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Mönche machen Marketing

Das Kapuziner-Leben findet nicht nur hinter Klostermauern statt. Keystone

Der Kapuziner-Orden in der Schweiz hat mit Mitgliederschwund und Überalterung zu kämpfen. Um für Nachwuchs zu werben, greifen die Brüder zu modernen Marketing-Strategien wie Inseraten-Kampagnen und dem Online-Vertrieb von Fan-Artikeln.

Die Niederlassung der Kapuziner Mönche in Zürich befindet sich in einem unscheinbaren, hellrosafarbenen Wohnblock. Hier leben zurzeit drei Brüder. Willi Anderau ist einer von ihnen.

Der 67-jährige Anderau, der vor rund 45 Jahren in den Orden eintrat, ist Medienbeauftragter und ehemaliger Vorsteher des Kapuziner-Ordens der Deutschschweiz. Seine beiden Kollegen arbeiten ausser Haus, sie helfen als Seelsorger in Pfarreien aus.

In Anderaus kleinem Zimmer mit beigem Teppich und beigen Vorhängen reihen sich auf Gestellen Bücher und Ordner, dazwischen stehen Holzfiguren, die er von seinen Reisen als Medienbeauftragter für den Kapuziner-Orden aus Afrika und Asien mitgebracht hat. Auf dem Tisch neben dem Einzelbett mit dem farbig gemusterten Duvet liegt ein Laptop, über dem Lavabo hängt ein Kreuz.

Im Untergeschoss des Hauses gibt es eine kleine Kapelle mit verzierten Glasfenstern, wo die Mönche morgens und abends zusammen beten. “Wer hat schon eine Kapelle zu Hause?”, sagt Anderau, der die Besucherin durchs Haus führt und lacht.

Im obersten Stock, wo die Gemeinschaftsräume liegen, hat man das Gefühl, sich in einer gewöhnlichen Wohnung zu befinden. In der Küche stehen Bierkartons neben der Kaffeemaschine, in der Wohnstube steht in der Ecke ein Flachbildschirm-Fernseher. Auf dem Glastischchen vor dem schwarzen Sofa liegen Programmheft und Fernbedienung, in der Wohnwand befindet sich eine DVD-Sammlung von Loriot.

“Wir leben hier wie in einer Familie”, sagt Willi Anderau und verweist darauf, dass die Leute heute wenig über den Kapuziner-Orden wüssten und oft ein klischiertes Bild hätten. Das Leben der Brüder entspräche weder dem Bild des gemütlichen, dicken Mönchs mit der braunen Kapuze aus der Werbung, noch jenem der vollständigen Askese.

Grosses Medienecho

Mit einer aussergewöhnlichen Aktion haben die Kapuziner-Mönche der Deutschschweiz nun die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Anfangs November haben sie im Kaderstellen-Anzeiger Alpha ein Stelleninserat geschaltet. Seither läuft bei Bruder Willi Anderau das Telefon heiss. Soeben erhielt er eine Anfrage des Fernsehsenders Al Jazeera.

“Wir scheinen mit der Inseratenkampagne den Nerv der Zeit getroffen zu haben”, sagt Willi Anderau, überrascht vom grossen Medienecho und erfreut darüber, dass auf das erste Inserat der bis Frühling 2011 laufenden Inseratenkampagne bereits rund 15 Bewerbungen eingegangen sind.

Der katholische Brüderorden der Kapuziner sucht “Banker, Journalisten, Lehrer, Theologen, Kaufleute, Juristen, Kommunikations-Spezialisten”, heisst es im Inserat. Gesucht werden ledige, römisch-katholisch getaufte Männer mit abgeschlossenem Studium oder vergleichbarer Ausbildung, die idealerweise zwischen 22 und 35 Jahre alt sein sollten.

Weiter sollten sie lebenstüchtig, gemeinschaftsfähig, initiativ, neugierig und suchend sein und soziale Kompetenz und Sensibilität für Religionen mitbringen. Geboten wird “keine Bezahlung, sondern Spiritualität und Gebet, Kontemplation, eine egalitäre Lebensform, Freiheit von persönlichen materiellem Reichtum und vom üblichen Zweierbeziehungsmodell”.

Mönch und Banker?

Unter Umständen sei es auch möglich, nach der Ordensausbildung den bisherigen Beruf an einem Arbeitsplatz ausserhalb des Klosters auszuüben, heisst es im Inserat weiter.

Mönch und Banker, geht das zusammen? “Das Evangelium muss im Grunde genommen an jedem Ort gelebt werden können. Doch es ist klar, es gibt Berufe, die uns näher stehen als andere”, sagt Willi Anderau.

Ein Ordensbruder könne sicher nicht als Drogendealer oder Waffenhändler arbeiten, das wäre unvereinbar. Doch der Begriff Banker sei weit gefasst, das könnten auch Angestellte am Schalter sein.

Wenn ein Kapuziner Bruder im Abzocker-Milieu die Botschaft Jesu verkünden würde, wäre das natürlich auch nicht schlecht, so Anderau. Doch er könne sich nicht vorstellen, dass ein Spekulant nach der Ordensausbildung zurück in diesen Beruf wolle. “In diesem Fall wäre etwas schief gelaufen.”

Flucht nach vorn

Mit der Inseratenkampagne hat der katholische Brüderorden der Kapuziner die Flucht nach vorne ergriffen: Denn die Kapuziner in der Schweiz sind am Aussterben. Das Durchschnittsalter liegt bei über 70 Jahren, und die Zahl der Kapuziner-Mönche ist in den letzten 15 Jahren von 400 auf 200 gesunken.

Verschiedene Niederlassungen mussten bereits aufgegeben werden, so etwa das Kloster in Stans. Weltweit bleibt die Zahl der Kapuziner mit etwa 11’000 indes seit einigen Jahren ziemlich konstant: Während der Orden in Europa und Nordamerika an Nachwuchs verliert, ist er in Asien, Lateinamerika und Afrika am Wachsen.

Online-Shop mit “Fan-Artikeln”

Um für sich Werbung zu machen, haben die Deutschschweizer Kapuziner-Mönche auf ihrer Website auch einen Online-Shop mit “Fan-Artikeln” eröffnet. Da kann man Cappucino-Tassen, braune Kapuzen-Pullover und Polo-Shirts mit Kapuzinerlogo bestellen. “Der Shop findet unglaublichen Anklang, wir haben bereits Lieferengpässe”, so Willi Anderau.

Für ihn steht das Promoten der “Marke” Kapuziner nicht im Widerspruch zum Orden, der auf Franz von Assisi zurückgeht, welcher ein von den Gesetzen des Kapitalismus unabhängiges Leben in Armut, Gehorsam und Keuschheit führte.

“Werbung ist eigentlich nichts anderes als Kommunikation. Es geht uns nicht darum, Geld zu verdienen und Kapital anzulegen, sondern wir werben einfach für eine Botschaft und eine Lebensform.”

Und dies sei heute umso wichtiger, weil das braune Ordensgewand, das ja auch eine Art Werbeträger gewesen sei, heute aus dem Alltag verschwunden sei. Anderau selbst trägt einen gemusterten Wollpullover und schwarze Hosen.

Der Online-Shop diene auch dazu, die Inseratenkampagne, die insgesamt mehrere 10’000 Franken kostet, ein Stück weit zu finanzieren.

“Wie bei einer guten Ehe”

Doch kann man mit Werbung überhaupt Menschen für die Lebensform der Kapuziner gewinnen? “Die wichtigste Werbung ist natürlich immer noch das, was wir vorleben und verkünden. Doch die Reichweite der herkömmlichen Informationsmittel ist relativ klein, das muss man schon sehen”, so Anderau.

Aber sich nur aus Gründen der Public Relations in aktuelle Debatten wie etwa jene der SVP-Ausschaffungs-Initiative in der Öffentlichkeit zu positionieren, wäre ihm indes “etwas zu billig”. “Ich möchte nicht ernsthafte Themen für unsere Zwecke instrumentalisieren, um für Nachwuchs zu werben. Das wäre der falsche Weg”, so Anderau.

Für ihn ist klar: Auch wenn der Orden eines Tages aussterben sollte, bedeute das nicht, dass es nicht wert gewesen sei, das Kapuziner-Leben zu leben. “Es ist wie bei einer guten Ehe. Auch wenn keine Nachfolger da sind, kann sie trotzdem gut sein.”

Die Stimmung unter den Kapuzinern in der Schweiz sei jedenfalls nicht gedrückt. Und auch die soziale Sicherheit der überalterten Brüdergemeinschaft sieht Anderau dank der gemeinsamen Kasse der Kapuziner-Mönche, in die Löhne und Spenden fliessen, und dank der AHV nicht gefährdet.

Der franziskanische Orden, der auf Franz von Assisi (1182-1226) zurückgeht, besteht heute aus drei Zweigen: Franziskaner, Konventualen und Kapuziner.

Die Kapuziner führen ein Leben in Gehorsam, Armut und Keuschheit.

Der Orden engagiert sich für Arme und Kranke und ist auch in der Mission aktiv.

Die Ausbildung dauert rund 5 Jahre.

Weltweit zählt der Kapuziner-Orden rund 10’000 Brüder.

In der Schweiz gibt es etwa 200 Kapuziner, die verteilt auf 17 Niederlassungen (Klöster und brüderliche Gemeinschaften) leben.

Verschiedene Klöster und Niederlassungen mussten auf Grund des Mitgliederschwundes aufgegeben werden.

Um dem Mitgliederschwund entgegen zu wirken, haben die Kapuziner in den letzten Jahren verschiedene neue Angebote entwickelt: Als “Bruder auf Zeit” etwa können Interessierte drei bis sechs Jahre in eine Kapuzinergemeinschaft eintreten.

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