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UNO: Diplomat aus Katar folgt auf Joseph Deiss

Nassir Abdulaziz Al-Nasser in der UNO-Generalversammlung.

Die Amtszeit des ehemaligen Schweizer Aussenministers Joseph Deiss als Präsident der UNO-Generalversammlung neigt sich dem Ende zu: Am Mittwoch wurde in New York sein Nachfolger gewählt, der derzeitige UNO-Botschafter Katars.

Die Wahl von Nassir Abdulaziz Al-Nasser in der Generalversammlung erfolgte wie üblich per Akklamation.

In einer geheimen Vorwahl der Regionalgruppe Asien, die in diesem Jahr den Präsidenten stellt, hatte der Mann aus Katar einen Kandidaten aus Nepal ausgestochen.

Der 59 Jahre alte Diplomat wird sein Amt als Präsident der 66. Generalversammlung der Vereinten Nationen Mitte September antreten.

Der derzeitige Präsident Deiss gratulierte Al-Nasser zu dessen Wahl. Botschafter Al-Nasser sei bei der UNO ein bekannter Mann, der seine Führungsqualitäten unter Beweis gestellt und dabei von seinen Kollegen Respekt und Anerkennung gewonnen habe, erklärte Deiss. Er verfüge über langjährige Praxis in der multilateralen Diplomatie.

Die am Vortag erfolgte Bestätigung von Generalsekretär Ban Ki-moon für eine zweite Amtsperiode sei zudem ein Zeichen der engen Zusammenarbeit zwischen dem Generalsekretariat und den Mitgliedstaaten für eine auf dem internationalen Parkett starke und glaubwürdige UNO.

«In der Tat sind viele wichtige Reformen im Gang», erklärte Deiss. Es werde in der Verantwortung des designierten GA-Präsidenten liegen, diese Arbeit weiterzuführen. Er sicherte Al-Nasser seine Unterstützung zu und erklärte, dass er sich mit seinem Kabinett für eine effiziente Amtsübergabe einsetzen werde. «Ich wünsche Ihnen alles Gute bei dieser leidenschaftlichen Aufgabe als Präsident der Generalversammlung.»

Handbuch zur Generalversammlung

Deiss überreichte seinem Nachfolger zudem ein Handbuch, in dem die wichtigsten Informationen über das Wirken, die Prozeduren und Praktiken der Generalversammlung zusammengetragen wurden. Erstellt wurde das Handbuch vom Büro von Deiss in Zusammenarbeit mit der Schweizer UNO-Mission.

Es soll als praktischer Ratgeber für all jene dienen, die mit der Generalversammlung zu tun haben, vom Präsidenten über die Missionen und weitere UNO-Stellen, die mit der Generalversammlung in Kontakt stehen.

«Das Ziel des Handbuchs ist es, das Wissen um die Funktionsweise der Generalversammlung leichter zugänglich zu machen und zu verstetigen», sagte Johann Aeschlimann, der Informationsbeauftragte der Schweizer Mission in New York, gegenüber swissinfo.ch.

Das von der Schweizer Mission veröffentlichte Handbuch erschien in einer Auflage von 2500 Exemplaren. Es wird in den nächsten Tagen an alle Ständigen Missionen bei der UNO und an die UNO-Stellen verteilt, die sich mit der Generalversammlung befassen.

Langjährige UNO-Erfahrung

Der neugewählte Präsident der Generalversammlung kann auf eine lange Karriere bei der UNO zurückblicken. 1972 begann seine Laufbahn im diplomatischen Dienste Katars, die ihn nach Libanon, Jordanien, Pakistan und in die Vereinten Arabischen Emirate führte.

Seit 1998 vertritt Al-Nasser sein Land als Botschafter am UNO-Hauptsitz in New York, darunter 2006 und 2007 auch als Mitglied im Sicherheitsrat.

Daneben präsidierte er unter anderem das vierte Komitee der Generalversammlung (Ausschuss für besondere politische Fragen und Entkolonisierung) und im Jahr 2004 die Gruppe G-77 und China (ein loser Zusammenschluss von Staaten, die überwiegend zu den weniger entwickelten Ländern gezählt werden) in New York.

Nach seiner Wahl dankte Al-Nasser Deiss und lobte den Schweizer für dessen beispielhafte Führung in dem wichtigen UNO-Amt. Deiss erhielt auch von weiteren Rednern, die im Namen der regionalen Gruppen der UNO das Wort ergriffen, Lob für seine Amtsführung.

Komplexe Agenda-Themen

Zum Programm der 66. Jahresversammlung gehören zahlreiche komplexe Themen, darunter die Reform des Sicherheitsrats sowie die Neuorganisation des UNO-Budgets.

Al-Nasser erklärte nach seiner Wahl, er wolle als Brücke zwischen den Industriestaaten, den weniger entwickelten und den am wenigsten entwickelten Ländern agieren.

Die Welt stehe vor enormen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen: Dazu zählten unter anderem bewaffnete Konflikte, Klimawandel, die Bewältigung der Finanzkrise, die Suche nach Antworten auf Naturkatastrophen, der Kampf gegen die Armut oder das Recht der Menschen auf Selbstbestimmung.

Er werde den Fokus darauf legen, «in bedeutenden globalen Herausforderungen, vor denen die Welt steht, einen Konsens aufzubauen».

Der Respekt für Diversität und Pluralismus, unabhängig von Religion, Rasse oder Volkszugehörigkeit, sei das Prinzip, auf dem die UNO gegründet worden sei. Er verspreche, seine Rolle als Präsident in einem Geist von konstruktiver Zusammenarbeit und gegenseitigem Respekt wahrzunehmen.

Die Generalversammlung ist das Plenum der Weltorganisation, in dem alle 192 Mitgliedsstaaten unabhängig von ihrer Grösse und Macht eine gleichberechtigte Stimme haben.

Das Präsidium der Generalversammlung wechselt jedes Jahr im Rotationsverfahren unter den fünf regionalen UNO-Gruppen. Dieses Jahr war die Gruppe der asiatischen Staaten an der Reihe.

Im Jahr zuvor war die Gruppe Westeuropa und andere Länder (WEOG) an der Reihe, was der Schweiz die Kandidatur von Joseph Deiss ermöglicht hatte.

In der Regel einigt sich die Regionalgruppe im Vorfeld auf eine Person und schlägt der Generalversammlung danach eine Einerkandidatur vor. Dieser Kandidat wird normalerweise nicht mehr angefochten und per Akklamation gewählt, was auch in diesem Jahr geschah.

Zu den Aufgaben des Präsidenten der Generalversammlung gehört die Gestaltung der Agenda, was in Zusammenarbeit mit einem Präsidial-Ausschuss erfolgt.

Der Präsident leitet die zweiwöchige Generaldebatte und die Sondersitzungen, die im Verlauf des Jahres angesetzt werden können. Ist der Präsident während einer Sitzung verhindert, überträgt er die Leitung einem seiner 21 Vizepräsidenten.

Zudem ist er in Zusammenarbeit mit den UNO-Staaten, dem UNO-Generalsekretär, den Vorsitzenden der sechs Unterausschüsse der Generalversammlung an der Erarbeitung von konsensfähigen Resolutionsentwürfen zu Themen beteiligt, die der Versammlung vorgelegt werden sollen.

Am Tag vor der Wahl von Katars UNO-Botschafter Nassir Abdulaziz Al-Nasser zum Präsidenten der 66. Generalversammlung der UNO hatte sich auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon einer Wahl stellen müssen.

Er wurde von der Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrats per Akklamation für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren als UNO-Chef bestätigt. Ban steht damit der Weltorganisation bis Ende 2016  vor.

Der 67 Jahre alte Südkoreaner trat sein Amt an der Spitze der UNO am 1. Januar 2007 als Nachfolger von Kofi Annan (Ghana) an. Seine Wahl für eine zweite Amtszeit galt als sicher, da es keinen Gegenkandidaten gab.

In der vergangenen Woche hatte sich der UNO-Sicherheitsrat für eine Wiederwahl Bans ausgesprochen und eine entsprechende Empfehlung in Form einer Resolution an die UNO-Generalversammlung übermittelt.

Nach den Satzungen der UNO-Charta ist die Vollversammlung mit ihren 192 Mitgliedstaaten das Organ, das endgültig den UNO-Generalsekretär bestimmt.

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