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Mögliche Atom-Schmuggler im Visier

Wegen vermuteter Unterstützung des libyschen Atomwaffen-Programms hat die Schweizerische Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eröffnet.

Im Visier sind zwei Schweizer, wie die Bundesanwaltschaft erklärte. In der gleichen Affäre sitzt seit letzter Woche ein Schweizer Ingenieur in Deutschland in Untersuchungshaft.

Das Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft betrifft den Verdacht auf Verstösse gegen das Güterkontroll-Gesetz (GKG) und gegen das Kriegsmaterial-Gesetz (KMG), wie BA-Sprecher Hansjürg Mark Wiedmer sagte.

Das Verfahren wurde auf Grund einer Strafanzeige des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) am Mittwoch eröffnet und richtet sich gegen zwei Schweizer Staatsangehörige sowie gegen allfällige Mitbeteiligte.

Internationaler Kontext

Es gehe um einen internationalen Kontext und um einen hoch spezialisierten technologischen Bereich, der die verbotene Lieferung von Gütern betreffe, die in einem Nuklearprogramm hätten gebraucht werden können, sagte Wiedmer. Weitere Auskünfte über die betroffenen Personen und zum Sachverhalt wollte er mit Rücksicht auf die eben angelaufenen Ermittlungen nicht machen.

Die Frage, ob der letzte Woche in Deutschland festgenommene Schweizer Ingenieur Urs Tinner zu den Beschuldigten gehöre, wollte Wiedmer weder bestätigen noch dementieren.

seco-Vorabklärungen nach Malaysia-Bericht

Bekannt ist, dass das seco im Fall Tinner in den letzten Monaten Vorabklärungen vorgenommen und Ende September einen Bericht an die Bundesanwaltschaft abgeliefert hat. Es ging dabei um den Verdacht der Weitergabe pakistanischer Nuklear-Technologie an Libyen.

Das seco war auf Grund eines Polizeiberichts aus Malaysia vom vergangenen Februar und von Informationen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA aktiv geworden. Im Polizeibericht wurden unter anderem Urs Tinner und dessen Vater Friedrich der Weitergabe von pakistanischer Nukleartechnologie an Libyen verdächtigt.

Vermittlung von Kernwaffen



Konkret geht es bei den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft um Verstösse gegen Artikel 14 des Güterkontroll-Gesetzes (GKG) sowie gegen Artikel 7 des Kriegsmaterial-Gesetzes (KMG), wie BA-Sprecher Wiedmer sagte.

Artikel 7 des KMG stellt unter anderem die Vermittlung von Kernwaffen unter Strafe. Vorsätzliche Widerhandlungen können mit Zuchthaus von bis zu zehn Jahren bestraft werden.

Artikel 14 des GKG, der Verbrechen und Vergehen im Falle der Vermittlung und des Exports militärischer Güter sowie von Dual-Use-Gütern betrifft, sieht in schweren Fällen ebenfalls eine Zuchthaus- Strafe von bis zu zehn Jahren sowie eine Busse von bis zu fünf Millionen Franken vor.

Deutschland: Vorwurf des Landesverrats

Die deutsche Bundesanwaltschaft hatte nach der Verhaftung Tinners Ende letzter Woche bekannt gegeben, dass dieser dringend verdächtigt wird, Teil eines illegalen Beschaffungs-Netzwerks zu sein, das Libyen bei der Entwicklung und beim Bau von Gas-Ultrazentrifugen (GUZ) für die Hochanreicherung von Uran unterstützt habe.

Tinner muss sich in Deutschland wegen Beteiligung am Landesverrat verantworten. Wegen Fluchtgefahr kommt eine Haftentlassung gegen Kaution nicht in Frage, wie eine Sprecherin der deutschen Bundesanwaltschaft erklärte.

Zur Frage eines möglichen Auslieferungsgesuchs für Tinner an Deutschland, wollte sich BA-Sprecher Wiedmer nicht äussern.

Die BA hatte auf Grund eines deutschen Rechtshilfegesuchs bereits im vergangenen August eine Hausdurchsuchung bei einem deutschen Ingenieur im St. Galler Rheintal vorgenommen.

Lybien: Lange geheimes Atomwaffen-Programm



Lybien hatte seit 1980 ein Programm zur GUZ-Entwicklung betrieben. Ende 2003 gab Revolutionsführer Muammar el Gaddafi den Stopp des geheimen Atomwaffen-Programms bekannt; unter anderem nachdem ein Transport solcher Zentrifugen aufgeflogen war.

Im März 2004 unterzeichnete Tripolis zudem ein Zusatzprotokoll zum Atomwaffen-Sperrvertrag und genehmigte eine Inspektion seiner Anlagen durch die Internationale Atomenergie-Behörde in Wien.

swissinfo und Agenturen

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