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Neue Gefahren für Grenzwächter

Grenzkontrolle am Posten Anières, zwischen Genf und Frankreich. swissinfo.ch

Die Schweizer Landesgrenzen zu überwachen ist ein Job, der immer gefährlicher wird. Grenzwächter werden öfter mit Drohungen und physischer Gewalt konfrontiert.

Die Schweiz hat rund 1900 Kilometer Grenze, die überwacht werden müssen. Nur ein Drittel der 105 Grenzposten sind 24 Stunden pro Tag besetzt.

Der Mangel an Grenzwächtern ist auf die Krise bei der Rekrutierung zurückzuführen. Neue Grenzbeamte verdienen pro Monat zwischen 3000 und 4000 Franken netto; das sind rund 1500 Franken weniger als Kantonspolizisten nach Hause bringen.

Dabei wird die Arbeitsbelastung ständig grösser. Mit der Zunahme des organisierten Verbrechens wuchs auch der Schmuggel harter Drogen und der Menschenhandel. Die Grenzwächter – und manchmal gar deren Familien – sind zunehmend gefährdet.

Fatale Angriffe

Vor drei Jahren wurde bei Genf ein Grenzwächter, der einen Autofahrer an einem Grenzposten anhalten wollte, von diesem überfahren und tödlich verletzt.

Eine einfache Grenzkontrolle hatte letztes Jahr im Kanton Tessin fatale Auswirkungen. Ein Deutsch-Rumäne schwor, sich an einem Grenzwächter zu rächen, nachdem er bei einem Handgemenge mit diesem sein Nasenbein gebrochen hatte. Als der Grenzwächter einmal nicht zu Hause war, wurde seine mit Zwillingen schwangere Frau brutal ermordet.

Im vergangenen Jahr wurden im ganzen Land 48 Attacken auf Grenzwächter registriert. Daher wurde im laufenden Jahr die Zahl der Festungswächter verdoppelt, welche die Grenzbeamten schützen sollen.

Am Grenzübergang von Anières, zwischen Genf und Frankreich, überprüft Harvey Findeisen jeden Tag Dutzende Autos.

Täglich passieren zwischen 5000 und 10’000 Fahrzeuge den Grenzposten, der damit zu den meistpassierten Grenzposten der Schweiz gehört. Grenzwächter Findeisen muss auf alles vorbereitet sein.

High Tech-Überprüfungen

Der Grenzbeamte verfügt heute über mehr und mehr technische Hilfsmittel, um seine Arbeit effizient und rasch erledigen zu können. In den Zollhäuschen wartet eine ganze Batterie von Computern, mit denen sich Pass-Nummern und andere Identitäts-Merkmale checken lassen. Zudem können nationale und internationale Haftbefehle, Fahrzeug-Registrierungen überprüft werden.

“Wenn Bin Laden diese Grenze passieren würde, hätten wir alle Details über ihn von Interpol”, erzählt der Grenzwächter.

Findeisen hat kürzlich zwei mutmassliche Passfälscher festgenommen. Solche Verdächtige hält er in einer kleinen Gefängniszelle im Zollhaus fest, bis die Polizei eintrifft.

Oft kontrolliert Findeisen Asylsuchende. Haben diese keine Identitätsausweise auf sich, werden ihnen Fingerabdrücke abgenommen. Digitale Kopien werden nach Bern gesandt, um zu kontrollieren, ob die betreffende Person nicht schon einmal in der Schweiz um Asyl gebeten hat.

Wer schon in Frankreich ein Asylgesuch gestellt hat, wird im Prinzip dorthin zurückgeschickt.

Schmuggel

Findeisen hält auch immer die Augen offen nach illegalen Waffen. Messer mit über 5cm langen Klingen, Elektroschockgeräte und Fussfesseln sind verboten. Tauchen sie auf, so werden sie konfisziert und die Besitzer können gebüsst werden.

Findeisen verkauft aber auch Autobahnvignetten und erhebt Zollabagaben auf mitgeführten Waren.

Denn viele Schweizerinnen und Schweizer kaufen in Frankreich ein, weil dort zahlreiche Dinge, vor allem Lebensmittel, günstiger sind. Reisen sie mit mehr als 500g Fleisch oder drei Litern alkoholischer Getränke pro Person in die Schweiz ein, müssen die zuviel mitgeführten Waren verzollt werden.

Auf die Frage ob es hart sei, Betrüger zu erkennen, sagt Findeisen: “Mit zunehmender Erfahrung spürt man Betrüger heraus. Man kann sie an ihrem Gesichtsausdruck erkennen. Manchmal schauen sie einem auch nicht in die Augen.”

Findeisen mag seine Arbeit, weil sie so viele Überraschungen bietet. “Wenn man ein Auto anhält, weiss man nie, wer drin sitzt. Es kann aussehen wie eine Familie. Aber der Fahrer – die Rolle des Ehemannes spielend – könnte ein Krimineller sein und die anderen noch nicht einmal mit ihm verwandt. Deshalb muss man immer wachsam und auf alles vorbereitet sein.”

Stichproben

Findeisen unterbricht das Gespräch, um einen französischen Lieferwagen zu kontrollieren, in dem drei Arbeiter in die Schweiz einreisen wollen. Eine peinlich genaue Suche nach Drogen, Waffen und anderen illegalen Importen beginnt.

Autositze werden herausgenommen, der Kofferraum wird vollständig geleert, der Fahrer und seine Passagiere müssen ihre Taschen umdrehen und ihre Mobiltelefone aushändigen.

Ein rascher Check mit dem Computer zeigt, dass diese nicht gestohlen sind und die Besucher aus Frankreich verlassen den Grenzposten mit einem freundlichen Winken.

Findeisen lächelt, als seine Schicht zu Ende geht. Wieder einmal hat er es geschafft, ohne beleidigt oder tätlich angegriffen worden zu sein. Fragt sich, wie lange sein Glück anhält.

swissinfo, Julie Hunt an der schweizerisch-französischen Grenze
(Aus dem Englischen übertragen von Etienne Strebel)

In der ersten Hälfte des Jahres 2003 wurden 7 Grenzwächter angegriffen.
Gegen 17’000 Menschen wurden festgenommen.
Gründe: Nichtbezahlen von Bussen bis zum mutmasslichen Mord.
Grenzwächter haben mehr als 4000 illegale Immigranten zurückgeschickt, ein Viertel mehr als in der selben Periode 2002.
Es wurde auch mehr als die doppelte Menge Kokain sichergestellt, total 46 Kilo.
6720 weitere Schmuggelfälle, eine Steigerung von 5,5%.

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