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Presseschau vom 04.12.2003

Schwule und lesbische Paare sollen keine Kinder adoptieren dürfen, so will es der Nationalrat. Bei den Zeitungen herrscht darüber keine Einigkeit.

Zuvor hatte der Nationalrat der eingetragenen Partnerschaft für Homosexuelle das Ja-Wort erteilt.

Ein “klares Zeichen” habe die Grosse Parlamentskammer gesetzt, schreibt die AARGAUER ZEITUNG. Sie begrüsst einerseits das neue Partnerschafts-Gesetz für Homosexuelle, versteht andererseits aber auch das Adoptionsverbot:

“Die Grosse Kammer hat gut daran getan. (…) Zu umstritten ist dieses Anliegen. Ein Ja zur Adoption hätte das Gesetz für viele Menschen, die ihm heute zustimmen können, inakzeptabel gemacht.”

Widerspruch kommt unerwartet von der Vizepräsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes. In einem Interview mit der NEUEN LUZERNER ZEITUNG findet Caroline Meier-Machen klare Worte:

“Heute, wo es so viele allein erziehende Mütter und Väter sowie Patchwork-Familien gibt, geht die Forderung, ein Kind brauche Vater und Mutter, völlig an der Realität vorbei.”

Wenn man lesbische und schwule Partnerschaften wirklich als gleichwertig mit den heterosexuellen ansehe, könne man die Adoption doch nicht verbieten, meint Meier-Machen. “Sonst ist das Ja nur ein Lippenbekenntnis, und man signalisiert, dass da trotzdem etwas Unmoralisches passiert.”

Mit dem Adoptionsrecht hätte es die Vorlage in der Referendums-Abstimmung äusserst schwer, ist die BERNER ZEITUNG überzeugt:

“In einer direkten Demokratie kann die Politik das Volk auch nicht überholen. Die Schweiz hat sich in den letzten Jahren immer wieder aufgeschlossen gezeigt, aber sie ist nicht Holland oder Dänemark.”

Ein Referendum fürchte er nicht, sagt der schwule Basler SP-Nationalrat Claude Janiak in einem Interview mit dem Zürcher TAGES ANZEIGER. Er habe eher Angst vor der Art und Weise, wie diskutiert werde und wünsche sich eine “zivilisierte Debatte”:

“Ich will keinen Krieg um Bibelzitate oder einen Abstimmungskampf im Stil desjenigen zur ‘Fristenregelung’. Es ist wieder die gleiche Ecke, die in Erscheinung tritt. Deshalb befürchte ich, dass es ähnlich zu- und hergehen wird.”

Auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ist nicht ganz einverstanden mit dem Beschluss des Nationalrats:

“Insbesondere die verständliche Sorge um das Wohl des Kindes homosexueller Adoptiveltern ist bei genauerer Betrachtung nicht berechtigt, weil ohnehin vor jeder einzelnen Adoption abgeklärt werden muss, ob sie sich für das Kind vorteilhaft auswirkt.”

Der Nationalrat habe sich mit Argumenten gegen die Stiefkindadoption gewehrt, die nicht nur bei homosexuellen, sondern grundsätzlich auch bei heterosexuellen Paaren vorgebracht werden können, fügt die NZZ an.

swissinfo, Alina Kunz Popper

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