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Parlamentskommission kritisiert Regierung scharf

Bereitet der Schweizer Politik seit einiger Zeit Sorgen: die UBS. Keystone

In der Finanzmarktkrise und der UBS-Steueraffäre in den USA hat die Regierung ihre Führungs-Verantwortung nicht wahrgenommen. Im Untersuchungsbericht der Geschäftsprüfungs-Kommissionen kommt Finanzminister Hans-Rudolf Merz sehr schlecht weg.

Merz sei zwar stets gut über die neusten Entwicklungen im UBS-Dossier informiert gewesen. Allerdings habe er andere Handlungsoptionen als die Herausgabe von Bankkundendaten ausserhalb des Amtshilfeverfahrens erst geprüft, als es faktisch keinen Spielraum mehr für Alternativen gegeben habe, heisst es im 370 Seiten starken GPK-Untersuchungsbericht.

Merz habe den Gesamtbundesrat (das heisst die anderen Regierungsmitglieder) zu spät einbezogen. Damit habe es der Finanzminister dem Bundesrat verunmöglicht, die potenziellen Handlungsoptionen zu nutzen. Die Alleingänge des Finanzministers bezeichnen die GPK als “verhängnisvollen Fehler”.

Kritik auch am Gesamtbundesrat

Doch auch die anderen Bundesräte kommen nicht gut weg. Sie hätten Finanzminister Hans-Rudolf Merz zu mehr Teamarbeit zwingen müssen. In der Pflicht hätten insbesondere Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey gestanden, die das Dossier zusammen mit Merz im Wirtschaftsausschuss des Bundesrats betreuten.

Dem Bundesrat scheine es in dieser Krise “an den elementarsten Mitteln zur Teamarbeit” gefehlt zu haben, heisst es weiter. Der Bundesrat habe offenbar nicht in einem Klima des Vertrauens und der Vertraulichkeit arbeiten können, zeigen sich die GPK “schockiert”.

Der Vorsteher des Finanzdepartements begründete seine zurückhaltende Informationspolitik gegenüber dem Gesamtbundesrat mit der Furcht vor Indiskretionen in einem börsenrelevanten Umfeld.

Aus diesem Grund verzichtete der Bundesrat zwischen dem 26. September 2008 und Ende 2008 auch darauf, die Gespräche und Entscheide zum Fall UBS zu protokollieren. Das Argument der möglichen Indiskretionen sei nicht stichhaltig, finden die GPK.

GPK fordern Abhilfe

Die parlamentarischen Aufsichtsorgane fordern nun Schritte, um künftig solche Krisen zu verhindern. In fünf Motionen, zwei Postulaten und 19 Empfehlungen fordern sie Abhilfe.

So soll der Bundesrat im Gesetz verpflichtet werden, künftig alle Beratungen und Beschlüsse schriftlich festzuhalten. Die Protokolle des Bundesrates müssten als Führungsinstrument dienen können.

Überhaupt soll er im Rahmen der laufenden Regierungsreform konkrete Massnahmen vorschlagen, damit er bei wichtigen Geschäften eine effektive Führung wahrnehmen kann.

swissinfo.ch und Agenturen

Ungeachtet der Probleme in der Schweiz bei der Umsetzung des Vertrages, 4450 UBS-Kontendaten über ein Amtshilfeverfahren an die USA auszuhändigen, geht die US-Justiz rabiat gegen Steuersäumige vor.

Die US-Steuerbehörde IRS erklärte Anfang April, man zähle darauf, dass die Schweiz das Abkommen einhalte. Andernfalls stehe den US-Behörden weiter der Rechtsweg offen.

Insgesamt umfasst die Zusammenstellung der IRS 17 juristische Schritte und reicht zurück bis Dezember 2007, als sich der russisch-amerikanische Milliardär Igor Olenicoff als erster schuldig bekannte, über UBS-Konten Gelder am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Olenicoff bezahlte saftige Bussgelder und verklagte dann seinerseits die Bank.

Auf die Spur Olenicoffs kam die IRS durch den ehemaligen UBS-Banker Bradley Birkenfeld, der den Steuerbehörden die unlauteren Geschäfte der Bank offenlegte, seine Rolle dabei aber vertuschte und deshalb nun eine 40-monatige Haftstrafe absitzt. Er hat bei US-Präsident Barack Obama ein Gnadengesuch eingereicht.

Im Juni 2008 reichte das Justizdepartement vor Gericht in Florida den sogenannten John Doe Summons ein – die Forderung, von der Bank Auskunft über bis zu 52’000 UBS-Konten zu erhalten.

Im November 2008 wurde der UBS-Spitzenmanager Raoul Weil angezeigt. Er soll sich mit anderen Managern und wohlhabenden Kunden zum Betrug an den USA verschworen haben. Weil gilt seither als Flüchtling vor der US-Justiz.

Im August 2009 unterzeichnete der Bundesrat das Abkommen (Staatsvertrag) mit den USA, das den Streit beilegen sollte. Statt Einsicht in alle 52’000 fraglichen UBS-Konten zu gewähren, sollte die Schweiz den Amerikanern 4450 Daten der Hauptverdächtigen US-Steuerpflichtigen mit UBS-Konten überreichen.

Den Anzeigen gegen Amerikaner mit UBS-Konten, die sich dem Fiskus entziehen, hat das Abkommen indes keinen Abbruch getan: In regelmässigen Abständen bringen die Behörden weiter Klagen gegen Steuersteuersünder vor.

Im Januar 2010 erklärte das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht die Herausgabe von Kontendaten amerikanischer UBS-Kunden an die USA für illegal. Über die Gültigkeit des umstrittenen Staatsvertrages stimmt das Schweizer Parlament in dieser Sommersession ab.

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