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UNO: Mediation soll mehr Gewicht erhalten

Ein Zivilschützer im Quartier Al Khawaildi Al Hamadi, das laut der libyschen Regierung von Nato-Truppen bombardiert wurde. Reuters

Die UNO-Generalversammlung hat zum ersten Mal eine Resolution zum Thema Mediation verabschiedet. Mediation zur Konfliktlösung gehört zu den Schwerpunkten der Schweizer Aussenpolitik. Die Schweiz war denn auch aktiv an den Verhandlungen beteiligt.

Die Schweizer UNO-Mission in New York ist sehr erfreut über den Schritt der Generalversammlung. «Vereinfacht ausgedrückt wird mit dieser Resolution ein zentrales Feld der Schweizer Aussenpolitik im UNO-Rahmen auf solidere institutionelle Füsse gestellt», sagt Thomas Gürber, Chargé d’affaires ad interim der Schweizer Mission, im Gespräch mit swissinfo.ch.

Der nur Stunden nach Verabschiedung der Resolution gewählte Präsident der nächsten Generalversammlung, der bisherige UNO-Botschafter Katars, Nassir Abdulaziz Al-Nasser, hat zudem die «Stärkung der Rolle der Mediation zur friedlichen Beilegung von Konflikten» zu einem Leitfaden seines Präsidialjahres erklärt. Zum Auftakt der neuen Session will er ein hochrangiges Treffen zu dem Thema ansetzen. Katar hat sich in den letzten Jahren vermehrt in der Vermittlung engagiert.

Positive Weichenstellung

Diese Entwicklung sei aus Schweizer Sicht sehr positiv. «Diese Weichenstellung ermöglicht uns, diesen wichtigen Pfeiler unsere Aussenpolitik sichtbar weiter zu intensivieren und zu professionalisieren», sagt Gürber.

Erarbeitet und eingebracht worden war diese von der «Gruppe der Freunde der Mediation» unter der Leitung Finnlands und der Türkei; neben vielen weiteren Staaten gehören auch die Schweiz und Katar dieser informellen Gruppe an.

Dank der Resolution werde das Thema Mediation in Zukunft als unabhängiger Punkt auf der Agenda der Generalversammlung behandelt. «Mit der Resolution wurde eine längerfristige Plattform geschaffen, wo wir uns nachhaltig für Verbesserungen im Bereich Mediation werden einsetzen können», sagt Gürber.

Bisher sei die Mediation eher nebenbei unter «Konfliktverhütung» behandelt worden. Mediation komme aber vor, während und nach Konflikten zum Einsatz. Es sei ein ganzer Zyklus – und die neue Plattform werde es nun ermöglichen, alle Phasen der Mediation als Ganzes anzugehen.

Bericht des Generalsekretärs

Die im Konsens verabschiedete Resolution zur «Stärkung der Rolle der Mediation zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten und der Verhinderung und Lösung von Konflikten» anerkennt die Mediation als diplomatisches Werkzeug von wachsender Bedeutung. Die UNO-Staaten werden aufgefordert, den Einsatz von Mediation und anderen Instrumenten zur friedlichen Verhinderung und Lösung von Konflikten zu optimieren, wie in Kapitel VI der UNO-Charta festgelegt.

Im Text wird auf die Notwendigkeit für mehr Kohärenz unter den Akteuren in dem Bereich hingewiesen. Die Staaten werden aufgefordert, gegebenenfalls nationale Mediationskapazitäten zu entwickeln, um Kohärenz und Reaktionsfähigkeiten sicherzustellen. Besonderes Gewicht soll darauf gelegt werden, Frauen in den Prozess einzubeziehen, auch in leitenden Funktionen.

Der UNO-Generalsekretär wird beauftragt, der Generalversammlung im kommenden Jahr einen Bericht zur Mediation zu unterbreiten. In Konsultation mit den Mitgliedstaaten soll er zudem Leitprinzipien für die Mediation erarbeiten.

Alte Tradition

Die Anerkennung der Bedeutung der Mediation und das Ziel, diesen Bereich im UNO-Rahmen institutionell zu stärken, sei für die Schweiz wichtig. «Als Teil der Guten Dienste hat die Mediation aus Sicht der Schweiz ja eine lange Tradition», so Gürber.

Seit 2005 hat die Schweiz ihren Dialog mit den UNO-Partnern in dem Bereich stets weiter vertieft, vor allem mit der Unterstützungs-Einheit für Mediation (Mediation Support Unit, MSU) im Departement Politische Angelegenheiten (Department of Political Affairs, DPA).

Die MSU wird von der Schweiz auch finanziell unterstützt (2010 mit rund 500’000 Franken). Die Schweiz gehört damit zu den wichtigen Geberländern.

«Bei der Zusammenarbeit mit der UNO nutzen wir auch Kapazitäten unserer nationalen Partner. Zu diesen gehören unter anderem die Stiftung Swisspeace und die ETH Zürich, zwei bedeutende Stützen mit viel Kenntnis der Materie.»

In den letzten Jahren organisierte die Schweiz zahlreiche Workshops und andere Bildungs-Aktivitäten in Zusammenarbeit mit der MSU. «Man darf sagen, dass wir aus Sicht der UNO in diesem Bereich zu den nationalen Partnern mit hohem Profil gelten», erklärt Gürber.

Schweizer Anliegen eingebracht

Es war nicht zuletzt auch aufgrund solcher Aktivitäten, dass die Schweiz im UNO-Rahmen Handlungsbedarf sah. Angefangen damit, dass die Mediation auch aus Sicht der Generalversammlung als wichtiger Teil der politischen Aktivitäten wahrgenommen werden sollte: Mit der Annahme der Resolution ist der erste Schritt getan.

Die wachsende Nachfrage nach Mediation hat auch eine Zunahme der Akteure zur Folge. Wenn es heute zu einem Konflikt komme, gebe es meist eine Reihe von Akteuren, die versuchten, als Vermittler ins Spiel zu kommen: «Dies wirft oft Fragen zu Kohärenz, Synergien oder zu Schnittstellen auf», sagt Gürber.

Der Schweiz war es auch daher ein Anliegen, das Thema bei der UNO intensiver zu diskutieren, unter anderem mit dem Ziel, die Qualität der Mediationsaktivitäten der UNO zu steigern, eine Art «Qualitätssicherung» einzuführen.

Die Hauptanliegen, mit denen die Schweiz in die Verhandlungen eingestiegen sei, seien eigentlich alle in die Resolution eingeflossen: Die Anerkennung, dass die Nachfrage nach Mediation steige, die Notwendigkeit, Koordination und Kooperation zu intensivieren, der Auftrag an den UNO-Generalsekretär, Leitprinzipien für die Mediation auszuarbeiten sowie der Einbezug von Frauen in dem Bereich.

«Dies darf als Erfolg gewertet werden, vor allem bei einem Thema, das politisch nicht unumstritten ist.» Mediationsarbeit wecke teilweise Ängste vor Eingriffen in die nationale Souveränität der Länder, um die es gehe. Es sei ein schwieriger Prozess gewesen, die Sprache zu finden, mit der solche Bedenken ausgeräumt werden konnten.

Ein aktuelles Beispiel für das Problem von Zuständigkeits- oder Koordinationsproblemen bei der Mediation ist der Libyen-Konflikt.

Es gibt einen vom UNO-Generalsekretär ernannten Sondergesandten. Dieser hat aber keinen Zugang zur Familie Ghaddafi. Er organisiert Mediationsplattformen mit Akteuren verschiedenster anderer Seiten. Mit geringer Aussicht auf Erfolg, denn ohne Kontakt zur Familie Ghaddafi kann kaum etwas passieren, das zu einer friedlichen Lösung führen könnte.

Daneben gibt es den Vorstoss der Afrikanischen Union, die den Präsidenten Südafrikas, Jacob Zuma, entsandte. Er wurde vom Regime in Tripolis mit rotem Teppich empfangen. Der Besuch führte zu keinem Resultat, hatte aber als Begleiterscheinung eine 48-Stunden-Suspension der NATO-Lutfangriffe nach sich gezogen.

Das war ein geschickter Schachzug Ghaddafis: Der einen Seite die kalte Schulter zeigen, mit der anderen sprechen. Es ist ein Beispiel dafür, wie Konfliktparteien Mediatoren instrumentalisieren können.

Von einer besseren Koordination unter den verschiedenen Akteuren in der Mediation erhoffen sich UNO-Diplomaten, unter anderem auch solchen Instrumentalisierungen besser einen Riegel schieben zu können.

Die Guten Dienste der Schweiz haben eine lange Tradition. Neben den Schutzmacht-Mandaten spielen sie heute eine wesentliche Rolle in der Friedenspolitik der Schweiz.

Die Schweiz ist international als Vermittlerin in Konflikten anerkannt. In der Rolle als unparteiliche Vermittlerin arbeitet sie als Fazilitatorin oder als Mediatorin.

Seit dem Jahr 2000 hat sich das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in 20 Friedensprozessen in 15 Ländern im Bereich Mediation und Vermittlung engagiert.

Gemäss der Definition des EDA unterstützt man mit der Fazilitation den Kontakt zwischen den Konfliktparteien, bringt sich aber inhaltlich nicht in die Verhandlungen ein.

Die Mediation hingegen umfasst auch die inhaltliche Unterstützung der Konfliktparteien bei der Suche nach Lösungen.

Nationale Alleingänge, vor allem von Kleinstaaten, haben bei den Guten Diensten je länger, desto weniger Aussicht auf Erfolg. Die Schweiz trägt diesem Umstand Rechnung, indem sie ihre Guten Dienste vermehrt im Rahmen von Partnerschaften einbringt, vor allem im Rahmen der UNO.

Als Vermittlerin arbeitet das EDA neben den Partnern in der UNO eng mit nicht-staatlichen Organisationen (NGO) und anderen Schweizer Stellen zusammen, darunter die Stiftung Swisspeace und die ETH Zürich.

(Quelle: EDA)

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