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Neue Bundesrätin will Zerwürfnis mit ihrer Partei vermeiden

Keystone

Eveline Widmer-Schlumpf, die gegen den Willen ihrer Partei in die Landesregierung gewählt wurde, will im Bundesrat die gradlinige Sachpolitik fortführen, für die sie bekannt ist.

Sie werde sich dafür einsetzen, dass ihre Partei, die Schweizerische Volkspartei (SVP), wegen ihrer Wahl nun nicht auseinanderbricht.

Eveline Widmer-Schlumpf hat dem enormen Druck standgehalten und sich am Donnerstagmorgen dafür entschieden, das Amt des nicht wiedergewählten Bundesrats Christoph Blocher zu übernehmen.

“Sie haben mir eine grosse Aufgabe übertragen”, sagte sie vor der Vereinigten Bundesversammlung, den beiden Schweizer Parlamentskammern.

Damit hatte die Bündnerin am Morgen kurz nach acht bereits vorweggenommen, dass sie die Wahl annehmen will – gegen den Willen ihrer Partei, der Schweizerischen Volkspartei (SVP).

Leicht werde sie es als Bundesrätin allerdings nicht haben, sagte Widmer-Schlumpf an der Pressekonferenz um elf Uhr. Denn sie wurde gleich nach der Wahlannahme zusammen mit Parteikollege Samuel Schmid aus der SVP-Fraktion geworfen.

“Ich weiss aus meiner bisherigen neunjährigen Tätigkeit in der Bündner Regierung, wie wichtig es ist, eine starke Fraktion im Rücken zu haben”, erklärte sie. “Aber ich werde mich bemühen, den Kontakt zu Mitgliedern der SVP-Fraktion zu haben.”

Zerwürfnis vermeiden

Auch in anderen Fraktionen hoffe sie auf Gesprächspartner.

Man komme nur weiter, wenn man miteinander spreche, so Widmer-Schlumpf.

Eine Spaltung der SVP, über die im Parlament diskutiert wurde, sieht sie als keinen guten Weg. “Ich möchte versuchen, ein grosses Zerwürfnis zu vermeiden”, betonte sie.

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Fraktion

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Mitglieder der Bundesversammlung, die Mitglied derselben Partei oder politisch verwandter Parteien sind, können Fraktionen bilden. Eine Fraktion kann gebildet werden, wenn ihr in einem der beiden Räte mindestens fünf Mitglieder beitreten. Im Nationalrat ist Fraktionszugehörigkeit zudem Voraussetzung für den Einsitz in eine Kommission. Fraktionen erhalten Bundesbeiträge zur Deckung der Kosten ihrer Sekretariate. (Quelle: Wahlwörterbuch…

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Berechenbar

Die Schweiz habe nun eine Mitte-Links-Regierung, hatten verschiedene Exponenten der SVP nach Widmer-Schlumpfs Wahlannahme am Morgen erklärt.

Von swissinfo darauf angesprochen, meinte sie: “Ich nehme das so zur Kenntnis, aber Sie können mich ja daran messen, was ich in der Politik mache und welche Fragen ich wie beantworte.”

Sowohl die Linke wie auch die Rechte wisse, wie sie politisiere, betonte sie. Auch in bundesweiten Themenbereichen, die sie als Präsidentin der Finanzdirektoren-Konferenz (FDK) während acht Jahren begleitet hatte.

Eveline Widmer-Schlumpf wies als Beispiel auf eine der beiden Abstimmungsvorlagen vom 24. Februar 2008 hin, die Unternehmenssteuer-Reform II, die sie vehement vertritt – gegen die Linke.

Sie sei berechenbar und bringe anderen Meinungen gegenüber “sehr viel Respekt” entgegen, sagte die Berufspolitikerin. In ihrem Kanton Graubünden ist die Regierungsrätin als Schafferin und für ihre Überzeugungskraft bekannt. Sie geniesst dort bei allen Parteien hohes Ansehen.

Unvorbereitet

Die Wahl zur Bundesrätin sei für sie unerwartet gekommen, gab die Frischgewählte zu Protokoll.

Als FDK-Präsidentin sei sie häufig in Bern gewesen, da habe sie hin und wieder gehört, dass eine Sprengkandidatur aufgebaut werden sollte.

Ihr Name sei dabei aber nie gefallen. Konkret das erste Mal habe sie am Dienstagabend per SMS gehört, dass sie unter anderen auch als Kandidatin im Gespräch sei.

“Ich habe mir das als politisches Spiel vorgestellt, wie es ab und zu in der Politik abläuft.” Gegenüber Parteipräsident Ueli Maurer habe sie dies am Telefon auch als “Übung” bezeichnet. “Aber ich habe nie ernsthaft damit gerechnet, dass es zu diesem Resultat kommen könnte.”

Daher sei sie zum Zeitpunkt der Wahl am Mittwochmorgen im Zug unterwegs gewesen. In Wädenswil am Zürichsee habe sie von ihrer Wahl erfahren. “Ich weiss jetzt genau, wie Wädenswil aussieht”, sagte sie lachend. “Ich habe es intensiv begutachtet.”

swissinfo, Christian Raaflaub

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FDK

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) ist der Zusammenschluss der 26 kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren. Die Konferenz koordiniert die Anliegen der Kantone in Finanzfragen und tritt so als Ansprechpartner gegenüber dem Bund auf.

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Eveline Widmer-Schlumpf, 51, ist die Tochter des ehemaligen Bundesrats Leon Schlumpf.

Die Juristin ist seit 1998 für die Schweizerische Volkspartei in der Regierung des Kantons Graubünden, wo sie die Finanzdirektion leitete.

Schweizweit bekannt ist Widmer-Schlumpf als Präsidentin der Finanzdirektoren-Konferenz (FDK).

Die dreifache Mutter und Berufspolitikerin lebt in Felsenberg bei Chur, Kanton Graubünden.

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