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UNO-Aids-Ziele “werden nicht erreicht”

Ein an Aids erkrankter Patient auf einer Station des Instituts für Infektionskrankheiten in Uganda. Reuters

Es gibt zwar Fortschritte im Kampf gegen HIV und Aids, aber die 2001 aufgestellten UNO-Ziele für 2010 wird man wohl nicht erreichen, sagt der Direktor des Bundesamts für Gesundheit, Thomas Zeltner.

Zeltner, der in New York an einem zweitätigen UNO-Meeting zu HIV und Aids teilnahm, betonte gegenüber swissinfo, dass auch im Bereich der Prävention mehr getan werden müsste.

Mitte Woche verglichen in New York UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, Staatsoberhäupter und über 80 Minister, Vertreter von internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft die gemachten Fortschritte bei HIV und Aids mit den Zielen der UNO-Deklaration von 2001 und der politischen Deklaration von 2006.

Zu den Zielen des UNO-Aids-Programms (UNAids) gehört unter anderem eine Reduktion der HIV-Trägeranteile unter jungen Männern und Frauen zwischen 15 und 24 Jahren um 25% bis zum Jahr 2010.

Die Debatten während des Mitte Woche zu Ende gegangenen Meetings umfassten ferner die verbleibenden Herausforderungen und die nachhaltigen Mittel und Wege, damit fertig zu werden.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte an der Konferenz seinen umfassenden Bericht zur globalen Antwort auf Aids präsentiert. Dieser basiert auf 147 nationalen Berichten, die bei UNAids Ende Januar 2008 eingereicht worden waren.

swissinfo: Welches waren die hauptsächlichen Traktanden in New York?

Thomas Zeltner: In einigen der 2001 festgelegten Ziele haben wir Fortschritte gemacht. Doch wird auch deutlich, dass die Ziele für die Periode 2001 bis 2010 nicht erreicht werden können.

Wahrscheinlich werden wir an den Zielen festhalten, aber die Fristen strecken müssen.

swissinfo: Warum wurden die Ziele nicht erreicht?

T.Z.: Erstens fehlt es weiterhin an Finanzen und Mitteln. Zweitens sind auch die Infrastrukturen in vielen Ländern noch nicht bereitgestanden.

Die Grundanforderung des Programms war, dass jedes Land einen national gültigen Plan, eine landesweite Struktur und ein einheitliches Überwachungs- und Kontroll-System für die Fortschritte aufweist. Doch soweit ist man noch nicht.

Und solange diese Grundlagen nicht bereit sind, lässt sich im betreffenden Land auch nicht richtig arbeiten.

swissinfo: Trotz zunehmender Anstrengung gegen Aids wächst die Zahl der neu mit HIV Infizierten stärker als die jener, die mit der antiretroviralen Behandlung beginnen. Gibt es hier Fortschritte?

T.Z.: Ohne Zweifel. Laut Ban Ki-moon hat sich ein Drittel aller HIV-Infizierten, die einen Zugang zum Programm haben, für eine Behandlung entschieden. Das ist ein grosser Schritt vorwärts.

Zweitens ist die Mutter-Kind-Übertragung in vielen Ländern stark reduziert worden.

Was meiner Einschätzung nach weniger funktioniert und wo nicht vorwärts gemacht wird, ist die Prävention.

swissinfo: Inwiefern ist der Kampf gegen Aids ein wissenschaftliches Problem, bei dem ein Heilmittel zu finden ist? Und inwiefern ist es ein politisches Problem, Heilmittel jenen zugänglich zu machen, die sie bräuchten?

T.Z.: Der Kampf gegen Aids umfasst beides. Zur Zeit zeigt sich die Epidemie derart, dass mehr Frauen als Männer neu angesteckt werden. Also geht es um politische Gleichberechtigung.

Andererseits gibt es ein noch ungelöstes, wissenschaftliches Problem. Wir hoffen alle, dass eines Tages eine Impfung zur Verfügung stehen wird.

Inzwischen steht auf dem wissenschaftlichen Terminplan ein Gel für Frauen, das den Virus tötet. Das tönt nach einer sehr interessanten neuen Option. Diese hat innerhalb des heterosexuellen Bereichs das Potenzial zu einem echten Durchbruch.

swissinfo: Die Preisanstiege bei Erdöl und Nahrungsmitteln sowie die Klimaänderung wirken sich auf HIV-Infizierte und Aids-Kranke aus. Wo in der UNO-Prioritätenliste befindet sich das Aids-Problem?

T.Z.: Man fühlt und sieht auch, dass HIV/Aids in vielen Ländern nicht mehr die Priorität geniesst, die es vor 5 oder zehn Jahren noch hatte. Das gilt sowohl für Entwicklungs- wie auch für Geberländer. Das hat mit den anderen aufkommenden Krisen zu tun.

UNAids-Direktor Peter Piot, der nach 13 Jahren zurücktritt, hat den Krisen-Bezug in New York gut auf den Punkt gebracht. Er sagte nämlich, dass auch die Aids-Epidemie eine Art Krise, nämlich eine Gesundheits-Krise ist.

Das trifft sicher zu. Aber gleichzeitig entwickelt sich die Aids-Epidemie zu einer Art chronischen Krankheit. Diese braucht Mittel für die kommenden 30 bis 40 Jahre.

swissinfo: Welches ist der Beitrag der Schweiz zur Debatte in New York und zur Aids-Bekämpfung generell?

T.Z.: Unser Beitrag besteht weniger aus finanziellen Mitteln. Wird sind im Vorstand von UNAids und vom Global Fund zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria.

Es ist wichtig, in diesen beiden Institutionen vertreten zu sein und auf deren Prioritäten Einfluss zu nehmen.

Die Schweiz war sehr aktiv im Bereich der Heilmittel, beim Interessenkonflikt zwischen Patentrechten und Zugang zu Medizin. Im Mai brachten wir diese beiden Interessen in Genf zusammen. Auch hier, so denke ich, ist es zu einem Fortschritt gekommen.

swissinfo-Interview: Thomas Stephens
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

2007 sind rund 2,1 Mio. Menschen an Aids gestorben, und mindestens 33 Mio. trugen das Virus.

Letztes Jahr steckten sich 2,5 Mio. Menschen mit HIV an. 1 Mio. hat mit einer antiretroviralen Medikamenten-Therapie begonnen.

Zudem sind Menschen mit einem durch HIV geschwächten Immunsystem 50 Mal stärker gefährdet, an Tuberkulose zu erkranken, so die UNO.

Laut dem von der UNO unterstützte Fonds für den Kampf gegen Aids, Tuberkulose und Malaria hat diese Fonds 1,75 Mio. Personen zu einer antiretroviralen Behandlung verholfen (+59% gegenüber Vorjahr).

Doch rund zwei Drittel der HIV-Infizierten erhalten laut UNO keine solche Behandlung.

Der HIV-Anstieg unter jungen Frauen und Männern zwischen 15 und 24 Jahren soll in den am meisten betroffenen Ländern bis 2005 um 25% gesenkt werden, weltweit bis 2010.

Bis 2005 soll sichergestellt werden, dass mindestens 90% und bis 2010 95% dieser Personengruppe Zugang zu Information und Aufklärung erhalten.

Dazu gehört die HIV-Aufklärung unter ähnlich Betroffenen, jugendspezifische Aufklärung. Spezielle Dienstleistungen sollen die HIV-Infektionsgefahr vermindern.

Diese Dienstleistungen erfolgen in Partnerschaft mit jungen Menschen, Eltern, Familien, Lehrpersonen und der Gesundheitspflege.

Bis 2005 soll der Anteil der angesteckten Kleinkinder um 20% gesenkt werden, bis 2010 um 50%.

Dies wird dadurch erreicht, dass 80% der schwangeren Frauen, die vor der Geburt betreut werden, Information, Beratung und andere Dienstleistungen zur Verhinderung einer HIV-Infektion erhalten.

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