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Oscar Camenzind als grosser Classique-Sieger

Für Oscar Camenzind (im pink-blauen Tricot) lohnte sich der Einsatz. Keystone

In Belgien hat Oscar Camenzind sein Palmares mit einem weiteren grossen Sieg angereichert. Der 29-jährige Schweizer gewann mit Lüttich-Bastogne-Lüttich die schwerste und älteste Radclassique im Sprint einer fünfköpfigen Spitzengruppe nach 258 km vor dem Italiener Davide Rebellin und dem Spanier David Etxebarria.

Camenzind war im Finale zusammen mit dem Weltranglisten-Ersten Francesco Casagrande (It) der stärkste Fahrer. Er nahm den Kampf um den Sieg auf der ansteigenden Zielgeraden aus der zweiten Position hinter Casagrande in Angriff, breschte 150 m vor dem Ziel aus dem Windschatten des Italieners an die Spitze und widerstand auch Rebellin und Etxebarria. Diese beiden hatten schon letztes Jahr auf dem Podium von Lüttich – Bastogne – Lüttich gestanden: Damals war Etxebarria — hinter Paolo Bettini (It) — Zweiter und Rebellin Dritter.

«Im Finale habe ich alles richtig gemacht», sagte Camenzind hinterher. «Ich habe mich ganz auf meinen Instinkt verlassen, und der hat mich zum Glück nicht im Stich gelassen. In einer solchen Entscheidung und mit diesen Gegnern ist es schwierig zu taktieren. Rebellin und Etxebarria waren für mich die stärksten Sprinter. Doch entscheidend waren hier die Kraftreserven.»

Die Vorentscheidung fiel erst in der zweitletzten der insgesamt zehn heftigen Steigungen. Rund 82 Fahrer konnten sich gut 10 km vor dem Ziel im Prinzip noch Chancen auf den Sieg ausrechnen, ehe zunächst Etxebarria und hernach Casagrande an der Côte de Saint- Nicolas die finale Zäsur bewirkten.

Mit Camenzind, Casagrande, Boogerd, Rebellin und Extebarria hoben sich schliesslich doch noch fünf der meistgenannten Sieganwärter vom Rest ab. Für Camenzind war dies der schwierigste Moment im Rennen: «Als das Team von Casagrande im vollen Tempo in die Steigung hineinfuhr, da musste ich wirklich auf die Zähne beissen.» In der Schlusssteigung konterte Casagrande eine Attacke von Camenzind, dann holte der Schweizer den Italiener zurück. Einen entscheidenden Vorsprung vermochte sich jedoch keiner der Spitzenfahrer zu verschaffen, so dass es im Kampf um den Sieg zum Sprint kam.

Nach dem WM-Titel und dem Gewinn der Lombardei-Rundfahrt 1998 sowie dem Gesamtsieg in der Tour de Suisse im vorigen Sommer verbuchte Camenzind den schon vierten Grosserfolg seiner Karriere. Zugleich gewann der Schwyzer als bereits fünfter Schweizer die prestigeträchtige Classique im Südosten Belgiens (nach 1951 und 1952 Ferdi Kübler, 1981 Sepp Fuchs, 1995 Mauro Gianetti, 1996 Pascal Richard). Bloss die Belgier (61 Siege) und die Franzosen (9) waren im seit 1892 ausgetragenen Rennen noch erfolgreicher.

«Ich habe immer davon geträumt, in Lüttich zu gewinnen», sagte Camenzind. «Ich habe mich schon während des ganzen Frühlings gut in Form gefühlt, und weil ich immer seriös trainierte, war ich mir sicher, dass die Resultate schon kommen würden.» Camenzinds letzter Erfolg in einem Massenstartrennen lag schon einige Zeit zurück; vor knapp zwei Jahren hatte er an der Tour de Suisse die Etappe in Nauders (Ö) für sich entschieden.

Camenzind hatte das Rennen in Lüttich im Vorfeld als sein erstes grosses Saisonziel bezeichnet. Das Anforderungsprofil mit der grossen Distanz und den rund 4800 Höhenmetern — etwa gleichviel wie in einer schweren Bergetappe der Tour de France — sind auf seine Fähigkeiten zugeschnitten. Der Trend zu kürzeren Distanzen sind nicht nach Camenzinds Gusto; er wird jeweils stärker, je länger und schwerer die Rennen werden. «Für mich ist es besser, wenn eine Strecke länger als 200 km ist. In den kürzeren Rennen ist vor allem Spritzigkeit gefragt.»

Mit den Plätzen 9 und 10 rundeten die Brüder Markus und Beat Zberg, die mit 25 Sekunden Rückstand in der ersten Verfolgergruppe im Ziel eintrafen, die hervorragende Schweizer Bilanz ab. Für die vom Erfolg verwöhnte Mapei-Equipe setzte es hingegen erneut eine arge Niederlage ab: Vorjahressieger Bettini wurde 15., der zweifache Gewinner Michele Bartoli (It) bloss 28.

Von einem zufriedenstellen Rennen sprach hinterher trotz Platz 64 Alex Zülle. Die Klassierung sei natürlich nicht brillant, aber er sei erst 5 km vor dem Ziel aus der Entscheidung gefallen, sagte der Ostschweizer. Zülle war am Vortag des Rennens in Kloten Opfer eines Flugstaus geworden und mit mehrstündiger Verspätung in Belgien eingetroffen. «Dies soll aber keine Ausrede sein, andere Fahrer waren einfach stärker als ich.»

swissinfo und Agentur

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