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Regeln für die Privatisierung

Private Firmen sichern die Wasserversorgung nur in urbanen Gebieten. swissinfo.ch

Swiss Re, DEZA und seco lancieren eine Initiative für nachhaltige Wasserversorgung mit Beteiligung des Privatsektors in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Transparente Rahmenbedingungen und klare Handlungsanleitungen sollen private und öffentliche Interessen unter einen Hut bringen.

Die Beteiligung der Privatwirtschaft an der Wasserversorgung nimmt trotz aller Kritik weltweit zu, denn der öffentlichen Hand fehlen vielerorts die Finanzen.

An der 3. Weltwasserkonferenz Ende März in Kyoto befürworteten die Minister Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor als wichtiges Instrument, um mehr Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern den Zugang zu Trinkwasser zu ermöglichen.

Doch wegen ihren häufig negativen Folgen stossen diese Public Private Partnerships (PPP) oder Public Sector Participation (PSP) in den Entwicklungsländern und bei Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) zunehmend auf Widerstand.

Wasser sei, weil lebensnotwendig, ein öffentliches Gut und keine handelbare Ware. Jede Form von Privatisierung wird deshalb von vielen NGOs abgelehnt. Die Diskussion um die Beteiligung des Privatsektors steckt mehr denn je in einer Sackgasse.

Boykottieren oder regulieren

Die Beteiligung der Privatwirtschaft in der Wasserversorgung ist eine Tatsache. In den letzten zehn Jahren flossen mehr als 39 Mrd. Franken von der Weltbank, aus der Entwicklungs-Finanzierung und vom Privatsektor in Wasserprojekte, in denen Privatunternehmungen beteiligt sind.

“Wenn der Trend weiter zunimmt, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man stellt sich dieser Entwicklung entgegen, oder man identifiziert zusammen mit allen Beteiligten die Schwachstellen und versucht, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen”, erklärt Thomas Streiff, Leiter Group Sustainability Management bei Swiss Re.

Der weltweit zweitgrösste Rückversicherer hat zusammen mit dem Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) bestehende PPP und PSP analysiert und erste Grundlagen für Handlungsempfehlungen erarbeitet, die bei der Planung und Umsetzung solcher partnerschaftlicher Projekte beachtet werden sollen.

Die Handlungsempfehlungen – in Form eines Kodex – sollen in einem internationalen Multistakeholder-Prozess erarbeitet werden. Ein solcher Prozess bezieht die verschiedenen betroffenen Gruppen in einem transparenten und aktiven Dialog mit ein.

“Wir wollten über das Allgemeine und Politische hinaus gelangen”, erklärt Katharina Kummer von EcoConsult, welche die DEZA in internationalen Wasserfragen berät.

“Bei den Themen Privatisierung und Wasser reduziert sich die Diskussion oft auf eine polemische Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern auf allgemeiner Ebene, ohne dass kritische Punkte wirklich ausdiskutiert werden. Mit der Erarbeitung eines Kodex möchten wir die konkreten Probleme bei der Gestaltung solcher Partnerschaften ansprechen und so die Diskussion weiterbringen.”

Gewinne zum Nutzen der Armen?

Die Privatisierung der Wasserversorgung ist vor allem auch im Interesse der Wasserindustrie. Der Verkauf der lebensnotwendigen Ressource ist von der Konjunktur unabhängig und eine langfristige Einnahmequelle.

Profit verspricht primär die urbane Wasserversorgung, nicht aber die aufwändige und kostspielige Versorgung ländlicher Gebiete und städtischer Slums. PPP/PSP-Projekte konzentrieren sich denn auch auf die urbanen Gebiete, denn ohne reale Gewinnaussichten fliesst kein privates Kapital in die Entwicklungsländer.

Das starke Engagement der Wasserindustrie der letzten Jahre zeitigte jedoch immer wieder negative Folgen: Die Preise stiegen, während sich die Qualität des Wassers bisweilen sogar verschlechterte. Die Menschen auf dem Land und die Millionen Armen in den urbanen Slums blieben weiterhin ohne Wasser.

Als kritischer Faktor für Erfolg oder Misserfolg erwies sich die Balance zwischen den Partnern: Gleichberechtigte Partnerschaften waren selten; den Regierungen fehlte häufig das notwendige Know-how, um bei den Konzessions-Verhandlungen von den multinationalen Konzernen nicht benachteiligt zu werden. In Lateinamerika mussten 70% der Verträge innerhalb der ersten drei Jahren neu ausgehandelt werden.

Vorbild Korruptionsbekämpfung und Staudamm-Kontroverse

Ziel der Schweizer Initiative ist es, die soziale, ökologische sowie ökonomische Nachhaltigkeit bei der Beteiligung des Privatsektors an der Wasserversorgung sicherzustellen. “Kontinuität ist wichtig, denn Wasser ist ein lebenswichtiges Produkt”, betont Streiff.

Laut dem Nachhaltigkeits-Experten von Swiss Re wäre der Service public der richtige Zustand. Da ein solcher in Schwellen- oder Drittweltländern oft nicht existiert, soll eine Grundlage geschaffen werden, um genau diese langfristige Garantie zu gewährleisten.

“Wir gehen auf zwei Ebenen vor: Zum einen allgemeine Empfehlungen auf globaler Ebene, zum anderen ein konkreter technischer Kodex, der in einem konkreten PPP/PSP-Projekt angewendet werden kann”, sagt Kummer.

Die Idee des Kodex orientiert sich am Konzept des “Integrity Pact”, der von Transparency International erfolgreich in der Korruptionsbekämpfung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen eingesetzt wird. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft und offener Informationszugang sind darin wichtige Pfeiler.

Der vorgeschlagene Prozess orientiert sich zudem an den Erfahrungen der World Commission on Dams (WDC). Diese erarbeitete einen Katalog der wichtigsten Prinzipien, die beim Bau von Staudämmen berücksichtigt werden müssen. “Die Idee ist, etwas Ähnliches zu machen, so dass die Konsumenten und die lokale Regierung nicht über den Tisch gezogen werden”, erklärt Streiff.

Die Chancen stehen gut, dass die gemeinsame Initiative von Swiss Re, DEZA und seco in einen ähnlichen Prozess münden wird. An der Weltwasserkonferenz in Kyoto wurden die ersten Ergebnisse den internationalen Experten präsentiert, um das Interesse an einem solchen Projekt zu testen. “Wir hatten zum Teil sehr positive und interessierte Reaktionen”, sagt Kummer.

Rechtlich nicht bindend

Die Resultate eines solchen Prozesses sind rechtlich nicht bindend. Einige NGOs wollen aber lieber harte Normen und setzen deshalb auf die Ausarbeitung einer völkerrechtlich verbindlichen Internationalen Wasserkonvention, welche unter anderem auch die Beteiligung des Privatsektors an der Wasserversorgung regeln würde.

Gegen eine Konvention sei an sich nichts einzuwenden, es sei aber nicht realistisch, dass in der nächsten Zeit eine Konvention zu Stande komme, begründet Kummer das pragmatische Vorgehen der Schweizer Initiative. “Wir konzentrieren uns deshalb auf Handlungsempfehlungen, welche die Akteure auf freiwilliger Basis übernehmen und anwenden können.”

swissinfo, Hansjörg Bolliger

Die unabhängige Weltstaudamm-Kommission (WCD) wurde 1997 gegründet.

Drei Jahre lang prüfte sie die Auswirkungen von Grossstaudämmen und entwickelte international annehmbare Richtlinien und Normen für den Betrieb von Staudämmen, und zwar von der Planung bis zur Stilllegung.

Der Schlussbericht hält fest, dass Probleme in einem fairen, öffentlichen und transparenten Dialog gelöst werden müssen. Die WDC gilt als Modellfall eines “Multi-Stakeholder”-Dialogs.

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