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Mandat für UNO-Anklägerin del Ponte verlängert

UNO-Chefanklägerin Carla del Ponte bei einem Besuch in Belgrad am 4. Juni 2007. Keystone

Der UNO-Sicherheitsrat hat mit grosser Mehrheit das Mandat für die Chefanklägerin beim Haager Kriegsverbrechertribunal, Carla del Ponte, bis Ende Jahr verlängert.

Inzwischen hat Serbien den Sohn des ehemaligen bosnischen Serbenführers und mutmasslichen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic nach seiner Festnahme in Belgrad ausgewiesen.

Bei 14 Stimmen enthielt sich als einziges Ratsmitglied Russland der Stimme und warf der Schweizer Juristin vor, ihr Amt politisch zu missbrauchen.

Das Sondergericht der Vereinten Nationen hat die Aufgabe, Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien strafrechtlich zu verfolgen.

Die Diplomaten aus Frankreich und Grossbritannien, Jean-Maurice Ripert und Karen Pierce, lobten die Arbeit del Pontes. Ihr sei es gelungen, mehrere flüchtige Verdächtige vor das Tribunal in Den Haag zu bringen.

Chinas Verständnis für Russlands Kritik

Der chinesische UNO-Diplomat Li Junhua gratulierte del Ponte, äusserte aber zugleich Verständnis für die russische Haltung.

Moskau ist ein wichtiger Verbündeter von Serbien, und ein grosser Teil der noch vom Haager Tribunal gesuchten mutmasslichen Kriegsverbrecher kommt aus Serbien oder dem serbischen Teil von Bosnien-Herzegowina.

Ban Ki-moon bat um Verlängerung

Die Chefanklägerin hätte am Freitag nach achtjähriger Amtszeit zurücktreten sollen. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon bat den Sicherheitsrat aber um eine Verlängerung, um einen reibungslosen Übergang zu einem bislang noch nicht ernannten Nachfolger zu gewährleisten.

Als Favorit für die Übernahme der Aufgabe gilt der belgische Staatsanwalt Serge Brammertz, der gegenwärtig die UNO-Ermittlungen zum Mordanschlag auf den früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri leitet. Davor war Brammertz Stellvertreter del Pontes.

Der Sicherheitsrat beschloss auch einstimmig, Hassan Jallow als Ankläger beim UNO-Tribunal für den Völkermord in Ruanda zu bestätigen. Sein Mandat wurde um vier Jahre verlängert.

Serbien nimmt Karadzic-Sohn fest und weist ihn aus

Der Sohn des wegen zahlreicher Kriegsverbrechen gesuchten früheren bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic ist aus Serbien ausgewiesen worden.

Sasa Karadzic war am Freitag während eines Aufenthalts in Belgrad festgenommen worden. Die Behörden liessen ihn am Samstag wieder frei und forderten ihn auf, das Land binnen drei Tagen zu verlassen. Zugleich wurde ein einjähriges Einreiseverbot verhängt, wie Menschenrechts-Minister Rasim Ljajic mitteilte.

Sasa Karadzic, der nicht die serbische Staatsbürgerschaft hat, war nach Angaben des Ministers im Besitz falscher serbischer Personaldokumente. Ljajic machte keine Angaben dazu, ob Karadzic nach der Festnahme zum Aufenthaltsort seines Vaters befragt wurde.

Wichtig für künftige Beziehungen mit der EU

Die Regierung in Belgrad hatte in jüngster Zeit wiederholt zugesagt, die Fahndung nach mutmasslichen Kriegsverbrechern zu verstärken. Neben Karadzic wird im Zusammenhang mit Verbrechen während des Krieges in Bosnien-Herzegowina vor allem noch dessen Militärführer Radko Mladic gesucht.

Gegen Ende des Monats wird UNO-Tribunal-Chefanklägerin Carla del Ponte in Belgrad erwartet. Ihr Bericht zur Kooperation der serbischen Regierung mit dem Tribunal ist von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und Belgrad.

swissinfo und Agenturen

Die 1947 geborene Carla del Ponte wurde 1981 Tessiner Staatsanwältin.

Bekannt wurde sie mit ihrem Kampf gegen Geldwäscherei, organisierte Kriminalität und Waffenschmuggel.

Del Ponte war von 1994 bis 1999 Bundesanwältin, bevor sie von den Vereinten Nationen als Chefanklägerin des UNO-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien nach Den Haag berufen wurde.

Im September dieses Jahres wollte sie ursprünglich ihr Mandat niederlegen, wird jedoch bis Ende dieses Jahres im Amt bleiben.

Die 60-jährige Tessinerin wird im Januar 2008 Schweizer Botschafterin in Argentinien.

Carla del Ponte ist geschieden und hat einen 30-jährigen Sohn.

Das Internationale Tribunal für Ex-Jugoslawien (TPIY) wurde gemäss der Resolution 827 des UNO-Sicherheitsrates eingerichtet.

Diese Resolution wurde am 25. Mai 1993 angenommen als Antwort auf die Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit durch die schweren Übertretungen des internationalen humanitären Rechts, die seit 1991 auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens begangen worden waren.

TPIY hat seinen Sitz im niederländischen Den Haag.

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