung

Das umfangreiche, übersichtliche und benutzerfreundliche online-Angebot existiert seit dem 8. März, dem internationalen Tag der Frau. Es umfasst rund 250 Klagen, die seit Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes im Jahr 1996 in 11 Deutschschweizer Kantonen eingereicht wurden – alles Kantone, die ein Gleichstellungs-Büro haben. Dazu kommt rund ein Dutzend Klagen aus der Zeit von 1981 – 1995. Die Fälle sind alle anonymisiert.

Wie Rita Torcasso, die das Projekt der Gleichstellungs-Büros mitbetreut, gegenüber swissinfo erklärte, sollen zukünftige Klägerinnen durch das Angebot ermutigt werden, in Lohnfragen oder bei sexueller Belästigung rechtliche Schritte zu unternehmen. Betroffene können dort nachlesen, was sie vor einer Schlichtungsstelle oder vor Gericht erwartet.

Eine zweite Zielgruppe sind die Medien sowie Juristinnen und Juristen. “Die Gleichstellungsfälle müssen an die Öffentlichkeit gelangen, damit klar wird, dass Gleichstellung noch nicht üblich ist und es viele Lohnklagen braucht, um diese einzufordern.”

Ausdehnung auf ganze Schweiz

Die Wegleitung, absichtlich einfach und ohne viele juristische Ausdrücke verfasst, richtet sich in erster Linie an Frauen. Männer können selbstverständlich auch klagen, was in einzelnen Fällen auch schon geschehen ist.

Laut Rita Torcasso soll das Angebot im nächsten Jahr ausgedehnt werden. Allerdings ist noch unklar über welche Stellen, weil es in den übrigen Deutschweizer Kantonen keine Gleichstellungsbüros gibt. “Wir müssen eine Trägerschaft suchen, welche die Gerichte anschreibt und die Fälle recherchiert.”

Für Fälle aus der Romandie und dem Tessin steht www.leg.ch zur Verfügung. Dieses Angebot ist allerdings weit weniger umfassend und informativ als die deutschsprachige Site.

Weniger Lohnklagen, mehr Fälle wegen sexueller Belästigung

Gemäss Angaben von Rita Torcasso klagen Frauen, die in der Hierarchie tief unten sind, wie zum Beispiel Fabrikarbeiterinnen, selten. Dies obwohl sie es einfacher hätten, Lohngleichheit einzuklagen, da die Löhne vergleichbar sind.

“Schwieriger haben es Frauen im mittleren Kader. In diesen Fällen wird sehr viel untersucht, so auch die Ausbildung, deren Gewichtung vom Gericht häufig negativ bewertet wird.”

Seit 2000 sind die Lohnklagen zurückgegangen, vor allem in den grösseren Städten wie Zürich, Bern und Basel. Der Grund dafür sei die wirtschaftlich angespannte Lage, betont Torcasso.



“Der Kündigungsschutz dauert nur 6 Monate, und die meisten Klägerinnen verlieren danach ihre Arbeit. Man kann beobachten, dass Frauen heute auch in den öffentlichen Verwaltungen eher ihre Stelle verlieren, auch dort ist es härter geworden.”

Zugenommen hat seit 2000 die Zahl der Klagen wegen sexueller Belästigung. Rita Torcasso: “Dies hängt damit zusammen, dass die meisten Klägerinnen erst nach der Kündigung an die Schlichtungsstellen gelangen. Die heutige Lage zeigt auch, dass das Arbeitsklima rauer geworden ist.”

swissinfo, Gaby Ochsenbein

www.gleichstellungsgesetz.ch existiert seit dem 8. März 2005.
Die Site dokumentiert rund 250 Gleichstellungsklagen aus 11 Kantonen (Aargau, Appenzell Ausserrhoden, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Graubünden, Luzern, Nidwalden, Obwalden, St. Gallen, Zürich).
Davon sind 100 Gerichtsfälle, wobei 50% erfolgreich waren.
Die anderen wurden an Schlichtungsstellen behandelt.
Auf www.leg.ch sind Fälle aus der Romandie und dem Tessin zu finden.

Alle dokumentierten Fälle sind anonymisiert.

Die Klagen wurden von Frauen, einigen Männern sowie von Verbänden eingereicht.

Hauptstreitpunkte sind diskriminierende Kündigung, Lohngleichheit, sexuelle Belästigung.

Das Gleichstellungsgesetz in der Schweiz ist seit 1996 in Kraft.

Die Lohndifferenz zwischen Mann und Frau in der Privatwirtschaft beträgt über 20%.

In Kaderpositionen liegt der Unterschied bei 30%.

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