Gipfel über UNO-Millenniumsziele: Gemischte Bilanz
Versprechungen und Hoffnung, aber kaum konkrete Zusagen und keine neuen Verpflichtungen: Dies ist das Fazit aus Schweizer Sicht zur UNO-Konferenz über die Millenniumsziele, die am Mittwoch in New York zu Ende gegangen ist.
An der dreitägigen Konferenz zog die Staatengemeinschaft eine Zwischenbilanz zur Umsetzung der 2000 vereinbarten Ziele, mit denen unter anderem Armut und Hunger in der Welt bis 2015 halbiert werden sollen.
Noch bleibe sehr viel zu tun, man sei nicht auf Kurs, wurde in den letzten Tagen teilweise selbstkritisch eingeräumt.
Versprechungen halten
Im Abschlussdokument unter dem Titel «Wir halten unsere Versprechen!» bekräftigte die Staatengemeinschaft ihren Willen, die Ziele zu erreichen und zeigte sich überzeugt, dass dies mit «erneutem Engagement, effizienter Umsetzung und intensiverem Handeln» möglich sein wird. Konkrete Zusagen oder Verpflichtungen enthält das Dokument aber nicht.
UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon bezeichnete das Treffen als «wichtigste globale Entwicklungskonferenz», seitdem die UNO im Jahr 2000 die Millenniumsziele vereinbart hatte. Die internationale Gemeinschaft sei entschlossen, die Ziele einzuhalten, erklärte Ban in seinem Fazit.
Gemischte Schweizer Bilanz
Aus Sicht der Schweiz habe der Gipfel nicht viel Neues gebracht, obschon es einige ambitiöse Ankündigungen gegeben habe, erklärte der Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), Martin Dahinden, vor Medien in New York. Im Vergleich zu 2000 sei heute aber viel klarer, dass Entwicklung mehr sein müsse als Hilfe.
Obschon die Ziele noch lange nicht erreicht worden seien, sei es nicht Zeit für Pessimismus, sagte Dahinden. «Auch wenn viele Erwartungen nicht erfüllt wurden, gab es Fortschritte.»
Wichtig sei auch, dass die Millenniumsziele dank dem Gipfel wieder vermehrt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt seien, und dass das Treffen alle Akteure – Geber- und Empfängerstaaten – zu einer Einschätzung ihrer bisherigen Aktionen gezwungen habe: «Wo stehen wir, was haben wir beigetragen, was müssen wir noch tun.»
Kompromiss
Das Abschlussdokument sei ein Kompromiss, der erst nach monatelangen, zähen Verhandlungen zu Stande gekommen sei. Es gebe Schwachstellen, das Dokument zeuge nicht von einem wirklich starken, kollektiven Engagement, sagte der Deza-Chef. «Letzten Endes wichtig wird die Frage sein, wie es mit der Umsetzung voran geht.»
Die Schweiz war im Vorfeld des Gipfels aktiv an den Verhandlungen beteiligt und hat vier Bereiche eingebracht, die grundlegend seien, wolle man die Ziele erreichen.
Erstens müsse in Entwicklungsstrategien die Situation so genannt fragiler Staaten mehr berücksichtigt werden: Konflikte und bewaffnete Gewalt behinderten die Entwicklung.
Auch dem Respekt für die Menschenrechte müsse mehr Beachtung geschenkt werden. Ohne diesen Respekt könne es keine nachhaltige Entwicklung geben.
Ein weiteres Stichwort ist die gegenseitige Rechenschaft: Die Geberländer müssten ihre Versprechungen umsetzen, die Empfänger ihrerseits aber auch Rechenschaft ablegen darüber, wie die Hilfe verwendet werde.
Und viertens müsse auch die Privatwirtschaft eine wichtigere Rolle spielen. Hilfe allein sei nicht ausreichend. Damit ein Land sich entwickeln könne, brauche es Wirtschaftswachstum, wie dies auch US-Präsident Barack Obama in seiner Rede unterstrichen habe.
Frage des politischen Willens
Auf die Frage, wie optimistisch er sei, dass die Ziele bis 2015 doch noch erreicht werden könnten, sagte Dahinden: «Wir können substanzielle Fortschritte machen, die Umsetzung hängt aber vom politischen Willen jedes Landes ab.»
Er sei von vielen Erklärungen positiv überrascht gewesen. «Aber wir wissen auch, dass es manchmal bei Erklärungen bleibt, die Taten nicht folgen.»
Ein Bereich, in dem auch die Schweiz hinter dem Ziel herhinkt, ist der Prozentsatz des Bruttoinlandeinkommens, das für Entwicklung bereit gestellt werden sollte, nämlich 0,7%.
Dahinden verwies auf die letzte Woche im Parlament eingebrachte Gesetzesvorlage, die eine Erhöhung des Satzes von 0,45 auf 5% vorsieht. Er sei zuversichtlich, dass die Vorlage gutheissen werde.
Bei der Frage, wie zusätzliche Mittel für die Entwicklung beschafft werden könnten, hat vor allem Frankreich die Idee einer Steuer auf Finanztransaktionen erneut aufgeworfen. Die Schweiz sei nicht überzeugt, dass dies der richtige Weg sei, erklärte der Deza-Chef. Eine CO2-Abgabe sei nach Ansicht der Regierung sinnvoller.
Auch NGO-Bilanz gemischt
Auch für Alliance Sud, der Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke, fällt das Fazit des Gipfeltreffens eher nüchtern aus. Im Kampf gegen die Armut fehle es nach wie vor an politischem Willen, sagte Markus Brun von Fastenopfer gegenüber swissinfo.ch.
Brun, der als Vertreter der Alliance Sud in New York war, bedauerte, dass das Schlussdokument nichts Konkretes enthalte. Positiv sei, dass die Staaten gezwungen worden seien, Bilanz zu ziehen.
Begrüsst wird von den Hilfswerken auch die Diskussion um eine Steuer auf Finanztransaktionen. «Die Idee stösst bei immer mehr Staaten auf Unterstützung.» Brun bedauerte, dass die Schweiz bisher nicht dazu gehört.
Um die Ziele zu erreichen, müsse man unbedingt die Ursachen der Armut wie Mankos bei Demokratie und guter Regierungsführung stärker bekämpfen.
Sehr wichtig wäre auch der Kampf gegen Kapitalflucht und Steuerhinterziehung in Entwicklungsländern. Von der Schweiz wünschen sich die Hilfswerke ein aktiveres Vorgehen für neue Regelungen im internationalen Finanzsystem.
Die Millenniums-Entwicklungsziele, die bis ins Jahr 2015 erreicht werden sollen, wurden im Jahr 2000 von allen UNO-Staaten und von zahlreichen internationalen Organisationen vereinbart.
Die 8 Ziele sind:
Ziel 1: Beseitigung der extremen Armut und des Hungers
Ziel 2: Verwirklichung der allgemeinen Grundschulbildung
Ziel 3: Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und
Emanzipation der Frauen
Ziel 4: Senkung der Kindersterblichkeit
Ziel 5: Verbesserung der Gesundheit von Müttern
Ziel 6: Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen Krankheiten
Ziel 7: Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit
Ziel 8: Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft
Geleitet wurde das Treffen gemeinsam von Joseph Deiss, dem Präsidenten der 65. UNO-Generalversammlung, und seinem Vorgänger, dem Libyer Ali Treki.
Mit einem Milliardenprogramm will die UNO das Leben von Millionen Müttern und Kindern retten. Regierungen, Hilfsorganisationen und Private würden für «Every Women, Every Child» (Jede Frau, jedes Kind) 40 Mrd. Dollar zur Verfügung stellen, kündigte UNO-Chef Ban Ki-moon an. Damit sollen 16 Millionen Frauen und Kinder vor dem Tod durch Krankheiten, Geburtsfehler oder schlechter Versorgung gerettet werden.
Zu den grössten Spendern gehört ein einzelnes Ehepaar: Microsoft-Gründer Bill Gates und seine Frau Melinda wollen über ihre Stiftung der UNO in den nächsten fünf Jahren 1,5 Mrd. Dollar zur Verfügung stellen.
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