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Rotkreuz-Helfer: Beruf statt Berufung

Eines der Plakate zum Beruf 'humanitärer Helfer' im Rotkreuzmuseum (Bild IKRK) swissinfo.ch

Zwischen starkem Willen und Motivation, zwischen Adrenalin und Aktivismus, hehren Idealen und trivialer Jobsuche: Das Rotkreuz-Museum illustriert das Berufsbild des humanitären Helfers.

Die Sonderausstellung in Genf erlaubt einen nuancierten Blick auf ein altes Metier, das ständig seinen Charakter wechselt.

Das Berufsbild des humanitären Helfers war früher stark geprägt von Berufung und Freiwilligkeit. Heute jedoch basiert die Arbeit und die Rekrutierung des “IKRK-Delegierten” vor allem auf Professionalität und auf Selektion.

Die Ausstellung im Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Museum in Genf, “HELP”, illustriert die Geschichte dieses Berufsbildes, wie es sich seit Ende des 19. Jahrhunderts gewandelt hat.

Etappenweise werden Besucherinnen und Besucher in die humanitäre Arbeit eingeführt, von der Auslese bis zur Ausreise, den Problemen vor Ort und der Frage, nach dem wievielten Einsatz es wohl genug sei.

“Idealisten nicht unbedingt brauchbar”

“Ziel ist einerseits, die Jungen für die humanitäre Arbeit zu motivieren”, sagt Loa Haagen Pictet gegenüber swissinfo. “Andererseits braucht man sich keine Illusionen zu machen. Idealisten geben heute nicht mehr unbedingt brauchbare Kandidaten ab”, dämpft die Museumskonservatorin mögliche Erwartungen von wenig qualifizierten Hochmotivierten.

Den Durchbruch durch die psychologischen Tests und Assessments schaffen heute nur rund 180 von jeweils 5000 Kandidatinnen und Kandidaten. Heute, wo die Delegierten im Feld nicht mehr nur als neutrale Helfer willkommen sind, sondern als mediale Aufhänger und mögliche Geiseln instrumentalisiert werden, braucht es ein ganz spezifisches Profil zum Berufs-Helfer.

Die Ausstellung zeige auch, dass es rund 50 Qualifikationen gebe, die einen humanitären Arbeiter ausmachten, sagt Loa Haagen Pictet. “Dazu gehören sowohl Handwerker, Administratoren als auch Psychologen, aber sicher keine Freiwilligen.” Die zwischenmenschliche Kompetenz gehöre auf jeden Fall dazu.

Der Kriterienkatalog wachse, die Spezialisierung ebenfalls. “Rund die Hälfte der Leute vor Ort sind bereits Spezialisten.” Ein “Humanitärer” zu sein, wird heute als Beruf erlernt, ausgeübt und entlöhnt. Inzwischen sind rund die Hälfte der Rekrutierten Frauen.

Biafra-Krieg als Wende

Die Ausstellung in Genf zeigt nicht nur spezifisch den Delegierten des Roten Kreuzes, sondern den humanitären Helfer ganz allgemein, wie es ihn seit den 70er-Jahren gibt.

Die sich aufopfernde Krankenschwester im ersten Weltkrieg, der patriotisch hinter seinen vorstürmenden Soldaten wachende Helfer der Sowjet-Armee in den 40er-Jahren, die Berufsbild-Wende nach dem zweiten Weltkrieg.

Ende der 60er-Jahre erhielt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) während dem brutal geführten und in dieser Art erstmals vom Fernsehen gross aufgemachten Sezessionskrieg von Biafra in Afrika erstmals “Konkurrenz”: “Ärzte ohne Grenzen” gab sich um einiges weniger neutral als das Rote Kreuz.

Die Ausstellung zeigt, wie die 80er-Jahre den Begriff der Solidarität prägten. “Seither geht es im humanitären Bereich vermehrt auch um das sogenannte ‘humanitäre Branding’, also um Werbung, damit die Spenden weiterhin fliessen”, sagt Haagen Pictet.

Und heute sind die Delegierten vor Ort, auf Mission, längst selber zu Zielscheiben der Konfliktparteien geworden.

Vom Plakat bis zu Video-Clips

Das Museum in Genf kombiniert zur Illustration des Berufsbildes museale Klassiker mit Multimedia. Gezeigt werden das dankbar-unterwürfige, bis in die 60er-Jahre weit verbreitete, bei Münzeinwurf “nickende Negerlein”, alte Uniformen und Gegenstände und zeitgeist-bezogene Plakate.

Dazu moderne Beamer-Überblendungen mit den Konflikt- und Katastrophenszenen des Tagesgeschehens der letzten Jahre und Video-Porträts von Helfern.

Die Plakate zeigen, wie im historischen Rückblick die humanitäre Arbeit immer schon in erster Linie mit Kriegen und Konflikten, und weniger mit Naturkatastrophen verknüpft wurde.

Zwischen Dankbarkeit und Sinnlosigkeit

Besonders eindrücklich sind von Gefangenen sorgsam gefertigte Karton- und Pappmodelle von Gefängnissen, Kunstwerke, welche die Dankbarkeit der Geretteten ausdrücken, und Werke als Mahnmale für umgekommene Helfer, denen Ehre erwiesen wird.

Eindrücklich zeigt sich hier, wie sehr die Arbeit der “Humanitären” weiterhin und abseits der aktuellen Medienereignisse respektiert wird und wie stark sie geschätzt wird.

Andererseits regt die Ausstellung auch zu Fragen an, was zum Beispiel Gefängnisbesuche nützen, wenn sie das Los der Gefangenen nicht verbessern.

Was tun? Die Ausstellung zeigt auch Möglichkeiten, wie man auf die Schreckensnachrichten reagieren kann. Geld spenden oder gleich selber anpacken. Oder sich politisch engagieren, Fair-Trade-Produkte bevorzugen oder selber Peacekeeper werden – womit die Grenze des freiwilligen Einsatzes erreicht sei, so Haagen Pictet.

Und erst hier beginnt dann die Professionalisierung der humanitären Arbeit.

swissinfo, Alexander Künzle

Bis 23. Januar 2005 zeigt das Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Museum in Genf die Ausstellung “HELP”.

Dabei werden die Motivationen und Werte illustriert, die dem humanitären Engagement der Helfer zugrunde liegen.

Die Ausstellung zeigt Bilder und Zeugnisse der verschiedenen Zeitepochen, Video-Porträts von Helfern, von Gefangenen gemachte Modelle, Kunst von Leuten, die den Helfern dankbar sind.

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