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Mildes Urteil im Pitbull-Prozess

Der Fall löste eine breite Diskussion um die Gefährlichkeit von Kampfhunden aus. Reuters

Überraschung im Pitbull-Fall: Der Italiener, dessen drei Kampfhunde vor zwei Jahren in Oberglatt bei Zürich einen 6-jährigen Knaben zu Tode bissen, wurde in 2. Instanz teilweise frei gesprochen.

Zwei weitere wegen fahrlässiger Tötung Angeklagte gehen straffrei aus.

Die Haftstrafe gegen den Hauptangeklagten wurde von zweieinhalb auf zwei Jahre Gefängnis reduziert und wegen des neuen Rechts nur noch bedingt ausgesprochen.

Der Pitbull-Besitzer ist bereits wieder ein freier Mann: Er war Ende Juli nach 20-monatiger Haft wegen guter Führung vorzeitig entlassen worden.

Der 43-Jährige wurde in zweiter Instanz vom Vorwurf der schweren fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen.

Er hatte gegen das vorinstanzliche Urteil in diesem Punkt rekurriert, nicht jedoch gegen das Urteil wegen fahrlässiger Tötung, das er akzeptierte. Sein Anwalt hatte eine Haftstrafe von 18 Monaten gefordert.

Grenzen des Strafrechts

Die drei Pitbulls hatten kurz vor dem tödlichen Angriff auf den Sechsjährigen im Dezember 2005 eine Frau und deren vierjährigen Sohn bedroht. Die 27-Jährige erlitt ein massives psychisches Trauma und gilt seither als arbeitsunfähig.

Deshalb wurde der Hauptangeklagte vor einem Jahr vom Dielsdorfer Bezirksgericht auch wegen schwerer fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.

Auch das Obergericht stehe dem Fall hilflos gegenüber, sagte der Gerichtsvorsitzende Reinhold Schätzle am Ende der Urteilsberatung. Bei so viel Tragik stosse man an die Grenzen des Strafrechts.

Ex-Freundin freigesprochen

Das Zürcher Obergericht befand nun jenes Urteil als nicht stichhaltig. Es kritisierte die Anklage der Staatsanwaltschaft als ungenügend. Die Ursachen des angeblich schweren Schocks der Frau seien nicht klar ausgeführt worden.

Die 30-jährige Ex-Freundin des Pitbull-Besitzers, die gegen zwei Strafpunkte rekurrierte, wurde vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung und der schweren fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Dafür hatte sie von der Vorinstanz noch 14 Monate bedingt kassiert.

Das Obergericht erachtete es als nicht erwiesen, dass die Frau durch ein anderes Verhalten den tödlichen Angriff auf das Kind hätte verhindern können. Auch sei die Ex-Freundin nicht für die falsche Unterbringung der Hunde verantwortlich zu machen.

Wohnungsbesitzer nicht verantwortlich

Ebenfalls straffrei geht der 40-jährige Besitzer der Wohnung in Oberglatt aus, auf dessen Balkon sechs Pitbulls behelfsmässig untergebracht waren. Er war von der Vorinstanz zu 12 Monaten bedingt verurteilt worden.

Der Kollege des Hauptangeklagten habe zwar den Verschlag für die Hunde aufgestellt, aber als Laie darauf vertrauen können, dass der Hauptangeklagte den Verschlag kontrolliere. Der Wohnungsinhaber könne für die Unterbringung der Hunde nicht verantwortlich gemacht werden.

Vom Bretterverschlag auf dem Balkon konnten sich die Hunde am 1. Dezember 2005 befreien und den Kindergärtler zerfleischen.

Weiterzug ans Bundesgericht noch offen

Für die 14-tägige U-Haft sprach das Gericht dem dritten Angeklagten eine Genugtuung von 1600 Franken zu. Auch hier kritisierte es Mängel bei der Anklageschrift, was zum Freispruch geführt habe.

Wegen der Freisprüche geht die traumatisierte Frau leer aus. Ihr Anwalt hatte Schadenersatz sowie eine Genugtuung von 60’000 Franken für seine Mandantin verlangt. Er liess auf Anfrage offen, ob er das Urteil ans Bundesgericht weiterzieht.

Auch die Staatsanwaltschaft, die eine Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils verlangt hatte, liess diese Frage noch offen.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz gibt es kein nationales Gesetz, das Bestimmungen über die Haltung gefährlicher Hunde enthält.

Im Dezember 2005 töteten drei Pitbulls bei Zürich einen sechsjährigen Knaben.

Das Schweizer Parlament debattierte darauf über Massnahmen zum Schutz der Menschen vor gefährlichen Hunden.

National- und Ständerat nahmen eine Motion an, die ein landesweites Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Hunden verlangt.

Bis allenfalls ein solches Gesetz in Kraft tritt, liegt die gesetzgeberische Kompetenz laut Bundesgericht bei den Kantonen.

Wer im Kanton Genf einen Kampfhund halten will, braucht eine Bewilligung.Das Genfer Stimmvolk hat im Juni 2007 das verschärfte Hundegesetz klar angenommen.

Im Wallis sind seit 1. Januar 2006 zwölf “gefährliche” Hunderassen verboten. Leine und Maulkorb sind für solche Hunde vorgeschrieben.

Der Kanton Freiburg plant, gefährliche Hunde zu verbieten.

Ähnliche Massnahmen werden beraten in den Kantonen Waadt, Jura, Bern, Zürich und Basel-Stadt.

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