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Schule ohne Lehrerinnen und Lehrer?

Akuter Lehrermangel in vielen Schulen. Keystone

In vielen Schweizer Kantonen hat die Schule wieder begonnen. Nur dank Notmassnahmen konnte der befürchtete Lehrermangel überwunden werden.

Das Problem bleibt aber bestehen. Der Lehrerberuf hat heute an Attraktivität verloren.

Seit einigen Jahren sind die Schulen in vielen Kantonen der Schweiz mit einem grossen Problem konfrontiert: dem Lehrermangel.

Auch wenn für das jetzige Schuljahr einstweilige Lösungen gefunden werden konnten, wird sich das Problem in den nächsten Jahren erneut stellen.

Viele ausländische Lehrkräfte

Besonders zugespitzt hat sich die Lage in den Kantonen Aargau und Bern. Im nächsten Jahr wird es wegen der Umstrukturierung der Lehrerausbildung keine neuen Primarlehrerinnen und -lehrer geben.

2004 würden nur gerade die Hälfte der benötigten Primarlehrer die Ausbildung abschliessen, schreibt die Wochenzeitschrift “Der Beobachter”.

Infolge des akuten Lehrermangels muss der Kanton Aargau dieses Jahr ausländische Lehrkräfte engagieren, nach Angaben der aargauischen Erziehungs-Direktion deren fünfzig. Bereits im letzten Jahr wurde eine solche Massnahme ergriffen.

Auch andere Kantone wie Thurgau, Schaffhausen, Luzern, Nidwalden, Graubünden und Freiburg mussten ausländische Lehrkräfte einstellen.

Provisorische Lösungen

Kantone wie Aargau, Bern, Freiburg, Waadt sowie Basel-Stadt und Basel-Land haben auch Studenten oder andere Personen ohne abgeschlossene pädagogische Ausbildung eingestellt.

In den Kantonen Zug, Uri und Wallis mussten Primarlehrerinnen und -lehrer auf der Sekundarstufe eingesetzt werden.

Stabile Lage im Tessin

Im Kanton Tessin ist die Lage stabil. Der Grund: Viele Gymnasiastinnen und Gymnasiasten wählen nach der Matura den Lehrerberuf.

Aber auch hier könnte es in den nächsten Jahren Schwierigkeiten geben, sagt Diego Erba vom Schulamt des Kantons Tessin gegenüber swissinfo.

“Das Problem wird sich stellen, wenn jene Lehrkräfte die Schule verlassen, die zu Beginn der 60er Jahre begonnen haben”, erklärt Erba.

Privatwirtschaft und reiche Kantone buhlen um Fachlehrer. Viele Kantone, darunter auch französisch-sprachige wie Waadt, Neuenburg und Freiburg, haben besondere Schwierigkeiten, Lehrkräfte in den Bereichen Mathematik und Wirtschaft zu finden. Die Konkurrenz der Privatwirtschaft ist hier zu gross.

Das bestätigt Diego Erba. “Wenn die Wirtschaft anzieht, haben wir grosse Mühe, Hochschulabgänger für den Schuldienst zu gewinnen. In wirtschaftlich schwierigeren Zeiten ist es umgekehrt.”

Konkurrenz gibt es auch innerhalb den Schulen selbst. Der Kanton Zürich zum Beispiel wirbt mit seinen hohen Löhnen Lehrkräfte aus anderen Kantonen ab. So konnte Zürich im vergangenen Jahr die ursprüngliche Lücke von über 200 fehlenden Lehrerinnen und Lehrern mit Personal aus anderen Kantonen füllen.

Unattraktiver Lehrerberuf

Die Lösungen für das Schuljahr 2002-2003 dürfen nicht über eines der Grundprobleme der heutigen Schule hinwegtäuschen: Der Lehrerberuf hat in den letzten Jahren massiv an sozialem Prestige und Attraktivität verloren.

Sparmassnahmen, Zunahme von Stunden und Lehrstoff, immer grösser werdende Klassen, oft wenig verlockende Arbeits- und Lohnbedingungen führen viele dazu, den Lehrerberuf nicht zu wählen oder ihn an den Nagel zu hängen.

Besonders in den Stadtzentren müssen die Lehrkräfte heute neben dem Unterricht auch Aufgaben wie Integration ausländischer Kinder oder soziale Funktionen übernehmen – Bereiche, für die sie nicht genügend ausgebildet sind.

Andrea Tognina
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

Mindestlohn Primarschullehrer im ersten Berufsjahr: 58’627 Franken
Höchstlohn: 73’777 Franken
Mindestlohn Sekundarlehrer im ersten Berufsjahr: 66’857 Franken
Höchstlohn: 83’591 Franken

In der Schweiz herrscht seit einigen Jahren Lehrermangel. Deswegen müssen viele Kantone ausländische Lehrkräfte oder Personen ohne abgeschlossene pädagogische Ausbildung einstellen.

Diese Massnahmen lösen das Problem aber nicht. Es gibt immer mehr Lehrerinnen und Lehrer, die wegen unbefriedigenden Lohn- und Arbeitsbedingungen ihren Beruf verlassen.

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