Bern schränkt Demonstrationsrecht ein
Als Hauptstadt der Schweiz und Sitz der Bundesbehörden ist Bern die ideale Stadt für Kundgebungen. Künftig können die Veranstalter nun aber zur Kasse gebeten werden, wenn eine Demonstration aus dem Ruder läuft. Eine Zusammenstellung der Resultate der wichtigsten kantonalen Abstimmungen.
Im Kanton Bern müssen sich Organisatoren von Demonstrationen künftig an den Kosten der polizeilichen Intervention beteiligen, wenn Gewalttaten gegen Personen oder Eigentum begangen wurden. Die maximalen Kosten betragen 10’000 Franken, in besonders schweren Fällen 30’000 Franken.
Die Organisatoren der Kundgebung sollen zur Zahlung verpflichtet werden können, wenn sie keine Genehmigung hatten oder wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Regeln verstossen haben.
Linke Parteien und Fahrende des Kantons Bern hatten das Referendum gegen ein totalrevidiertes Polizeigesetz ergriffen. Sie sahen unter anderem die Meinungsäusserungsfreiheit in Gefahr. Umstritten war auch ein Artikel zur Wegweisung von ausländischen Fahrenden. Mit 76,4% Ja-Stimmen wurde das Gesetz aber deutlich angenommen.
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Soll das Demonstrationsrecht eingeschränkt werden?
Keine schärferen Energievorgaben für Gebäude
Die Berner Stimmberechtigten entschieden am Wochenende auch über eine Verschärfung der Energievorgaben für Gebäude. Regierung und Parlament wollten erneuerbare Energien fördern und die Energieeffizienz steigern. Gas- und Ölheizungen sollten wenn immer möglich durch Heizungen ersetzt werden, die mit erneuerbarer Energien betrieben werden.
Mit einem Nein-Anteil von 50,6% sprach sich das Volk in einer Referendumsabstimmung knapp gegen das revidierte Energiegesetz aus. Die Vorlage galt als Härtetest für die Energiestrategie des Bundes. Ein ähnliches Gesetz hatte letztes Jahr bereits im Kanton Solothurn Schiffbruch erlitten. Im Kanton Luzern hatte das Volk eine Verschärfung der Energievorschriften akzeptiert.
Ja zur Trennung von Staat und Kirche…
Im Kanton Genf dürfen Staatsangestellte und Politiker künftig keine Zeichen der Religionszugehörigkeit wie zum Beispiel Kopftücher mehr tragen. 55% der Abstimmenden haben ein neues Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche angenommen.
Darin wird der Grundsatz der Neutralität des Staates in religiösen Fragen bekräftigt. Weiter verbietet das neue Gesetz, ausser in Ausnahmefällen, religiöse Kundgebungen im öffentlichen Raum. Und das neue Gesetz stellt die Kirchen in finanziellen Fragen besser.
Gegen die Gesetzesrevision hatten linke Parteien, Gewerkschaften feministische und muslimische Verbände das Referendum ergriffen. Die protestantische, die römisch-katholische sowie die christlich-katholische Kirche unterstützten das neue Gesetz.
Allerdings ist mit dem Ja an der Urne der Streit noch nicht beendet. Es sind mehrere Beschwerden am Genfer Verfassungsgericht hängig.
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Genf stimmt über umstrittenes Laizismus-Gesetz ab
…Nein zu obligatorischer Zahnversicherung
Keine Chance an der Urne hatte eine von der Partei der Arbeit (PdA) lancierte Initiative zur Einführung einer obligatorischen Zahnversicherung. Sie erlitt mit einem 55% Nein-Anteil Schiffbruch.
Es ist schweizweit die zweite kantonale Volksinitiative zur Schaffung einer obligatorischen Zahnversicherung, die an der Urne scheitert: Die erste, die auch die Gründung eines Netzwerks von regionalen Zahnkliniken vorsah, wurde im März letzten Jahres im Kanton Waadt von 57,5% der Stimmberechtigten abgelehnt.
Die Kosten für Zahnbehandlungen beliefen sich in der Schweiz gemäss jüngsten Statistiken vom Jahr 2016 auf 4,1 Milliarden Franken. Mehr als drei Viertel der Rechnungen gingen direkt an die Patienten.
Eine Folge davon ist ein wachsender «Zahnarzttourismus», um Geld zu sparen. In den Grenzregionen steigt die Zahl der «Zahnpflege-Grenzgänger»: Immer mehr Menschen gehen im benachbarten Frankreich, Italien oder Deutschland zum Zahnarzt.
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Genf als Prüfstand für Zahnversicherung
Einige Auslandtessiner verlieren lokales Stimmrecht
Mit 75,7% Ja-Stimmenanteil hat die Tessiner Stimmbevölkerung einem neuen Gesetz zugestimmt, das einige Ausland-Tessiner das Stimm- und Wahlrecht auf kantonaler und kommunaler Ebene kostet.
Neu wird nämlich nicht der so genannte Heimatort entscheidend sein für das Wahl- und Stimmrecht der Auslandtessiner, sondern der Ort des letzten Wohnsitzes. Tessiner, die vor der Auswanderung ins Ausland in einem anderen Schweizer Kanton gewohnt haben, werden folglich das Tessiner Stimm- und Wahlrecht verlieren. Gemäss Schätzungen der Tessiner Behörden sind etwa 3000 Auslandtessiner davon betroffen.
Nicht betroffen von der Änderung sind Auslandtessiner, die noch nie in der Schweiz gewohnt haben. Für Auslandschweizer, die als Letztes im Kanton Tessin gelebt haben, deren Heimatort aber in einem anderen Kanton liegt, ändert sich nichts: Auch wenn sie im Kanton Tessin geboren und aufgewachsen sind, haben sie nicht das Tessiner Wahl- und Stimmrecht, sondern dasjenige ihres Heimatortes.
Weiter müssen sich Auslandtessiner künftig bei der Schweizer Vertretung in ihrem Wohnsitzland anmelden, um ihre politischen Rechte ausüben zu können. Sie haben dafür Zeit bis Ende 2020. Das neue Gesetz schafft zudem eine Gesetzesbasis für E-Voting im Kanton Tessin.
Dem Wolf geht es – theoretisch – an den Kragen
Die Stimmberechtigten im Kanton Uri haben eine vom Bauernverband lancierte Volksinitiative «Zur Regulierung von Grossraubtieren» angenommen. Für die durch den Kanton streifenden Bären und Wölfe ändert sich damit vorerst aber praktisch nichts.
Denn mit dem Beschluss der Stimmberechtigten erhält der Kanton die Verfassungskompetenz, Vorschriften zum Schutz vor Grossraubtieren und zur Bestandesregulierung zu erlassen. In der Praxis ist damit aber keine Änderung zu erwarten, weil die Forderungen der Initiative weitgehend in der geltenden Gesetzgebung erfüllt sind und weil die Kantone keinen Spielraum für eine eigene Grossraubtierpolitik haben.
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