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Text angenommen, Ambitionen vernachlässigt

Swissinfo Redaktion

COP24 in Katowice ist zu Ende. Vertreterinnen und Vertreter von 190 Staaten akzeptierten am jüngsten UNO-Klimagipfel die Regeln für die Umsetzung des Pariser Abkommens, das die globale Erwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius begrenzt. Aber um zu diesem Ergebnis zu kommen, bedurfte es vieler Verhandlungen und Geduld, wie die Delegierten von "Swiss Youth for Climate" feststellten. Zudem kritisieren sie die starke Präsenz der fossilen Industrie.

Es ist Freitag in der zweiten Woche von COP24, und seit Stunden läuft nichts mehr. Wir warten in einem Saal fernab der Menschenmenge. Die Verhandlungsführer haben endlich eine kurze Pause und nutzen sie, auf einem Sofa oder am Boden zu schlafen und sich von der kurzen Nacht und dem langen Tag zu erholen.

Auf einmal werden die neuen Texte veröffentlicht. Die Verhandlungsführer erwachen. Ein Murmeln geht durch die Gänge des Konferenzzentrums. Man ruft seine Hauptstadt an. Wie gross ist der Verhandlungsspielraum? In welchen Punkten kann man einlenken? In welchen soll man kämpfen?

Wir beobachten die Delegationen, wie sie wieder in die Verhandlungsräume gehen. Als Beobachterinnen und Beobachter aus der Zivilgesellschaft haben wir leider keinen Zutritt. Die Spannung aber ist greifbar. Es ist 23 Uhr, und die Verhandlungen gehen weiter, die Nacht wird lang…

Nicht einfach, sich zurechtzufinden

Swiss Youth For ClimateExterner Link ist eine neutrale Nichtregierungs-Organisation. Gegründet wurde sie 2015. Ihr Hauptziel ist es, der Jugend einen Platz in der politischen Debatte zum Klimawandel zu geben.

An COP24 nehmen rund 20’000 Personen teil: Delegierte, Minister, Journalistinnen und Journalisten, Beobachtende aus der Zivilgesellschaft, Junge, weniger Junge, einige in traditioneller Kleidung, andere recht formell gekleidet.

Zahlreiche Veranstaltungen finden gleichzeitig statt: Verhandlungen in der Plenarversammlung, in Ländergruppen, bilateral; Konferenzen zu einer Vielzahl von Themen, die von gesellschaftlichen Veränderungen über Lebensmittelverschwendung, kulturelle Aktivitäten in Länderpavillons bis zu Treffen zwischen Mitgliedern der Zivilgesellschaft oder zwischen Jugendlichen reichen. Gewisse dieser Veranstaltungen sind für alle Teilnehmenden offen, andere nicht oder nur eingeschränkt. Es ist nicht immer einfach, sich zurechtzufinden!

Die Klimakonferenz ist eine einmalige Möglichkeit, extrem viel über den Ablauf und den Inhalt der internationalen Klimaverhandlungen wie auch zum Klimawandel generell zu lernen. Es ist auch ein aussergewöhnlicher Treffpunkt, wo Kulturen und unterschiedlichste Weltbilder als kollaborative Kräfte agieren, um die komplexen Probleme anzugehen, vor die uns der Klimawandel stellt.

Erleichterung

Es ist Samstagabend, etwas vor 23 Uhr. Der Präsident lässt seinen Hammer niedergehen, die endgültige Fassung der Texte ist verabschiedet. Nach zwei Tagen des Wartens und der Verhandlungen hinter verschlossenen Türen sind wir erleichtert. Ausser einigen Meinungsverschiedenheiten, die auf das nächste Jahr verschoben wurden, sieht das Handbuch zur Umsetzung des Pariser Abkommens relativ gut aus.

Dank der darin enthaltenen Regeln wird es möglich, die Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen der Länder, die in Kraft gesetzten Massnahmen zu deren Reduktion wie auch die zu gewährende oder erforderliche finanzielle Unterstützung zu verfolgen.

Bedauerlich hingegen ist, dass es keinen Hinweis auf die Menschenrechte und keine Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Überwachung der Umsetzung des Pariser Abkommens gibt. Enttäuschend ist auch, dass die Länder die Gelegenheit nicht ergriffen haben, ihre Ambitionen zur Verringerung der Emissionen zu verstärken und den am stärksten gefährdeten Ländern finanzielle Unterstützung zu gewähren.

Tatsächlich würden uns die bisherigen Reduktionsversprechen nämlich nur in eine Welt bei +3°C führen, solange sie eingehalten werden. Wir befinden uns also erneut in einer Situation des “Business as usual”, die weit entfernt ist von den grossen gesellschaftlichen Veränderungen, die nötig wären, um den Temperaturanstieg auf +1,5°C zu begrenzen.

Die Stunde der Lobbyisten

Denn an der Klimakonferenz tummeln sich auch zahlreiche Akteure der fossilen Brennstoff-Industrie, die begriffen haben, dass sie in einer klimaneutralen Welt keinen Platz mehr haben. So gehören zu den Hauptsponsoren der Konferenz mehrere Kohle-, Öl- oder Gasunternehmen (PGNiG, Lotos, PGG und JSW).

Einige Delegationen zögerten nicht, Veranstaltungen zur Förderung fossiler Brennstoffe durchzuführen, wie die Vereinigten Staaten, Polen oder die Europäische Union, die “GasNaturally” ihren Pavillon zur Verfügung stellte. Es gibt auch mindestens 150 Delegierte aus Ländern und Organisationen, die eine direkte Verbindung zu dieser Branche haben.

Noch erstaunlicher ist, dass mit 105 Personen (gleich viele wie die EU) die grösste Delegation jene der International Emissions Trading Associations ist, welche die Interessen von Shell, Chevron, Petro China und Total vertritt.

Viele Angriffspunkte für scharfe Lobbyisten, deren Einfluss in diesen Verhandlungen spürbar war. Wie wäre es also mit einer Politik gegen Interessenkonflikte?

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(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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