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Scharfe Kritik an Schweizer Justizminister

Hatten das Heu nie auf der gleichen Bühne: Roschacher (links) und Blocher. Keystone

Die Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) des Nationalrats kritisiert Bundesrat Christoph Blocher im Zusammenhang mit dem Abgang von Bundesanwalt Valentin Roschacher scharf.

Die Regierung will nun einen Rechtsberater einberufen, um möglichst objektiv über diesen Bericht informiert zu werden. Derweil wies Blocher die Vorwürfe der Presse kategorisch zurück.

Blocher und sein Departement sind Gegenstand eines Berichts der Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) des Nationalrats, der Licht in diese Affäre bringen soll.

Der Justizminister habe bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Roschacher im Juli 2006 den Bundesrat als Wahlbehörde umgangen und damit seine Kompetenzen überschritten, heisst es in dem am Mittwochabend veröffentlichten 101-seitigen Bericht.

Trotz gestörtem Vertrauensverhältnis zwischen Blocher und Roschacher sei das Vorgehen Blochers angesichts der fachlichen Unabhängigkeit des Bundesanwalts und des damit verbundenen erhöhten Kündigungsschutzes nicht gerechtfertigt gewesen.

Kritik setzte es im GPK-Bericht aber auch für den Bundesrat ab: Die Landesregierung habe ihre Verantwortung als Wahl- und Aufsichtsbehörde des Bundesanwalts nicht wahrgenommen, obwohl es seit längerem Anzeichen für Konflikte zwischen Blocher und Roschacher gegeben habe.

Zur Sicherstellung der institutionellen und personellen Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft empfiehlt die GPK dem Bundesrat, sich des Dossiers Bundesanwaltschaft “unverzüglich aktiv” anzunehmen. Die Informationsfreiheit der Bundesanwaltschaft müsse gewährleistet werden.

Bundesrat will Experten einsetzen

Nach der Veröffentlichung des Berichts will die Landesregierung nun möglichst objektiv darüber informiert werden. Der Bundesrat werde zum Bericht und den Empfehlungen der GPK Stellung nehmen müssen, sagte Vize-Bundespräsident Pascal Couchepin.

Da das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) involviert sei, wolle sich der Gesamtbundesrat von einer unabhängigen Persönlichkeit, beispielsweise von einem ehemaligen Bundesrichter, beraten lassen, sagte Couchepin.

So könnten Vorwürfe verhindert werden, die Landesregierung würde vom EJPD, dem Blocher vorsitzt, parteiisch informiert.

Kein Misstrauensvotum

Deshalb sei es nötig, dass seine Mitglieder sich “so objektiv wie möglich” und von Parteien unbeeinflusst ihre Meinung bilden könnten, sagte Couchepin. Es handle sich aber nicht um einen Akt des Misstrauens gegen Blocher.

Ein verwaltungsunabhängiger Jurist solle den GPK-Bericht aus juristischer und polit-philosophischer Sicht analysieren, bewerten und für “Laien” verständlich machen, sagte Couchepin.

Es sei wohl das erste Mal, dass der Bundesrat einen Aussenstehenden in einer Verwaltungssache beiziehe. “Neue Probleme brauchen neue Lösungen”, meinte er.

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Bundesanwaltschaft

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht In der Schweiz sind die kantonalen Justizbehörden für einen Grossteil der Strafuntersuchungen zuständig. Einige Delikte fallen jedoch in die Kompetenz der Bundesanwaltschaft (BA). Dazu gehören beispielsweise Attentate, Spionage, internationale organisierte Kriminalität, Geldfälschung, Geldwäscherei, Korruption oder von Bundesbeamten im Rahmen ihrer Aufgabe begangene Straftaten.

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“Geheimplan”

Die GPK beschäftigte sich auch mit einem Geheimplan, mit dem Bundesanwalt Roschacher im Frühsommer 2006 so weit gebracht worden sein soll, sein Amt aufzugeben. Hintergrund ist offenbar eine Voruntersuchung gegen den Zürcher Bankier Oskar Holenweger.

Die Bundesanwaltschaft hatte Abklärungen eingeleitet, weil Holenweger Geld für die kolumbianische Drogenmafia gewaschen haben soll.

Dabei setzte sie einen als “Ramos” bekannt gewordenen Informanten ein, der sich dann als mehrfach verurteilter kolumbianischer Drogenhändler herausstellte. Daraufhin war die Bundesanwaltschaft unter Druck geraten.

Offenbar hatte die deutsche Polizei bei Holenweger in Stuttgart aber einen Plan gefunden, Politiker einzusetzen, um Roschacher loszuwerden.

In diesem Zusammenhang wurde eine Subkommission der GPK mit weiteren Ermittlungen betraut. Dazu verlangt die Subkommission die Aushändigung von Dokumenten durch Deutschland, die bei Holenweger beschlagnahmt worden waren.

Ihre Präsidentin, die christlichdemokratische Nationalrätin Lucrezia Meier, sagte, die Papiere könnten Komplottpläne gegen Valentin Roschacher enthalten.

Bundesrat Blocher hatte am Dienstag im Westschweizer Fernsehen erklärt, er kenne Holenweger vom Militärdienst, habe aber die Ermittlungen nicht behindert.

Blocher weist Vorwürfe zurück

Die Komplottvorwürfe wies Blocher als “ehrverletzend” zurück. Der Vorwurf beruhe auf Medienberichten. “Das Ganze sind Hirngespinste”, sagte der Justizminister am Mittwoch an einer eigenen Medienkonferenz.

Auf Grund der Aussagen an der Medienkonferenz des Bundesrates sei in den Medien der Eindruck entstanden, ihm (Blocher) werde vorgeworfen, er sei in ein Komplott zur Absetzung von Roschacher involviert.

Blocher habe den Gesamtbundesrat darüber informiert, dass das Ganze auf Medienberichten beruhe und dass ihm weder ein solcher Plan bekannt sei, noch dass er in einen solchen in irgendeiner Form involviert gewesen sei.

Er habe nichts gegen die Lösung des Gesamtbundesrats, einen unabhängigen Rechtsberater einzusetzen, der eine erste Beurteilung des Berichtes der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates über Vorfälle in seinem Departement durchführe, sagte der Justizminister weiter.

swissinfo und Agenturen

Unter dem Druck der Kritik und mit wenig Rückhalt durch den Justizminister Christoph Blocher ist Bundesanwalt Valentin Roschacher im Juli 2006 zurückgetreten.

Roschacher war in die Presse gekommen, weil er einen ehemaligen kolumbischen Drogenhändler als Informant benutzte. Das Bundesstrafgericht bezeichnete dies zwar “als in der Art einmalig”, fand im September 2006 aber keinen Gesetzesverstoss.

Im Januar 2007 hatte die Finanzdelegation des Parlaments Blocher gerügt, er habe seine Kompetenzen überschritten, weil er die Modalitäten der Demission von Valentin Roschacher selber geregelt hatte. Dies hätte der Gesamtbundesrat entscheiden sollen.

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