Mit Abdankung «Glaubwürdigkeit wiederherstellen»
Die Schweizer Presse ist sich einig. Sie ist voll des Lobes für den "Schöpfer des neuen Spanien". König Juan Carlos hat am 2. Juni 2014 den spanischen Thron an seinen Sohn, Prinz Felipe, übergeben. Ein nötiger Wendepunkt in einem Land in der Krise, in dem auch die Monarchie eine schwierige Zeit durchlebt.
«Fast alle Könige und Königinnen der Welt sind vollkommen überflüssig. Juan Carlos von Spanien jedoch stellte – wenigstens für einige Zeit – eine Ausnahme von dieser Regel dar», schreibt die Neue Zürcher Zeitung.
Der 76-jährige Monarch, der am Montag seinen Rücktritt bekanntgegeben hat, habe seinem Land wertvolle Dienste geleistet, die ihm niemand abstreite. «Ohne sein Wirken wäre Spaniens Übergang zur Demokratie wahrscheinlich schwieriger und blutiger verlaufen, und womöglich wäre er überhaupt gescheitert.»
Obwohl er von Diktator Franco für den Thron auserwählt worden sei, habe er zu «reformbereiten und auch reformwilligen Kräften aus dem Innern des Regimes» gehört, «zur Überraschung aller». «Er war fähig, mit den wichtigen Leuten Kontakt zu finden und zu halten und in schwierigen Situationen richtig zu entscheiden und entschlossen zu handeln.»
Nach dem Tod Francos 1975 «führte er Spanien geschickt in Richtung eines demokratischen Übergangs und in die Moderne», kommentiert die Westschweizer Le Temps.
Juan Carlos sei ein «mutiger König» gewesen, schreibt der Corriere del Ticino. Er erinnert an jenen 23. Februar 1981, als eine Gruppe Militärs unter Oberst Antonio Tejero einen Staatsstreich verübte. «Durch das entschiedene Einschreiten des Königs, der im Fernsehen in seiner Uniform als Oberbefehlshaber der spanischen Armee auftrat, konnte er ein Blutbad verhindern und Tejero von dessen Vorhaben abbringen.»
Für 24heures und die Tribune de Genève werde der König nach über 38 Jahren auf dem Thron mit seinem Entscheid vom Montag «einmal mehr die Geschichte seines Landes prägen». Diese Geste «beweist grosses politisches Gespür».
Es sei eine «Abdankung, um Glaubwürdigkeit wiederherzustellen», so der Corriere del Ticino. «Zu einem politisch schwierigen Moment für sein Land an die Krone gekommen, verlässt er den Thron in einem nicht weniger einfachen Moment, da viele Spanier mit den harten Konsequenzen der langanhaltenden Wirtschafts- und Beschäftigungskrise zu kämpfen haben.»
Der 1938 im Exil geborene Juan Carlos wurde in Rom von einer Schweizerin erzogen.
Ab 1942 lebte die Familie im Lausanner Seequartier Ouchy. Zur Schule ging der spätere König in Rolle.
Die Winterferien verbrachte er gemeinsam mit den belgischen Königskindern Joséphine, Baudouin und Albert in Gstaad.
Einige Monate ging er in einem privaten Kollegium in Freiburg zur Schule.
Und in Lausanne verlobte er sich 1961 mit der künftigen Königin, Prinzessin Sofía von Griechenland, die er 1962 heiratete.
(Quellen: Basler Zeitung, SDA)
Wackelndes Denkmal
«Die besten Zeiten des einst so volksnahen Monarchen, der einmal als ‹Bürgerkönig› galt, sind schon lange vorbei», schreiben Die Südostschweiz und St. Galler Tagblatt. «Nach 39 Jahren auf dem Thron wackelte sein Denkmal erheblich. Laut Umfragen wünschte sich die grosse Mehrheit der Spanier, dass sich der König endlich aufs Altenteil zurückzieht.»
In den letzten Jahren habe sich der König mit seinen Eskapaden immer öfter zum Gespött der Nation gemacht. Der Höhepunkt der Peinlichkeiten: «Eine teure Safari, bei der sich der König nicht nur die Hüfte brach, sondern zusätzlich mit seiner ‹amiga›, der 30 Jahre jüngeren Deutschen Corinna zu Sayn-Wittgenstein, erwischt wurde. Und das auf dem Höhepunkt der spanischen Wirtschaftskrise mit Millionen Arbeitslosen und Familien, die den Gürtel immer enger schnallen mussten.»
Bühne frei für Felipe
Die Basler Zeitung bietet unter dem Titel «‹Don› Juan Carlos I.» einen ausführlichen Überblick über Leben und Lieben des abgetretenen Königs, der unter anderem auch in der Schweiz zur Schule ging. Seine Abdankung sei zum letztmöglichen Zeitpunkt erfolgt. «Es wurde aber auch Zeit! Denn Spanien braucht nicht nur frisches Geld: Die iberische Halbinsel braucht auch einen neuen König.»
«Im Gegensatz zum Vater ist der künftige König weder Schürzen- noch Elefantenjäger», kommentiert der Blick. «Und während Juan Carlos nach seinen Eskapaden im Ansehen seines unter der Wirtschaftskrise leidenden Volkes sank, konnte sich Felipe als Stellvertreter des gesundheitlich angeschlagenen Vaters profilieren. Auf Auslandsreisen, bei Staatsakten und Militärparaden rückte er ins erste Glied.»
Dank seiner bescheidenen Art gelte der 46-jährige Nachfolger im Volk als Sympathieträger. Und wenn «der manchmal etwas spröde Felipe nun noch ein wenig vom Charme und Witz seines Vaters mitnimmt, ist der Thronwechsel wirklich schön für Spanien».
Auf dem neuen König laste nun aber eine grosse Bürde, glauben Tages-Anzeiger und Der Bund. «Felipe VI., wie der Sohn von Juan Carlos I. als König heissen wird, fällt die heikle Aufgabe zu, einem Volk vorzustehen, das den Glauben an die zentralstaatlichen Institutionen verloren hat: auch an die Monarchie.»
Die grösste Herausforderung stelle sich dem jungen König in Katalonien, wo eine starke Bewegung die Loslösung von Spanien fordert. «Eine Spaltung wäre dramatisch für Spanien. Der neue König muss da vermitteln, als Schiedsrichter und feinfühliger Moderator. Juan Carlos hatte die Kraft nicht mehr dafür. Führte der Vater das Land in die demokratische Moderne, so soll es der Sohn nun möglichst zusammenhalten.»
SRF-Tagesschau vom 2.6.2014: Juan Carlos – vom Helden zum Skandalkönig
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