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Presseschau vom 05.03.2003

In den Zeitungen vom Mittwoch wird der Vorschlag einer Aufstockung der Landesregierung von 7 auf 9 Mitglieder diskutiert. Am Dienstag hatte die kleine Kammer des Parlaments dieser Reform-Variante überraschend zugestimmt.

Thema in den Zeitungen ist auch das Scheitern des Transitabkommens mit Senegal.

Die kleine Kammer des Parlaments hat am Dienstag der Diskussion um eine Reform der Landesregierung eine neue Richtung gegeben. Auf den Vorschlag aus dem Bundesrat, den bisherigen 7 Regierungsmitgliedern sieben sogenannte delegierte Minister zur Seite zu stellen, reagierte der Ständerat mit Desinteresse. Mit 26 zu 8 Stimmen sprach er sich überraschend für eine Aufstockung der Landesregierung auf 9 Mitglieder aus. Das Modell einer vergrösserten Landesregierung ist neu lanciert.

Der BUND witzelt:

“Die Klage geht so: Dem Bundesrat fällt es unter der Last immer zahlreicher und zunehmend komplexer Dossiers schwer, ‘politisch’ zu führen, sich von der Spezialistenagenda der Verwaltungshengste zu befreien, schnell genug auf Neues zu reagieren oder noch besser Neues vorwegzunehmen. Höflich hat der Ständerat den ‘Handlungsbedarf’ am Dienstag bestätigt.”

Der BUND steht der Idee eines vergrösserten Regierungskollegiums ablehnend gegenüber:

“Für die meisten Parlamentarier – für den Bundesrat sowieso – ist die Reformdiskussion mehr Spielerei als ernsthaftes Projekt. Denn die Klage über Mängel stimmt zwar, stimmt aber auch nicht: Wer will, kann schon heute reaktionsschnell sein – wie jüngst das Sozialdepartement mit seinen Varianten zur Rettung der Pensionskassen. (…) Die Qualität hängt zuallererst von der Person ab.”

Wenig überzeugender Modell-Vorschlag des Bundesrats

Ganz anders sieht es die Westschweizer Zeitung LE TEMPS:

“Cette résurrection est une heureuse surprise – diese Auferstehung ist eine glückliche Überraschung.”

Die vorgelegten anderen Vorschläge würden wegen ihrer inhaltlichen Vagheit und Unklarheit nicht überzeugen, was 1996 schon dem Vorschlag der Staatssekretäre zum Verhängnis geworden sei, schreibt die Westschweizer Zeitung. Zweitens aber komme der Vorschlag gerade zur richtigen Zeit:

“On évoque depuis quelque temps la nécessité de créer un Département de la Formation et de la Recherche, qui permettrait à la fois de décharger le lourd Ministère de l’intérieur et de fusionner des compétences dispersées entre ce ministère et celui de l’économie. – Seit einiger Zeit spricht man von der Notwendigkeit, ein Departement für Bildung und Forschung zu schaffen, um das riesige Innenministerium zu entlasten. Zudem würde dies erlauben, die zwischen dem Innenministerum und dem Volkswirtschaftsdepartement versplitterten Kompetenzen zusammenzufassen.”

Zudem könnte so auch ein Sicherheitsministerium geschaffen werden, das die Säulen Armee und Polizei unter einem Dach zusammenfassen würde, schreibt LE TEMPS.

Der TAGES-ANZEIGER sieht im überraschenden Ja vor allem ein Nein zum bundesrätlichen Reformvorschlag und warnt vor Wahlgeplänkel:

“Die Aussicht auf einen neunköpfigen Bundesrat könnte die Nationalratswahlen im kommenden Herbst dazu verleiten, an der Sitzverteilung im siebenköpfigen Bundesrat nichts mehr zu ändern und seine Vergrösserung abzuwarten.”

Senegal sagt ab

Die Landesregierung musste am Dienstag eine weitere Niederlage einstecken: Senegal gab der Justizministerin Ruth Metzler eine Absage in Sachen Transitabkommen.

Für die BASLER ZEITUNG ist es nichts Neues, dass Abkommen nachträglich im Land torpediert werden, sei es nun in der Schweiz oder in Senegal. Aber:

“Für Ruth Metzler, die sich in der Sache persönlich engagiert hat, ist die Absage eine bittere Pille. Da nützt es auch nichts, wenn im Bundesamt für Flüchtlinge betont wird, das Transitverfahren hätte nur Testcharakter gehabt. Denn es war gerade für jene Fälle bestimmt, die wegen fehlender Informationen über Identität und Herkunft besondere Schwierigkeiten bereiten. Den Behörden bleibt kein anderer Weg, als weitere Rückübernahmeabkommen abzuschliessen.”

Der TAGES-ANZEIGER sieht die Dinge anders:

“Senegal will nicht Hilfssheriff für Ruth Metzler spielen. (…) Für die Bundesrätin mag das Nein aus Senegal schmerzlich sein, für die Schweiz ist es keine Katastrophe. Höchstens einige Dutzend Abgewiesene hätte man so nach Afrika zurückführen können.”

Der TAGI appelliert zudem einmal mehr an die Verantwortung der Schweiz:

“Ein asylpolitisches Wundermittel können Transitabkommen nicht sein. (…) Transitabkommen sind nicht nur aus der Sicht der potenziellen Transitstaaten etwas Fragwürdiges. Die Verantwortung für Haft, Identitätsabklärung und Heimschaffung an einen Drittstaat zu delegieren, ist äusserst heikel. Wer garantiert für menschenwürdige Haftbedingungen im Transitstaat?”

swissinfo, Anita Hugi

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