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Viel Arbeit für den Schweizer Botschafter in Washington

Urs Ziswiler: Der Botschafter-Posten in Washington ist eine Herausforderung. Keystone

Der Schweizer Vertreter in Washington, Urs Ziswiler, bezeichnet die Beziehungen zwischen den beiden Staaten als "intensiv", seit er im Mai 2006 den Posten übernommen hat.

In dieser Zeit hat er schon fast die ganze Schweizer Regierung, zwei Staatssekretäre, den Nationalbank-Präsidenten und andere hochrangige Besucher empfangen.

In den ersten beiden Monaten nach Ziswilers Amtsantritt wurden zwischen den USA und der Schweiz drei wichtige Abkommen geschlossen – ein politisches, ein wirtschaftliches und ein weiteres im Kampf gegen den Terrorismus.

Als Botschafter in Washington gehört es zu den erklärten Zielen von Urs Ziswiler, das gegenseitige Verständnis zwischen den beiden Staaten weiter zu fördern.

swissinfo: Was hat sich am Klima zwischen der Schweiz und den USA in den vergangenen Jahren verändert?

Urs Ziswiler: Ganz sicher gibt es ein neues und wachsendes Phänomen, den Anti-Amerikanismus – in Europa generell und im Besonderen in der Schweiz.

Das macht mir etwas Sorge. Denn dieses Gefühl basiert häufig auf Ignoranz.

swissinfo: Was möchten Sie denn in Ihrer Zeit in Washington erreichen?

U.Z.: Ich möchte für mehr Verständnis sorgen. Die Wahrnehmung dürfte nicht nur auf Ignoranz fussen, oder geprägt sein vom Bild einer Person oder von einem Ereignis wie dem Irak-Krieg; die USA sind sehr viel komplexer.

Dies ist etwa so, wie wenn man die Schweiz allein auf das Bankgeheimnis reduzieren würde.

swissinfo: Welche Rolle spielt die Schweiz bei den Bemühungen, eine Lösung zu finden für den gegenwärtigen Nuklear-Streit zwischen den USA und Iran? Bern vertritt ja die Interessen Washingtons in Teheran.

U.Z.: Diese Interessenvertretung ist ein Zeichen des Vertrauens zwischen unsern zwei Ländern. Was dieses Mandat angeht, hören Sie von den Diplomaten immer denselben Satz: “Kein Kommentar” – und ich weiss, man liebt diese Antwort gar nicht.

Wir haben dieses Mandat von der US-Regierung erhalten. Und wenn Sie wissen wollen, was wir machen, müssen Sie die USA fragen.

Von Schweizer Seite her versuchen wir, die Kontakte zwischen Iran und den anderen involvierten Kreisen zu erleichtern, das bedeutet, mit den Europäern und den USA. Und all diese Bemühungen werden in Bern koordiniert.

swissinfo: Im letzten Jahr unterzeichnete die Schweiz drei Abkommen mit den USA, die zu einem Schwerpunktland für Bern geworden sind. Inwieweit war es ein Rückschlag, dass vor allem wegen Divergenzen im Landwirtschafts-Dossier keine Verhandlungen für ein Freihandels-Abkommen aufgenommen wurden?

U.Z.: Nach Sondierungsgesprächen kamen beide Seiten zum Schluss, dass die Zeit nicht reif sei für Verhandlungen. Wir mussten also nach anderen Wegen suchen. Das war der Auftakt zum Handels- und Investment-Forum.

Ich betrachte dies als einen sehr wichtigen, dynamischen Prozess. Er erlaubt uns nicht nur, mit verschiedensten US-Behörden in Kontakt zu bleiben, sondern auch über gewisse Bereiche zu sprechen, die wir als sehr wichtig erachten, zum Beispiel geistiges Eigentum oder E-Commerce.

Viele Fragen sind sehr technisch, und wie so oft liegt der Teufel im Detail. Aber wir haben Fortschritte gemacht.

swissinfo: Früher in diesem Jahr hat der US-Botschafter in der Schweiz, Peter Coneway, erklärt, die USA und die Schweiz könnten im Kampf gegen den Terror ihre Zusammenarbeit verbessern. Offenbar wird der Schweizer Justizminister Christoph Blocher bald einmal nach Washington reisen. Was gibt es für Pläne?

U.Z.: Natürlich gibt es immer Raum für Verbesserungen, auch in diesem sehr kniffligen Bereich. Daher war Bundesrat Blocher im letzten Jahr schon hier, und das ist ein Grund, wieso er Ende Monat wieder kommt.

Auf dem Programm stehen Treffen mit Michael Chertoff, dem Minister für innere Sicherheit, sowie mit Justizminister Alberto Gonzales und vielen anderen. Sie werden den Stand der Umsetzung der Massnahmen im Kampf gegen den Terrorismus erörtern und erkunden, ob es allenfalls Bereiche gibt, in denen die Zusammenarbeit noch vertieft werden kann.

swissinfo: In welchen anderen Bereichen bemühen Sie sich sonst noch um vertiefte Beziehungen mit den USA?

U.Z.: Im letzten Jahr hatten wir das sehr erfolgreiche Programm “Swiss Roots”, das noch andauert. Ziel war es, Amerikaner mit Schweizer Wurzeln zu motivieren, ihre alte Heimat zu entdecken.

In diesem Jahr begannen wir ein neues Programm unter dem Namen “Think Swiss”. Hier geht es in erster Linie darum, zu zeigen, dass das Schweizer Erziehungs- und Bildungssystem erstklassig ist, angefangen mit dem System der Berufslehren bis hin zur Spitze mit den Eidgenössischen Technischen Hochschulen und anderen Forschungs-Instituten.

swissinfo: Vor zehn Jahren, während der Debatte um die nachrichtenlosen Vermögen aus der Nazi-Zeit auf Schweizer Banken, hatte Ihr damaliger Amtsvorgänger, Carlo Jagmetti, einen schweren Stand. Er befand sich sozusagen auf einem “heissen Stuhl”. Ist der Posten in Washington heute so herausfordernd wie damals?

U.Z.: Was auch immer auf der Welt passiert, ist auf irgendeine Weise wichtig für die USA oder beeinflusst von ihnen. Das alles aus der Nähe zu verfolgen und Bern darüber so umfassend wie möglich zu informieren, ist schon eine Herausforderung des Amtes.

Dazu kommen die intensiven bilateralen Beziehungen. Da ist sehr viel im Gange, auf politischer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und kultureller Ebene.

swissinfo-Interview: Robert Brookes
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Urs Ziswiler ist seit dem 1. Mai 2006 Schweizer Botschafter in Washington.

Vor seinem gegenwärtigen Posten war er als Chef der Politischen Direktion im Aussenministerium der zweithöchste Diplomat der Schweizer Aussenpolitik.

Davor amtierte er als diplomatischer Berater für Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, die diesjährige Schweizer Bundespräsidentin.

Zudem hatte Ziswiler zuvor eine Reihe diplomatischer Posten, so war er unter anderem Schweizer Botschafter in Kanada und auf den Bahamas (1999-2004).

Der 1949 geborene Ziswiler begann seine Berufs-Karriere als Junior-Experte für die Weltbank in Madagascar; später war er unter anderem Delegierter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Beirut, Gaza, Tel Aviv und Kampala, bevor er in die Dienste des Aussenministeriums eintrat.

Ziswiler ist Bürger von Buttisholz im Kanton Luzern, verheirat und Vater zweier Kinder.

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