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Schmutzgeschirr im Restaurant

Die meisten Schweizer Restaurants erhalten einmal jährlich Besuch von den Inspektoren. Keystone

Die in den kantonalen Laboratorien durchgeführten Kontrollen haben ergeben, dass es in vielen Schweizer Restaurants mit der Hygiene nicht zum Besten steht.

Die Stiftung für Konsumentenschutz will deshalb, dass eine Liste der schmutzigen Lokale veröffentlicht, die Verantwortlichen somit an den Pranger gestellt werden.

“Man braucht nicht nach Indien oder Mexiko zu reisen, um sich im Restaurant den Magen zu verderben”, erklärt André Cominoli, stellvertretender Kantonschemiker in Genf.

“Eine Portion Schlagrahm in einer Gaststube in Genf, Lausanne oder einer anderen Schweizer Stadt kann durchaus genügen.”

Zwar holt man sich in diesen Lokalen keine exotischen und von den Medien oft hochgespielten Krankheiten wie die Vogelgrippe. Die Gefahren, die in diesen Küchen lauern, sind schlicht auf mangelnde Hygiene oder die Missachtung einfacher Grundregeln im Umgang mit Lebensmitteln zurückzuführen.

Das Bild der sauberen Schweiz gerät alljährlich, wenn die Lebensmittelinspektoren nach ihrem Überraschungsbesuch in den Restaurants die erhobenen Daten publik machen, erneut ins Wanken.

Beunruhigende Zahlen

Im Kanton Genf zum Beispiel wurden im Jahr 2002 von 437 kontrollierten Betrieben ganze 102 wegen schmutziger Räumlichkeiten beanstandet. In 130 Fällen wurden schlecht geputzte Geräte bemängelt, in 181 Fällen andere Verunreinigungen.

17% der Lebensmittelproben entsprachen nicht den gesetzlichen Anforderungen, über 200 Wirte wurden verwarnt und fast 100 gebüsst.

Nicht viel besser sieht es im Kanton Bern aus, wo jedes Restaurant mindestens einmal jährlich kontrolliert wird. Rund 40% der Wirte erhielten letztes Jahr eine Beanstandung.

Dazu der Berner Kantonschemiker Urs Müller: “In den meisten Fällen handelt es sich um leichte Mängel. Doch in 5 bis 10% der Kontrollen stossen wir auf unhaltbare hygienische Verhältnisse: verdorbene oder gesundheitsschädigende Lebensmittel oder schmutzige Lokale.”

In solchen Fällen – sie kommen praktisch in jedem Kanton vor – sind die kantonalen Stellen verpflichtet, Massnahmen zu ergreifen und die Betriebe vorübergehend oder sogar definitiv zu schliessen.

Unzureichende Ausbildung und Gleichgültigkeit

“Hygieneprobleme sind oft eine Frage der Ausbildung. Manchmal fehlt es auch am sprachlichen Können: Einzelne Restaurateure sind schlicht nicht in der Lage, die kantonalen Richtlinien zu verstehen oder auch nur zu lesen”, erklärt Urs Müller.

Wer in der Schweiz ein Lokal eröffnen und betreiben will, braucht keine lange Ausbildung: In der Regel genügen ein paar Wochen. Dank der Liberalisierung kann sich in einigen Kantonen jedermann auch ohne Vorkenntnisse zum Wirt ernennen.

Kein Wunder, haben vor allem in den letzten zehn Jahren Tausende von Restaurants für jeden Geschmack und jedes Portemonnaie ihre Pforten geöffnet. Um Kosten zu sparen, wird oft auch ausländisches Personal eingestellt.

Schwarze Schafe kommen allerdings, so die kantonalen Inspektoren, in allen Kategorien vor – in traditionsreichen und teuren Restaurants ebenso wie in neu eröffneten, exotischen oder billigen Lokalen.

“Oft werden die hygienischen Vorschriften nicht respektiert, weil sich niemand dafür interessiert”, erklärt Urs Müller. “Jeder andere Faktor hat mehr Gewicht.”

Und André Comignoli meint dazu: “Manche Gastwirte sind sich des Risikos, das sie ihren Gästen zumuten, durchaus bewusst.”

Die Verantwortlichen an den Pranger

Die Konsumentenorganisationen weisen seit Jahren auf die mangelhafte Hygiene in gewissen Restaurants hin. Nun fordern sie mehr Transparenz.

“Die Berichte der kantonalen Laboratorien zeigen Jahr für Jahr, dass sich ein hoher Prozentsatz der Restaurants nicht an die gesetzlichen Vorschriften hält, doch Namen werden keine genannt. Wir sind jedoch der Meinung, dass die Konsumentinnen und Konsumenten über die Sünder informiert werden sollten”, erklärt Jacqueline Bachmann, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS).

Vor kurzem hat die SKS deshalb vorgeschlagen, in Zeitungen oder im Internet eine Liste der “Schmutzfinken” zu veröffentlichen, wie dies in einigen amerikanischen Städten bereits gang und gäbe ist. Oder die Lokale wie in Dänemark zu verpflichten, die Kontrollergebnisse am Eingang aufzuhängen.

Die Lebensmittelinspektoren haben für diesen Vorschlag zwar Verständnis; sie weisen jedoch darauf hin, dass ein solches Vorgehen mit dem Datenschutzgesetz nicht vereinbar ist.

“Wir würden damit unter anderem Wirte bestrafen, welche die Mängel inzwischen behoben haben, oder jene, die ein von ihren Vorgängern schlecht geführtes Restaurant übernehmen”, erklärt Urs Müller.

André Cominoli doppelt nach: “Man darf nicht vergessen, dass zum Beispiel im Kanton Genf jedes Jahr ein Drittel der Restaurants den Besitzer wechselt.”

Mit offenen Augen

Gastrosuisse setzt eher auf Prävention und Kontrolle. So wird im Kanton Zürich, wo die Betriebe mindestens zweimal pro Jahr kontrolliert werden, nur in 4% der Fälle gegen die Hygienevorschriften verstossen.

Zudem setzt sich der Verband für Hotellerie und Restauration für die Ausbildung ein und bietet seinen Mitgliedern zum Thema Hygiene Kurse, Beratungen und Handbücher an.

Für Gastrosuisse ist die Lage insofern nicht alarmierend, als schwere Lebensmittelvergiftungen in Schweizer Restaurants selten vorkommen.

Auch Urs Müller weist darauf hin, dass die Risiken dank den regelmässigen Kontrollen eher gering sind. Doch Vorsicht kann nie schaden: “Ich selber verzichte auf riskante Speisen wie rohes Fleisch, rohen Fisch oder Desserts – zumindest in Restaurants, die ich nicht kenne.”

Es lohnt sich, die Augen offen zu halten: “Anhand einiger Indizien kann sich jeder Gast selbst ein Bild davon machen, wie genau es das Restaurant mit der Hygiene nimmt: saubere Toiletten, das Fehlen eines Geranten oder die Arbeitsweise des Personals können Bände sprechen.”

swissinfo, Armando Mombelli
(Übertragung aus dem Italienischen: Maya Im Hof)

2002 wurden im Kanton Genf 437 Restaurants inspiziert, 102 schmutzige Räume beanstandet.
361 Lokale verfügten nicht über die verlangte Selbstkontrolle.
222 Wirte wurden verwarnt, 96 gebüsst.

Das Lebensmittelgesetz legt die Grenzwerte für Krankheitserreger (Mikroben, Salmonellen, Staphylokokken usw.) genau fest.

Die Kontrolle und die Anforderungen für die Eröffnung und den Betrieb eines Restaurants sind jedoch Sache des Kantons.

In einigen Kantonen braucht es dazu ein Wirtepatent, das nur erhält, wer eine mehrwöchige Ausbildung absolviert und eine entsprechende Prüfung bestanden hat.

Andere Kantone haben ihre Vorschriften in den vergangenen Jahren gelockert, so dass heute praktisch jeder einen Gastrobetrieb eröffnen kann.

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