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Sébastien Buemi: Schweiz hat wieder einen F1-Piloten

Dezember-Bestzeiten in Serie: Sébastien Buemi, der mit dem Toro Rosso tanzt.

Seit dem Rückzug von Marc Surer 1986 hat es kein Schweizer mehr geschafft, in der Formel 1 Fuss zu fassen. Jetzt ist Sébastien Buemi der Sprung in die höchste Klasse gelungen: Der 20-Jährige pilotiert 2009 einen Toro Rosso.

Es war einmal ein Knirps aus Aigle im Kanton Waadt. Als Sébastien Buemi mit sechs Jahren erstmals einen Kart fuhr, träumte er von der Formel 1. Jetzt ist aus seinem Bubentraum Wirklichkeit geworden.

Beim Start in die neue WM-Saison am 29. März in Australien wird der 20-Jährige versuchen, seinen Idolen Lewis Hamilton, Kimi Räikkönen, Felipe Masse & Co. tüchtig einzuheizen, als Jüngster im Starterfeld notabene.

“Es ist ein fantastisches Gefühl, ich freue mich auf eine grosse Saison”, sagt Buemi gegenüber swissinfo. Im Toro Rosso nimmt er den Platz von niemand Geringerem als Sebastian Vettel ein. Der nur ein Jahr ältere Deutsche ist innerhalb “des Hauses” aufgestiegen: Er fährt einen Red Bull, während Toro Rosso (italienisch für Red Bull) gewissermassen als Juniorteam fungiert.

Buemi tritt damit in grosse Fussstapfen, denn der in Zug lebende Vettel war der Aufsteiger der letzten Saison. Sein sensationeller Sieg beim GP von Italien in Monza zeigte, wie gut der von einem Ferrari-Motor getriebene Rote Bulle geworden ist.

Schnell mit Gasfuss, schnell im Kopf

Für das F1-Cockpit empfohlen hatte sich das Schweizer Talent in den Dezember-Tests im spanischen Jerez mit seiner eindrücklichen Serie von Tagesbestzeiten. Dazu kam sein grandioser Sieg letzten Sommer in Frankreich, als er seinen Boliden in der GP2-Klasse, der zweithöchsten Motorsport-Kategorie, von Startplatz 21 zum Sieg steuerte.

Der Newcomer bleibt trotz Erreichen eines grossen Karriereziels auf dem Boden. “Es wird sehr hart werden, denn aufgrund des neuen Reglementes werden wir 2009 völlig neue Wagen fahren.” Trotzdem hofft er, dass ihm Red Bull ein Auto zur Verfügung stellen wird, dessen Potenzial er maximal ausschöpfen kann.

Zum Nachteil könnte Buemi gereichen, dass die Zahl der Testkilometer in diesem Jahr reduziert wurde – die Finanzkrise lässt grüssen. “Das bedeutet, dass Neulinge mit dem Wagen weniger Erfahrungen sammeln können, und das wiederum heisst mehr Druck bei den Freitags-Trainings”, sagt Buemi.

Letztlich würden die Verhältnisse aber für alle gleich sein. “Ist man fokussiert und clever, wird man am Renn-Wochenende auch schnell genug sein”, versprüht er Zuversicht.

Diese Fokussiertheit und Cleverness waren es auch, mit denen Buemi im Dezember die Verantwortlichen bei Toro Rosso um Teamchef Franz Tost beeindruckte. Und natürlich mit seinem Speed.

Einigermassen überraschend war da eher schon, wie schnell er punkto technisches Wissen dazu lernte. Damit punktete Buemi in Barcelona insbesondere auch bei den Ingenieuren. Technisches Knowhow ist eine unabdingbare Voraussetzung zur perfekten Abstimmung des Boliden. Liegt dieser schlecht auf dem Asphalt, sind Punkte kaum zu holen.

Peter Sauber: Schnelligkeit kein Erfolgsgarant

Einer, der sich neben Buemi wohl am meisten über dessen Karrieresprung gefreut hat, ist Peter Sauber. Als grundsolid-zielstrebiger Chef seines Rennstalls hatte der Zürcher von 1993 bis 2005 die Schweizer Fahne in der Formel 1 mit viel Ehre hochgehalten.

“Es ist sehr positiv für den Motorsport in der Schweiz, aber auch für mich persönlich, weil ich nicht mehr allein im medialen Interesse stehe”, sagt Sauber mit einem Lächeln gegenüber swissinfo. Als Entdecker von Michael Schumacher, Kimi Räikkönen, Felipe Massa, Robert Kubica oder Nick Heidfeld steht Sauber im Ruf, ein hervorragendes Auge für das Potenzial grosser Fahrtalente zu haben.

Buemis Chancen beurteilt der Zürcher in seiner gewohnt zurückhaltend-differenzierten Art. “Die Formel 1 ist ein schwieriges Pflaster, nur die Allerbesten können sich durchsetzen”, schickt er voraus. Natürlich sei Buemi schnell. “Aber nicht jeder Fahrer, der aus dem Red-Bull-Förderprogramm aufgestiegen ist, hat sich in die Formel 1 auch etablieren können”, gibt er zu Bedenken.

In der GP2-Meisterschaft, die Buemi 2008 als Sechster beendete, habe er unterschiedliche Leistungen gezeigt. Da er nicht über Top-Material verfügte, habe er die letzten zwei Jahre unter grossem Druck gestanden. “Dass er sich unter erschwerten Bedingungen durchsetzen konnte, spricht aber für ihn”, hebt Sauber hervor.

Mit Spannung erwartete erste Tests

Fragezeichen macht Sauber bezüglich Material. Alle Teams müssen in Down under mit neuen Autos an den Start. “Das wird für Red Bull mit den vier Wagen keine einfache Aufgabe”, schätzt Peter Sauber.

Zwar pumpt der österreichische Red-Bull-Erfinder und Milliardär Dietrich Mateschitz reichlich Geld in die beiden Teams. Dennoch spielen Red Bull und Toro Rosso finanziell nicht in der Liga der ganz “Grossen” wie McLaren-Mercedes, Ferrari, BMW-Sauber, Renault oder Toyota.

Wie stark Buemis neuer Roter Bulle mit Ferrari-Motor im Heck in diesem Jahr ist, darüber werden die ersten Tests übernächste Woche in Portugal Aufschluss geben. Schnaubt er gehörig, kann sich der junge Schweizer Pilot schon bald über die ersten WM-Punkte für einen Platz unter den ersten Zehn freuen.

swissinfo, Renat Künzi

Geboren am 31. Oktober 1988 in Aigle im Kanton Waadt; lebt dort und in Bahrain.

Erste Fahrt in einem Kart 1994. Bis 2003 mehrfache Schweizer und internationale Kartmeisterschaften.

2004 und 2005 in der deutschen Formel BMW, wo er die Meisterschaft als 3. resp. 2. beendet.

2006 steigt er in die Formel 3 auf, wo er 12. der Euroseries wird. 2007 ist er schon Zweiter der Gesamtwertung.

2007 und 2008 fährt er in der GP2, der zweithöchsten Klasse nach der Formel 1. Er verbucht total drei Siege und landet in der Jahreswertung 2008 auf Platz 6.

Kurz vor dem Jahreswechsel unterschreibt er einen Vertrag als Formel-1-Fahrer bei Toro Rosso.

Jo Siffert, Clay Regazzoni, Marc Surer: Mit diesen drei Fahrern war die Schweiz über ein Viertel Jahrhundert, nämlich von 1961 bis 1986, prominent und erfolgreich in der Königsklasse des Motorsports vertreten.

Es ist zu hoffen, dass Buemi das Schicksal seiner Vorgänger erspart bleibt. Der zweifache GP-Sieger Siffert verunglückte 1971 mit seinem BRM tödlich.

Regazzoni, der fünf WM-Läufe gewann, war seit seinem fürchterlichen Unfall 1980 gelähmt. Vor gut zwei Jahren verlor der Tessiner bei einem Unfall mit seinem Privatauto das Leben.

Marc Surer konnte nie einen GP gewinnen, machte aber mit grossem Kämpferherzen sein unterlegenes Material wett. Er überlebte in der F1 zwei schwere Unfälle und ist heute als Fernseh-Kommentator immer noch mit der Szene verbunden.

Nach Surers Rückzug 1986 hatten zwar noch vier Schweizer Fahrer Formel-1-Luft geschnuppert. Sie waren aber allesamt nach wenigen GP gescheitert.

In der Geschichte der Formel-1-WM ist Buemi der 23. Fahrer aus der Schweiz.

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