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Schengen-Transitvisa – Schweizer Anliegen überprüft

Ohne Visum - zum Beispiel vom österreichischen Konsulat - geht nichts. swissinfo.ch

Viel Geduld und ein Visum benötigen in der Schweiz lebende Bürger von Balkan-Staaten oder der Türkei, wenn sie auf dem Landweg in ihre Heimat zurückkehren wollen.

Schweizer Gewerkschaften sprechen von einer diskriminierenden Praxis. Auf ihren Druck hin will die EU nun nochmals über die Bücher.

Weil die Schweiz nicht EU-Mitglied ist, sind Nicht-EU-Bürger, die in der Schweiz arbeiten, den gleichen Regelungen unterworfen, die auch an den EU-Aussengrenzen gelten.

Wenn sie auf dem Landweg in ihre Heimat reisen, benötigen sie für die Durchfahrt durch EU-Staaten ein Transitvisum. Die Beschaffung gestaltet sich oft als Spiessrutenlauf.

Die Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI) setzt sich seit längerer Zeit für eine Änderung der Visaregelung ein. Eine Delegation der GBI legte nun am Dienstag in Brüssel ihr Anliegen der EU-Kommission vor.

Treffen mit Vertreter des Justizkommissars

Die Gewerkschafts-Delegation, der auch Vertreterinnen des Forums für die Integration der Migrantinnen (FIM) angehörten, erklärten nach dem Treffen, dieses sei “äusserst nützlich” gewesen.

Die EU-Kommission will nach Angaben der Gewerkschafter das Dossier überprüfen und bis September eine Stellungnahme abgeben. Der Vertreter von Justizkommissar Antonio Vitorino habe eingeräumt, dass die jetzige Lage wenig Sinn mache, hiess es von Seiten der Gewerkschaft weiter.

Akut in Ferienzeit

Die GBI kämpft seit Jahren gegen die Visumspflicht. Im Juli 2002 lockerten die Nachbarländer der Schweiz den Visumszwang und stellen bis zu zwei Jahre gültige Visa aus. Das Problem wurde damit jedoch nicht gelöst.

Die jetzige Regelung wird laut FIM-Generalsekretär Claudio Micheloni zudem viel zu unterschiedlich ausgelegt. “Sie hat keine Daseins-Berechtigung.”

Bürgerinnen und Bürger aus Drittstaaten, die legal im EU-Raum leben, können seit August 2000 ohne Visum in die Schweiz reisen. Die Schweiz hatte die Visumspflicht damals aufgehoben.

Gestützt darauf, wollen GBI und FIM nun das gleiche Recht für in der Schweiz lebende und arbeitende Bürger und Bürgerinnen aus Nicht-EU-Staaten.

Besonders vor den Ferien verschärft sich jeweils das Problem: Stundenlanges Schlangestehen vor Konsulaten, endloses Telefonieren auf besetzten Linien, monatelanges Warten auf das Visum. Nicht selten müssen sie die Ferien verschieben oder ganz auf den Besuch verzichten.

“Nicht-EU-Bürger sind in der Schweiz regelrecht eingesperrt”, hatte Vania Alleva, Leiterin Migration und Integration bei der Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI) vergangene Woche in Bern erklärt.

Vor allem in der Schweiz lebende Leute aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei hätten grosse Probleme, wenn sie von der Schweiz aus in ihre Heimat reisen möchten.

“Schikanöse Praxis”

“Die Praxis der Visumserteilung ist äusserst schikanös”, sagte Alleva. Seit dem Schengener Abkommen sei es enorm schwierig, ein Visum zu erhalten. Verlangt werde das Mitbringen von stapelweise Papier wie Pässen, Ausländer- und Lohnausweisen, Versicherungs-Nachweisen oder Bankauszügen.

IV-Bezüger und Arbeitslose erhielten keine Visa. Je nachdem auf welcher Botschaft ein Gesuch gestellt werde, seien die Visa nur einige Monate, ein Jahr oder eben zwei Jahre gültig. Ausserdem seien Ferien in der Heimat für viele nicht langfristig planbar.

In Genf reichten geplagte Anwohner wegen Nachtruhestörung Klage ein. Gesuchsteller standen nämlich schon in den frühen Morgenstunden vor dem französischen Konsulat Schlange und machten Lärm.

Das Konsulat führte daraufhin die telefonische Anfrage über ein Call-Center ein. “Eine weitere Schikane”, sagte Alleva, “denn diese Nummern sind kostenpflichtig”.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz leben derzeit rund 560’000 Menschen aus Nicht-EU-Staaten, rund 350’000 davon stammen aus Balkan-Staaten.

Zu den 15 Schengen-Staaten gehören die Benelux-Staaten, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien (Norwegen und Island gehören nicht zur EU).

Im Schengener Übereinkommen werden neben dem Wegfall von Grenzkontrollen unter anderem eine Angleichung der Visa- und Asylpolitik, gemeinsame Bekämpfung der Drogenkriminalität, Harmonisierung im Waffen- und Betäubungs-Mittelrecht und verstärkte Kontrollen an den Aussengrenzen festgeschrieben.

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