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Ritom: Stausee mit Stand-Seilbahn

Das Ritom-Kraftwerk: Steinmauern, die jedem Wetter trotzen. www.ritom.ch

Ausserhalb von Piotta am Südende des Gotthard-Bahntunnels steht ein grosser, grauer Steinbau, der sich optimal in die Landschaft einfügt.

Das Ritomkraftwerk ist für die SBB eines der wichtigsten Kraftwerke und nahm seinen Dienst auf, als die Gotthardlinie elektrifiziert wurde.

“Es ist ein sehr wichtiger technischer Teil der Gotthardlinie. Nach dem 1. Weltkrieg gab es keine Kohle. Die Schweiz musste zum Betrieb der Gotthardbahn auf einen ihrer Naturschätze zurückgreifen, auf Wasser”, erklärt Karl Holenstein von der SBB-Fachstelle für Denkmalplfege.

Das Wasser für das 1920 gebaute Ritomkraftwerk im Kanton Tessin kommt aus dem darüber liegenden Stausee. “Das Kraftwerk wurde aus dem vorhandenen Naturmaterial gebaut. Deshalb passt es wohl so gut in die Landschaft”, führt Holenstein gegenüber swissinfo aus.

“Dieser Stein widersteht dem schlimmsten Wetter, deshalb sieht er aus, als sei das Werk eben erst gebaut worden. Und es kann wohl noch weitere 200 Jahre problemlos so dastehen.”

Vier Rohre treiben die Turbinen

Die tragenden Mauern sind sehr dick. Dies aus gutem Grund, denn 1920 gab es relativ wenig Eisen zum Bauen. Deshalb wurde Stahlbeton verwendet. “Die dicken Mauern im Turbinenraum tragen den Kran und die Ketten. Das ist eine Besonderheit des Gebäudes”, erklärt Holenstein.

Das Wasser aus dem 800 Meter darüber liegenden Stausee fliesst durch zwei Röhren hinunter auf den Talboden. Die beiden Röhren werden nochmals zweigeteilt, und das Wasser aus jeder der vier Röhren treibt eine Turbine und einen Generator im Kraftwerk an.

“Wir haben vier Turbinen und vier Generatoren. Wenn alles normal läuft, produzieren diese das ganze Jahr rund um die Uhr elektrischen Strom”, erklärt Betriebsleiter Alfiero Martinoli, der Chef des 13-köpfigen Teams.

Klinisch sauber

“Wir führen hier die nötigen Inspektionen, Unterhaltsarbeiten und Überholungen aus.” Das Personal arbeitet in Schichten von Montag bis Freitags von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends. In der Nacht und am Wochenende ist kein Personal dort.

“Das Hauptkontrollzentrum in Zollikofen bei Bern führt die nötigen Kontrollen aus. Wenn ein Problem auftaucht, werden die Leute übers Handy angerufen”, so Martinoli.

Der Kontrollraum im Kraftwerk sticht ins Auge. Er ist geräumig, hell und ultramodern. Man könnte vom Boden essen, so sauber ist er.

Das Wasser wird doppelt verwendet



“Ich kümmere mich um das Kraftwerk, zwei Unterwerke, den Damm, und ich habe sehr viele Kontakte mit der lokalen Bevölkerung. In dieser Gegend kenne ich praktisch alle”, erzählt Martinoli.

Das ist keine Übertreibung. Als wir die steile, kurvenreiche Strasse vom Kraftwerk durch das Dorf Altanco zum Stausee hoch oben fahren, winkt der Betriebsleiter allen zu, und alle winken zurück. Der Ritomdamm ist, verglichen mit anderen Schweizer Staudämmen, nicht der spektakulärste, aber Martinoli ist im Sommer gerne hier oben.

Das Wasser, das aus dem See nach Piotta drängt, ist nicht gratis. Die SBB zahlen den Kantonen Uri und Graubünden eine Gebühr, weil das Wasser aus diesen beiden Kantonen kommt.

Nach der Stromproduktion im Ritomkraftwerk, fliesst das Wasser mit grosser Kraft weiter ins Tal hinunter, wo es ein zweites Mal der Stromgewinnung dient. Dafür muss Kanton Tessin den SBB für das Wasser eine Gebühr entrichten.

Steile Stand-Seilbahn

Die eigentliche Attraktion in diesem Teil der Welt ist die ebenfalls 1920 gebaute Stand-Seilbahn, die eine der weltweit steilsten Strecken hochfährt. Mit einer Steigung von 87,8% überwindet die Bahn über eine Länge von lediglich 1’370 Metern eine Höhendifferenz von knapp 800 Metern.

Die Bahn hat nur einen Wagen und kriecht mit unbeschreiblicher Kühnheit den Berg hinauf und hinunter. Sie transportiert 40’000 Personen pro Saison.

Obwohl die Bahn mittlerweile von einer Privatfirma betrieben wird, gehört sie den SBB, die auch den Strom vom nahe gelegenen Kraftwerk liefert.

“Im Winter ist die Stand-Seilbahn sehr wichtig. Es ist die einzige Möglichkeit, zum Staudamm zu gelangen, weil die Strasse geschlossen ist”, erklärt Martinoli. “Wir können zwar auch per Helikopter hinauf fliegen, aber nur bei gutem Wetter.”

swissinfo, Robert Brookes, Piotta
(Übertragung aus dem Englischen: Charlotte Egger)

Die Ritom-Staumauer hat den Wasserspiegel des natürlichen Bergsees von 1831,5 auf 1839 Meter über Meer angehoben.

Der See begrub das 1977 erstellte Hotel Piora unter sich.

Durchschnittlich liefert das Kraftwerk jährlich 155 Millionen Kilowattstunden Strom. 54 Mio. im Sommer und 101 Mio. im Winter.

Die Ritom-Stand-Seilbahn fährt auf einer der weltweit steilsten Strecken, mit einer Steigung von 87,8%. Sie führt in ein Wander-Paradies.

Die Schweizerischen Bundesbahnen, SBB, werden am 20. August 2005 für ihr Engagement im Bereich Baukultur mit dem Wakker-Preis des Schweizer Heimatschutzes ausgezeichnet.

Der Schweizer Heimatschutz feiert 2005 sein 100-jähriges Jubiläum.

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