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Sauberer Sport statt Weltrekord

Viele glauben nicht mehr an dopingfreie Weltrekorde. Keystone

Sauberer Spitzensport ist der Schweizer Bevölkerung wichtiger als ein neuer Weltrekord: In einer Umfrage waren 74% der Meinung, dass Doping auf jeden Fall verboten bleiben sollte. Nur 10% waren für eine Freigabe von Doping im Spitzensport.

Dies ergab eine repräsentative Befragung des Forschungsinstituts gfs-zürich.

Trotz des eindeutigen Votums der Schweizer Bevölkerung für einen sauberen Spitzensport glaubt fast die Hälfte (47%) nicht daran, dass Weltrekorde heute auch ohne Doping möglich sind.

Für Matthias Kamber, Direktor von Antidoping Schweiz, ist die gute Nachricht der gfs-Umfrage, dass die überwiegende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung Doping verbieten will.

Dies decke sich mit den Ergebnissen der eigenen Untersuchungen, die alle drei Jahre gemacht würden, sagt er gegenüber swissinfo.ch.

Saubere Sportler schützen

“Ich bin hingegen betroffen, dass die Mehrheit der Bevölkerung glaubt, Weltrekorde seien ohne Doping nicht möglich.” Er persönlich sei überzeugt, dass man heute auch ohne Doping Weltrekorde machen könne. Er kenne mehrere Beispiele, die das beweisen würden.

“Hier müssen wir zum Schutz aller sauberen Sportler mehr unternehmen, damit Dopende und ihr Umfeld entlarvt und konsequent bestraft werden, und auch der Glaube an einen dopingfreien Spitzensport wieder bestärkt wird”, betont Kamber.

Eine Art Kapitulation

Dass fast die Hälfte der Befragten nicht mehr daran glaubt, dass Weltrekorde heute auch ohne Doping gemacht werden können, sieht Kamber “fast als eine Art Kapitulation vor den vielen Meldungen über Dopingfälle”.

Es sei aber leider auch so, dass Topleistungen ohne Doping in den Medien weniger Platz fänden.

In diesem Zusammenhang erinnert Kamber an ein Projekt, das Antidoping Schweiz jüngst zusammen mit dem Schweizerischen Schwimmverband Swiss Swimming gestartet hat.

“Mit dem Projekt ‘Clean water’ wollen wir eine Gruppe von Spitzenathleten bis zu den Olympischen Sommerspielen in London 2012 mit Blutprofil und Stereoidprofil begleiten, um aufzeigen zu können, dass sie ihre Leistungen sauber erbringen. Das sind Projekte, die wir medienmässig stärker vertreten müssen, um den Glauben an einen sauberen Sport zu erhöhen.”

Einzelsportarten mit schlechtem Image

Radsport, Leichtathletik, Schwimmen: Diese und noch weitere Sportarten haben in Sachen Doping ein schlechteres Image als Teamsportarten wie Fussball, Eishockey oder Handball.

Die Einzelsportarten seien generell dopinggefährdeter, sagt Kamber. “In all den Sportarten, wo ein Einzelfaktor – Ausdauer oder Kraft – entscheidend ist, ist es einfacher zu dopen als in Sportarten, wo eine Reihe von Faktoren – Technik, Teamzusammenarbeit – eine Rolle spielt.”

Dazu komme, dass man zum Beispiel im Radsport als so genannter Wasserträger viel weniger verdiene als der Teamleader, obwohl die Leistungsunterschiede eigentlich nicht sehr gross seien. “Und da ist der Anreiz natürlich sehr gross, vom Wasserträger zum Teamleader zu werden, und das vielleicht mit unerlaubten Mitteln.”

Kamber schliesst aber Doping in Mannschafts-Sportarten nicht generell aus, vor allem bei hoher Leistungs-, Wettkampf- und Trainingsdichte. “Man weiss heute, dass vor allem Dopingmittel wie Anabolika oder Epo in der Regeneration eingesetzt werden. Deshalb müssen wir in diesen Teamsportarten auch Kontrollen ausserhalb der Wettkämpfe machen, insbesondere in Phasen hoher Belastung.”

Positive Gegenbeispiele

Der Direktor von Antidoping betont indessen, die Welt des Spitzensports sei nicht total dopingverseucht, es gebe auch positive Beispiele.

Er wolle zwar keine Namen nennen. Aber zwischen 2002 und 2004 habe das Bundesamt für Sport im Projekt ‘Dopingfreie Spitzensportler’ 20 Ausdauerathletinnen und –athleten untersucht und Blutprofile gemacht.

“Da haben wir ganz klar zeigen können, dass diese Sportler ihre Leistungen mit normalen Mitteln – Training, gute Regeneration – erbringen.”

Und auch beim Projekt ‘Clean water’ ist Kamber überzeugt, dass gute Leistungen, Spitzenleistungen auf Weltebene, ohne Doping möglich sind.

Konzept und Qualität wichtiger als Quantität

Heute sei nicht die Anzahl von Dopingkontrollen wichtig, sondern ihre Qualität. “Es ist sehr wichtig, dass man ein gutes Konzept hat und zielgerichtet kontrolliert. Dass man nicht stichprobenmässig auslost, sondern, zum Beispiel im Tennis, sagt, jetzt hat dieser Spieler ein sehr dichtes Programm, vielleicht ist er gefährdet in der Regeneration. Dann geht man zwischen den Spielen kontrollieren.”

Derartige Überlegungen würden in Zukunft immer mehr eine Rolle spielen, so Kamber. “Eine bessere Qualität des Kontroll-Konzeptes und der Kontrollen, statt nur auf die Anzahl der Kontrollen zu schauen.”

Ein junger Athlet sei im ‘Cool and clean’-Präventionsprogramm bei Swiss Olympic eingebunden und werde von Antidoping Schweiz aufgeklärt und kontrolliert. Später, auf einer gewissen internationalen Stufe, werde dies der entsprechende internationale Verband übernehmen.

“Das muss natürlich transparent und fliessend geschehen. Und da haben wir in verschiedenen Sportarten noch Nachholbedarf”, räumt Kamber ein. “Das funktioniert nicht überall gut.”

Jean-Michel Berthoud, swissinfo.ch

Mit 74% war in einer Umfrage des Forschungsinstituts gfs-zürich die überwiegende Mehrheit der Meinung, dass Doping auf jeden Fall verboten bleiben sollte. Nur 10% waren für eine Freigabe von Doping im Spitzensport.

Noch am ehesten würde eine Dopingfreigabe von der Deutschschweizer Bevölkerung und den Männern akzeptiert. Aber auch hier liegt der Anteil der Befürworter bei nur 12%. Eine starke Ablehnung findet man demgegenüber bei den Frauen sowie bei der Westschweizer Bevölkerung: Nur 7% bzw. 6% befürworten eine Dopingfreigabe.

Fast die Hälfte (47%) glaubt nicht daran, dass Weltrekorde auch ohne Doping möglich sind. Das Institut machte eine gewisse Resignation bei den Gegnern der Freigabe aus. 46% von ihnen glauben nämlich, dass Weltrekorde nur mit Doping möglich sind.

Umgekehrt sind die Befürworter offensichtlich aus pragmatischen Gründen für eine Freigabe, da 66% der Ansicht sind, Weltrekorde seien heute sowieso nur noch mit Doping möglich.

gfs-zürich befragte in einer repräsentativen Telefonumfrage 1007 Bewohnerinnen und Bewohner der Deutsch- und Westschweiz. Die Befragung fand zwischen dem 2. und dem 23. September 2009 statt.

Die Stiftung Antidoping Schweiz ist seit dem 1. Juli 2008 das unabhängige Kompetenzzentrum der Dopingbekämpfung Schweiz. Sie wird je etwa zur Hälfte vom Bund und von Swiss Olympic finanziert.

Die Leistungsbestellung erfolgt über Leistungsaufträge von Swiss Olympic und dem Bundesamt für Sport. Sie bilden die Grundlage für die Finanzierung und legen die Ziele von Antidoping Schweiz fest.

Der Zweck der Stiftung ist, auf Basis anerkannter nationaler und internationaler Vorschriften und Richtlinien einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung von Doping im Sport zu leisten.

Dies erfolgt insbesondere durch Dopingkontrollen, Information und Prävention, angewandte Forschung und Entwicklung, nationale und internationale Zusammenarbeit sowie weitere Massnahmen, welche sauberen und fairen Sport zum Ziel haben.

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