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PR-Agent für Deutschland und Advokat für die Schweiz

Frank Elbe, neuer deutscher Botschafter auf seinem Wunschposten Bern. Deutsche Botschaft

Er kennt und schätzt die Schweiz seit vielen Jahren: Frank Elbe, der neue deutsche Botschafter in der Schweiz. Wichtig ist ihm, dass zwischen der Schweiz und der EU kein Graben entsteht.

Im Konflikt um den Flughafen Zürich-Kloten sieht er keine Gefahr für die bilateralen Beziehungen.

swissinfo: Sie sind auf Ihren ausdrücklichen Wunsch als Botschafter nach Bern gekommen. Wieso ausgerechnet die Schweiz?

Frank Elbe: Das hängt mit meiner über lange Zeit gewachsenen Beziehung zur Schweiz zusammen. Ich war früher Botschafter in Indien, Japan und Polen. Dies ist mein letzter Posten. Ich dachte mir, dass es vielleicht auch ganz sinnvoll ist, mal in ein Land zu gehen, das einen nicht nur fordert, sondern einem auch sehr viel gibt.

Hier mag ich nicht nur die Berge und Landschaft, sondern auch die künstlerische Szene, das Theater, die Musik und die darstellende Kunst. Für mich war die Schweiz immer ein interessantes Land, das auch sehr viel für den Kopf bietet.

Das fing an mit meiner Entdeckung von Dürrenmatt als ich noch ein kleiner Junge war und ging weiter mit der Schweizer Malerei von Valloton über Amiet bis hin zu Giacometti.”

Ist dieser Posten eine Art Alters-Ruhesitz?

F.E.: Nein, da würde ich der Schweiz Unrecht tun. Auch meine Freunde und Kollegen würden da heftig protestieren, wenn das so wäre. Nein, ich wollte mir auf meinem letzten Posten auch mal etwas Gutes tun, in einem Land sein, das mich immer schon fasziniert hat.

Sie haben sich unlängst als PR-Agent bezeichnet. Was tun Sie für das Image Deutschland in der Schweiz?

F.E.: Deutschland erwartet natürlich, dass ich ein positives Bild von Deutschland projiziere. Ich möchte Deutschland und seine Menschen den Schweizern näher bringen. Am besten ist, wenn man diese Dinge mit Ehrlichkeit und Offenheit betreibt.”

Wie beurteilen Sie die deutsch-schweizerischen Beziehungen ?

F.E.: Sie sind so selbstverständlich gut, dass man manchmal den Eindruck hat, sie existierten gar nicht. Die Beziehungen haben einen sehr hohen Stellenwert in der Substanz: Die Schweiz steht für Deutschland an 9. Stelle, was den Handelsaustausch angeht. Damit ist die Schweiz für uns ein wichtigerer Handelspartner als z.B. Japan. Für die Schweiz ist Deutschland der wichtigste Handelspartner überhaupt, vor den USA.

Hinzu kommt die regionale Zusammenarbeit, die immer dichter wird und zu mehr Stabilität und Sicherheit in Europa beiträgt.

Zu erwähnen sind noch diese mannigfaltigen, traditionellen, historischen und kulturellen Verflechtungen. Wir haben sehr viel Ähnlichkeit – das führt uns auch zusammen.

Die Beziehungen sind zur Zeit vom Streit um den Zürcher Flughafen und die Fluglärmbelastung überschattet. Vergiftet dies die politischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern?

F.E.: Nein, das glaube ich nicht. Die Interessen der Zürcher Bevölkerung sind momentan ebenso betroffen wie jene der Bevölkerung im Süddeutschen Raum. Die kürzliche Einigung zwischen den beiden Verkehrsministern zeigt, dass die politischen Bemühungen eine Trübung der Beziehungen verhindern.

In den Schweizer Medien heisst es immer wieder, Deutschland habe alle Karten in der Hand und zwinge die Schweiz zu etwas, das sie nicht will.

F.E.: Das habe ich auch schon gehört. Aber nicht überall in der Schweiz. Und stimmt es wirklich? Sprechen die Fakten nicht eine andere Sprache? Wir haben kein Interesse, die Schweiz zu schikanieren. Wir behandeln die Schweiz mit Respekt und verstehen, dass die Interessen der Zürcher Bevölkerung betroffen sind. Sonst würden wir nicht verhandeln.

Für mich ist es wichtig, dass eine Lösung gefunden wird, welche die Interessen aller berücksichtigt. Dieser Konflikt sollte uns nicht von der exzellenten Qualität unserer Beziehungen auf allen anderen Gebieten abbringen.

Im September wird Bundeskanzler Schröder nach Bern kommen. Wird der Streit um den Fluglärm bei den Gesprächen mit dem Bundesrat ein wichtiges Traktandum sein?

F.E.: Dieses Thema kommt mit Sicherheit zur Sprache. Aber es wird beim Treffen kaum das Einzige sein.

Was steht sonst noch auf der Traktandenliste?

F.E:. Es gibt viele Themen, die zwei Regierungen, die so enge Beziehungen pflegen, zu bereden haben.

Lufthansa und Swiss – wird ein mögliches Zusammengehen der beiden Fluggesellschaften diskutiert werden?

F.E:. Dies zu diskutieren, ist nicht Sache der Regierungen. Lufthansa und Swiss sind zwei private Unternehmen. Es liegt nicht in der Verantwortung der Regierungen, in Verhandlungen einzugreifen, sollten diese zwischen den beiden Fluggesellschaften existieren.

Eines möchte ich dazu aufgrund meiner Erfahrungen als Botschafter in Polen aber sagen: Ich war Zeuge, als die Verbindung zwischen der polnischen Fluggesellschaft LOT und der Lufthansa zustande kam. Bei aller Bescheidenheit: Das war für beide Gesellschaften ein Segen. Die Lufthansa ist eine verlässliche und verantwortungsvolle Partnerin, wenn sie in einer Allianz oder Partnerschaft eine Rolle spielt.

Was wollen Sie der Schweiz in ihrer Zeit als Botschafter mitgeben?

F.E:. Europa verändert sich. Ab nächstem Jahr gehören der EU 25 Mitgliedstaaten an. Ich hoffe, dass die Schweiz mit diesen Veränderungen klarkommt.

Obschon wir den Willen der Bevölkerung gegen einen EU-Beitritt respektieren, müssen wir der Schweiz unsere Bereitschaft signalisieren, ihr bei der Angleichung an die Union beizustehen, damit zwischen der Schweiz und der EU kein Graben entsteht.

Gerne wäre ich eine Art Beistand, Advokat in allem, was mit den Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz zu tun hat– vorausgesetzt natürlich, dass die Schweiz das wünscht.

swissinfo-Interview: Jonathan Summerton und Gaby Ochsenbein

Frank Elbe ist seit dem 1. Juli Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Schweiz.
Er war massgeblich am Gelingen der Wiedervereinigung Deutschlands beteiligt.
Später war der promovierte Jurist Botschafter in Indien, Japan und Polen.
Der 62-jährige Elbe kennt die Schweiz seit vielen Jahren: In den 80-er Jahren war er ständiger Vertreter Deutschlands bei der Genfer Abrüstungs-Konferenz.
Seit Jahren verbringt er seine Ski- und Wanderferien im Bündnerland und im Wallis.
Frank Elbe wurde 1941 in Iserlohn, in Nordrhein-Westfalen, geboren.

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