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Musharraf musste für seinen Krieg gegen den Terror bezahlen

Musharrafs Position ist nach den Wahlen alles andere als stabil. Keystone

Der "Krieg gegen den Terrorismus" ist einer der Gründe der Wahlniederlage des pakistanischen Präsidenten. Die Mehrheit seiner Landsleute empfindet den Konflikt als importiert.

Trotz der Niederlage weigert sich Pervez Musharraf, zurückzutreten. Die Lage im Land macht für die Schweizer Hilfswerke die Arbeit nicht einfacher.

Pakistan hat eine demokratische Revolution erlebt. Pervez Musharraf, der am Wahlmorgen noch die gesamte Macht in den Händen hielt, war am Abend nur noch ein Ex-General auf einem wackelnden Thron.

Im Parlament ist seine Partei praktisch nicht mehr vertreten. Aber es sind mehr als nur ehrliche Wahlen nötig, um das Land zu beruhigen.

Marc Bouvier weiss das genau. Der Jurassier leitet in Peshawar, im unruhigen Nordwesten, die grosse Delegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Die Unsicherheit ist wegen der Nähe gewisser Stammesgebiete zu Afghanistan gross.

Dies macht es für das IKRK schwierig, Hilfsgüter in die Täler zu bringen, wo die Vertriebenen warten. Anfang Monat waren zwei lokale Angestellte, die einen Hilfskonvoi begleiteten, entführt worden.

Wählerinnen abgeschreckt

Selbst Peshawar, die Haupstadt in der scheinbar ruhigen Provinz, ist ein Ort voller Risiken. So sah man am Montag nur sehr wenige Frauen in den Wahllokalen.

Flugblätter und Mund-zu-Mund-Propaganda sagten, die Wählerinnen seien in Gefahr, wenn sie gegen die Order der Taliban doch zu den Wahlurnen gingen.

Das Ergebnis der Wahlen in der Provinz mit den unruhigen Paschtunen-Stämmen scheint sich trotzdem ein wenig verändert zu haben. 2002 hatte ein Bündnis islamistischer Parteien einen spektakulären Durchbruch erzielt.

Sechs Jahre später hat die Jamiat Ulema-e-Islam, die grösste dieser Parteien, einen herben Rückschlag erlitten. Ihr Chef, Fazal ur-Rehman, eine national bekannte Figur, wurde nicht einmal mehr in seiner Hochburg Dera Ismail Khan wiedergewählt.

Aber man muss sich über den Hintergrund dieser Niederlage im Klaren sein: Der Anführer der JUL, dessen Partei während des ersten Afghanistan Krieges ein Nährboden für Taliban-Kämpfer war, hatte sich in den letzten Jahr Pervez Musharraf genähert. Er führte auch mit den Amerikanern Gespräche.

Seit Anfang dieses Jahres haben die USA den Druck auf Islamabad verstärkt, so dass die pakistanische Armee die Al-Kaida und die Taliban in der Grenzregion vehementer verfolgt.

Fait accompli mit Drohnen-Angriffen

Die Amerikaner versuchen zudem, auf die Ex-Kollegen von Musharraf, der seit letztem Herbst nicht mehr General ist, Einfluss auszuüben.

Und um eine Art Beispiel zu geben, haben sie einen Statthalter von Osama bin Laden an der afghanischen Grenze, aber auf pakistanischem Gebiet, durch eine Hellfire-Rakete getötet, die von einer Drohne dirigiert wurde.

Dies ohne grünes Licht vom pakistanischen Stab erhalten zu haben. Dieser war nicht einmal informiert worden.

Der amerikanische Angriff hat sich im Land als völlig kontraproduktiv erwiesen. Rund hundert hohe Offiziere im Ruhestand haben im Januar eine Petition eingereicht, Musharraf solle abdanken.

Nichteingeständnis des Konflikts

Hauptargument: Ihr ehemaliger Chef sei an einem grossen Unrecht auf dem eigenen Boden beteiligt, dies in einem Konflikt, der nicht der seine sei.

Diese Generäle sprachen sich massiv gegen diesen Krieg aus, oft mit irrationalen Argumenten. Denn oft hört man Pakistani, vor allem Paschtunen, davon reden, die “Talibanisierung” sei eine Manipulation der Amerikaner, um dem Land zu schaden. Doch die “Talibanisierung” im Nordwesten des Landes ist eine Realität.

Für Musharraf wirkt das wie ein schrecklicher Bumerang. Als er sich 1999 an die Macht geputscht hatte, war er Herr über alle Militäraktionen, offene wie verborgene, illegale in Kaschmir und in Afghanistan. Damit hätte Pakistan eine “strategische Tiefe” gegeben werden sollen.

Nach dem 11. September 2001 hat sich Musharraf unter dem Druck der Vereinigten Staaten von Amerika, welche die Taliban und Al-Kaida zerstören wollten, bereit erklärt, gegen jene Krieg zu führen, die er vorher bewaffnet hatte.

Grenze schon überschritten

Doch der Krieg überschritt die pakistanische Grenze sehr schnell. Im letzten Jahr gelangte er sogar bis in die Hauptstadt, nachdem die Rote Moschee durch eine extremistische Gruppe besetzt worden war und die Armee zu einer blutigen Geiselbefreiung schritt.

Diese als moderate Befreiung versprochene Aktion radikalisierte wegen des vielen vergossenen Blutes die Bevölkerung.

Am Montag musste Musharraf nun die Rechnung bezahlen. Erstaunlich ist, dass diese Bestrafung durch wirklich freie und faire Wahlen erfolgte, die er der in dieser Beziehung skeptischen Bevölkerung versprochen hatte.

swissinfo, Alain Campiotti, Peshawar
(Übertragung aus dem Französischen: Etienne Strebel)

Die Schweiz hat die Unabhängigkeit Pakistans 1947, als sie proklamiert wurde, anerkannt. Diplomatische Beziehungen bestehen seit 1949.

1966 wurde ein Vertrag zur technischen Zusammenarbeit unterzeichnet, erweitert 1975 mit einem Zusatz für den Fall von Katastrophenhilfe.

Pakistan wurde als prioritäres Land für die Kooperation ausgewählt. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) eröffnete in der Folge 1977 ein Büro in Islamabad.

Im Konflikt um die Abtrennung von Ostpakistan 1971 (Bangladesch) vertrat die Schweiz die Interessen von Pakistan in Indien und umgekehrt.

1970 und 1980 hat die Schweiz verschiedene Umschuldungs-Abkommen mit Pakistan unterzeichnet.

Heute ist das Land ein wichtiger Partner der Schweiz in Asien.

Für die Schweiz ist Pakistan ein interessantes Land, das aber mit Vorsicht anzufassen ist.

Die Schweiz exportiert für über 300 Mio. Franken Güter in das Land, importiert aber zehn Mal weniger.

Kürzlich hat die Schweizer Regierung einen Rüstungs-Vertrag mit Pakistan gestoppt, mit der Begründung des Konflikts im Nordwesten an der afghanischen Grenze.

Die Schweiz ist auch vom endemischen Übel des Landes betroffen worden, der Korruption. In den Vertretungen in Islamabad und Karachi flog ein grosser Handel mit Visas auf.

Ausserdem musste sich die Genfer Justiz mit Kommissionszahlungen auseinandersetzen, die das Ehepaar Bhutto einkassierte, als Benazir Bhutto an der Macht war.

Ihr Witwer und Erbe, Asif Ali Zardari, war in Pakistan als “Mister 10%” bekannt. Er verbrachte elf Jahre im Gefängnis und beteuerte immer seine Unschuld.

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