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Presseschau vom Donnerstag 22.08.2002

Der Berner "Mitternachts-Mörder" hat die Presse seit Wochen in Atem gehalten. Nach seiner Verhaftung vom Mittwoch zeichnen die Zeitungen ein noch unscharfes Bild der Mörders.

Zum Ausdruck gebracht wird auch die Erleichterung über den Polizei-Erfolg.

“Der Messerstecher sitzt in Haft”, schreibt die BERNER ZEITUNG. “Frauenmörder ist gefasst”, titelt der TAGES-ANZEIGER und die AARGAUER ZEITUNG druckt: “Waffenläufer gesteht Mord.”

Gemeint ist die Verhaftung des 27-jährigen Mischa Ebner, der laut Angaben der Polizei zwei Angriffe auf Frauen gestanden hat. Am 31. Juli griff er eine 23-jährige Frau in Bümpliz bei Bern an und verletzte sie lebensgefährlich, in derselben Nacht tötete er eine 20-Jährige in Niederwangen.

Mord in den Ferien

Der BLICK widmete diesem Fall schon mehrfach viel Platz und die Frontseite; auch am Tag nach der Verhaftung: “Endlich gefasst!” setzte das Massenblatt in fetten Lettern, um zusammenzufassen: “Der Mitternachts-Mörder sitzt endlich hinter Schloss und Riegel. Berns Frauen können aufatmen. Er heisst Mischa Ebner, ist einer der besten Waffenläufer der Schweiz – und tötete während den Ferien.” Und über Seite zwei und drei: “Er machte sich schon im Frühjahr an Frauen ran: das verriet ihn.”

Laut der Berner Polizei gingen in den letzten 20 Tagen über 700 Hinweise ein, nachdem ein Phantombild des Täters veröffentlicht worden war – darunter offenbar auch ein Tipp, der die Polizei auf die richtige Spur führte.

Lob für die Behörden

“Den beiden Polizeikorps von Stadt und Kanton Bern und den Untersuchungsbehörden gebührt für ihre Leistungen uneingeschränktes Lob”, schreibt die BERNER ZEITUNG.

Auch der BUND lobt: “Angesichts, dass Opfer und Täter in keinerlei Beziehung standen, ist das ein rascher Erfolg der Strafverfolgungsbehörden. Den Verantwortlichen war denn (…) die Erleichterung auch anzumerken – eine Erleichterung, die sie mit vielen Bernern und vor allem Bernerinnen teilen: Die Gewaltverbrechen (…) haben Angst ausgelöst – niemand wusste, ob der unbekannte Täter wieder zuschlagen würde. Diese Gefahr ist nun gebannt.”

Erleichterung allerseits

Auch die welsche Zeitung LE TEMPS verspürt nach der Verhaftung Mörders eine Erleichterung in der Berner Agglomeration: “L’Arrestation du ‘tueur du minuit’ met fin à la pyschose dans la banlieue de Berne.”

Doch die Erleichterung ist gepaart mit dem Schrecken über die Identität des Täters: “Kein ‘Monster’, sondern ein scheinbar durchschnittlicher Bürger”, meint der BUND, und der TAGES-ANZEIGER: “Der 27-Jährige ist kein untherapierter Sexualtäter, kein vorzeitig aus dem Strafvollzug entlassener Gewaltverbrecher, er ist nicht einmal vorbestraft. In seinem Fall standen weder DNA-Analyse noch Rückfallrisiko- oder Gefährlichkeitsbeurteilungen zur Verfügung.” Für einmal könne den Justizbehörden kein Vorwurf gemacht werden, resümiert der TAGI.

Der Mörder im Kampfanzug beim Sport

Und da sind noch die Bilder des Mörders: Der junge Mann, im gescheckten Kampfanzug mit Stirnband, mit Rucksack und Gewehr, an einem Waffenlauf.

Der Sportbund der AARGAUER ZEITUNG beschäftigt sich mit dieser Seite des Mörders, der zweimal den wichtigsten Schweizer Waffenlauf, den Frauenfelder, gewonnen hat: “Die Waffenläufer glauben es nicht: Mischa Ebners Geständnis (…) ist erschlagend. (…) Der Sieg am ‘Frauenfelder’ war ihm wichtiger als alles andere. Und die Kenner der Szene waren überrascht: Ebner, einer der jüngeren Waffenläufer von Format, Hoffnungsträger in der darbenden Sportart, die mit dem Nachwuchs Mühe hat, schlägt am Königslauf zu.”

Philippe Kropf

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