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Strafvollzug: Neue Modelle zahlen sich aus

Trotz Freiheit ist der Verurteilte mit der elektronischen Fussfessel immer überwacht. Keystone

Gemeinnützige Arbeit oder elektronische Überwachung sind billiger als Knast. Zudem ist die Rückfallquote tiefer.

Zu diesen Schlüssen kommt das Bundesamt für Justiz bei der Auswertung von Modellversuchen. Sie sollen deshalb breit eingeführt werden.

Ziel des schweizerischen Strafvollzugs ist die Reintegration von Straftätern bei möglichst tiefer Rückfallquote. Bei den neuen Formen des Strafvollzugs können die Betroffenen beispielsweise ihre Arbeitsstelle behalten. Mit gemeinnütziger Arbeit leisten sie – zumindest symbolisch – einen Beitrag zur Wiedergutmachung.

Gemeinnützige Arbeit etabliert

Seit 1987 gibt das Justiz- und Polizeidepartement den Kantonen die Möglichkeit, neue Konzepte und Vollzugsformen zu erproben.

In seinem am Dienstag veröffentlichten Bericht “Neue Wege im Straf- und Massnahmenvollzug” zieht das zuständige Bundesamt für Justiz (BJ) erstmals Bilanz – eine positive Bilanz.

Entwickelt und erprobt wurden insbesondere Alternativen zum Vollzug hinter Gittern. Mittlerweile haben 21 Kantone als Alternative zu kurzen Freiheitsstrafen die gemeinnützige Arbeit eingeführt. 2001 gab es 4245 derartige Einsätze. Die gemeinnützige Arbeit wird nun als eigenständige Strafe ins Strafgesetzbuch aufgenommen.

Vollzug in Gruppen

Ende August 2002 wurde der Modellversuch mit dem elektronisch überwachten Strafvollzug ausserhalb der Gefängnismauern abgeschlossen. Die sechs beteiligten Kantone dürfen das “Electronic Monitoring” weiter anwenden. Laut BJ-Sektionschefin Priska Schürmann entscheidet der Bundesrat Anfang 2005 über die Verankerung im ordentlichen Recht.

Neben alternativen Vollzugsmodellen wurden auch Programme erprobt, die sich an bestimmte Gruppen wie Drogenabhängige, Straftäter mit Persönlichkeits-Störungen oder leistungsschwache Insassen richten. In Pöschwies (Regensdorf ZH) konnte nachgewiesen werden, dass auch in einer geschlossenen Strafanstalt ein Vollzug in Gruppen möglich ist.

Zimmer frei

“Modellversuche sind nötig und sinnvoll”, sagte Schürmann vor den Medien. Damit liessen sich nicht nur die Integration und die Prävention verbessern, auch könnten Kosten gespart werden.

Dies gilt laut BJ insbesondere für die gemeinnützige Arbeit und die elektronische Überwachung – nur beschränkt hingegen für die Halbgefangenschaft, bei der es ab sechs Monaten eine spezielle Betreuung braucht.

Dank dem alternativen Vollzug sind die offenen und halboffenen Anstalten nicht mehr voll, die Untersuchungs-Gefängnisse nicht mehr überbelegt. Bauvorhaben können zurückgestellt oder fallen gelassen werden.

Insgesamt werden 19 abgeschlossene Versuche aufgeführt, an die der Bund Beiträge von 16 Mio. Franken geleistet hat. Zurzeit laufen sechs Projekte, für die bisher knapp 10 Millionen ausbezahlt wurden.

swissinfo und Agenturen

Halbgefangenschaft:
Dabei setzt die verurteilte Person ihre bisherige Arbeit oder Ausbildung fort und muss nur die Ruhe- und Freizeit in der Anstalt verbringen. Eingesetzt bei Freiheitsstrafen von 3-12 Monaten, möglich seit 1988.

Gemeinnützige Arbeit:
Anstelle einer Freiheitsstrafe verrichten die Verurteilten dabei neben ihrer normalen Erwerbstätigkeit in ihrer Freizeit eine Arbeit fürs Gemeinwohl. Ein Tag Freiheitsentzug entspricht 4h Arbeit. Eingesetzt bei Freiheitsstrafen bis 3 Monaten, möglich seit 1990.

Electronic Monitoring:
Elektronische Überwachung, ob sich die betroffene Person am angegebenen Ort aufhält. Eingesetzt bei kurzen Strafen oder (seltener) gegen Ende der Verbüssung einer langen Strafe, möglich seit 1999.

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