Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schlusspfiff für Köbi Kuhn

Köbi Kuhn blieb von Turbulenzen nicht verschont, doch der Zürcher konnte sich halten. Keystone

Nach sieben Jahren an der Spitze der Schweizer Nationalmannschaft verlässt Köbi Kuhn sein Traineramt mit einem Sieg gegen Portugal und schönen Erklärungen. Trotzdem hinterlässt der Abgang des Zürchers einen schalen Nachgeschmack.

Der Anfang als Nachfolger von Enzo Trossero im Juni 2001 war schwierig. Vor allem die Verbannung der zwei Mannschaftsstützen Stéphane Chapuisat und Stéphane Henchoz auf die Ersatzbank verursachte einigen Wirbel. Zudem gab es grosse “Differenzen” mit Blaise Nkufo, die man schliesslich regeln konnte – und dann die Qualifikation für die Euro 2004 und die Weltmeisterschaft 2006.

Köbi Kuhns Beliebtheit nahm stetig zu, er wurde gar zur Vaterfigur der Nation hochstilisiert und zum Schweizer des Jahres 2006 gewählt. Er musste sich aber nach der Niederlage gegen die Ukraine im Achtelfinal der Weltmeisterschaft heftige Kritik gefallen lassen. Seine Entscheidung, den besten Torschützen, Alex Frei, ein paar Minuten vor dem Elfmeterschiessen aus dem Spiel zu nehmen, wurde nie richtig verstanden.

Ein schaler Nachgeschmack

Die Ära Köbi Kuhn war geprägt von Höhen und Tiefen. Da waren die Grabenkämpfe zwischen Romands und Deutschschweizern – Gerüchte sprachen gar von getrennten Garderoben – , der Ausschluss des damaligen Kapitäns Johann Vogel und die Ernennung eines “Managers”, der die Beziehung der Spieler zum Trainer verbessern sollte. Trotzdem konnte sich der Zürcher halten.

Seinen freiwilligen, bereits im Oktober 2007 angekündigten Rücktritt nach der Euro 2008 sollte ein Abgang in Ehren sein, doch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Die Mannschaft schied aus und war durch Verletzungen mehrerer Spieler arg dezimiert. Zudem musste Kuhns Gattin kurz vor der Euro ins Spital eingeliefert werden.

Trotz des ersten Sieges in einer Endrunde einer Europameisterschaft gegen die B-Mannschaft von Portugal, das bereits für den Viertelfinal qualifiziert war, trotz des Transparents mit der Aufschrift “Merci Köbi”, das die Spieler am Sonntagabend entrollten, und trotz der Ovationen des Publikums im St. Jakob-Park bleibt ein schaler Nachgeschmack zurück.

Mutmassungen und offene Fragen

Jetzt wird Bilanz gezogen, Fragen und Mutmassungen tauchen auf. Was wäre gewesen, wenn Alex Frei sich nicht verletzt hätte, die Schweizer Mannschaft wenigstens ein Unentschieden gegen die Türkei oder Tschechien gemacht hätte, Pascal Zuberbühler die Nummer Eins im Tor gewesen wäre? Wenn…

“Die Schweiz hat in den drei Spielen gezeigt, dass sie mit den besten europäischen Mannschaften mithalten kann. Mit ein bisschen mehr Glück hätten wir uns für den Viertelfinal des Turniers qualifizieren können. Doch es ist mir auch bewusst, dass man das Glück zuweilen herausfordern muss, dies haben die Türken gegen uns und gegen die Tschechen bewiesen”, betonte Köbi Kuhn vor der Presse in Feusisberg.

Kuhn gab sich einsilbig, trotzdem liess sich der scheidende Trainer doch noch ein paar Worte zu seiner Gemütsverfassung kurz vor seinem Abgang (30. Juni) entlocken.

Niederlagen vergessen

“Ich bedaure meinen Abgang nicht. Den Entscheid habe ich bereits im letzten Oktober nach reiflicher Überlegung gefällt”, sagte er. “Vielleicht bin ich morgen etwas traurig…oder auch nicht. Mein selektives Erinnerungsvermögen hilft mir, nur die guten Momente zu bewahren und die Schwierigkeiten und schmerzlichen Niederlagen zu vergessen”, so Kuhn.

“Ich habe sieben grossartige und intensive Jahre erlebt und ich bin stolz, meinem Nachfolger eine junge und hoffnungsvolle Mannschaft zu überlassen. Mir bleiben schöne Freundschaften mit mehreren Spielern”, sagt er, ohne die wenig schmeichelhaften Aussagen von Spielern wie Hakan Yakin und Johann Djourou zu erwähnen, die am Montag in der Schweizer Presse den fehlenden Kontakt zum Coach beklagten.

“Solche Geschichten regelt man unter vier Augen, und nicht vor der Presse”, fährt Kapitän Alex Frei dazwischen, der neben Köbi Kuhn den Journalisten Red und Antwort stand.

Köbi Kuhn geht nun, ohne sein Ziel erreicht zu haben, doch offensichtlich leichten Herzens: “Ich hoffe, dass Portugal und die Türkei im Turnier weit kommen. Das würde den Wert unserer Leistung in ein anderes, besseres Licht rücken.”

Mit Ottmar Hitzfeld in die Zukunft

Der Zürcher übergibt seinen Posten an Ottmar Hitzfeld. Das nächste Ziel ist die Qualifikation der Schweiz für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Die Feuertaufe für den neuen Trainer ist das Freundschaftsspiel gegen Zypern am 20. August 2008 im Stade de Genève.

Am 6. September findet bereits das erste Qualifikationsspiel für die Weltmeisterschaft 2010 gegen die nicht zu unterschätzende Mannschaft von Israel statt.

swissinfo, Mathias Froidevaux, Feusisberg
(Übertragung aus dem Französischen:Christine Fuhrer)

73 Spiele (das erste mit einem Sieg am 15. August 2001 in Wien gegen Österreich mit 2:1).

Die Bilanz unter seiner Führung: 32 Siege, 18 Unentschieden, 32 Niederlagen.

Kuhn war der erste Schweizer Trainer, dem es gelang, mit seiner Mannschaft die Endrunde von zwei Europameisterschaften (2004 in Portugal und 2008 in der Schweiz und Österreich) und eine Endrunde an der Weltmeisterschaft (2006 in Deutschland) zu erreichen.

Jakob Kuhn wurde am 12. Oktober 1943 in Zürich geboren, wo er mit 17 Jahren seine fussballerische Karriere begann (FC Wiedikon von 1954 bis 1959 und FC Zürich von 1960 bis 1977).

Mit dem FC Zürich wurde Köbi Kuhn sechsmal Meister und fünfmal Cupsieger. Zweimal erreichte er den Halbfinal im Meistercup und kämpfte gegen Real Madrid und Liverpool. Er war an zwei Halbfinals im Europacup dabei gegen Real Madrid und Liverpool.

63 Mal spielte er in der Nationalmannschaft und war an der Weltmeisterschaft 1966 in England dabei.

Er war sportlicher Leiter und Trainer ad interim des FC Zürich (1983-1984) und seit 1996 Trainer der Junioren-Nationalmannschaften (U18 und U 21). Im Juni 2001 folgte er auf Enzo Trossero an die Spitze der Schweizer Nationalmannschaft. Sein Nachfolger in der Schweizer Nationalmannschaft ist der Deutsche Ottmar Hitzfeld.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft