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Schweiz – 2. Weltkrieg: Flüchtlingszahlen nicht zu erheben.

Es ist unmöglich, definitive Zahlen der im Zweiten Weltkrieg an der Schweizer Grenze zurückgewiesenen Flüchtlinge zu erhalten. Die Bergier-Kommission weist in einer am Freitag (20.10.) erschienenen Antwort Argumente ihrer Kritiker zurück.

Die Lücken in den Archiven seien gewaltig, sagt die Bergier-Kommission. Deshalb sei es unvernünftig genaue Zahlen zu nennen und aus diesen politische Schluss-Folgerungen zu ziehen. Das schreibt die Kommission in der Westschweizer Tageszeitung “Le Temps”.

Genfer Zahlen nicht hochrechnen

Damit weist die Kommission insbesondere die Kritik des Lausanner Wirtschaftswissenschaftlers Jean-Christian Lambelet zurück. Der hatte der Kommission vorgeworfen, das Verhalten der Schweiz beschmutzt zu haben, indem sie das Land für Flüchtlinge als geschlossen dargestellt habe.

Lambelet sagte, über 90 Prozent der jüdischen Flüchtlinge, die sich während des Zweiten Weltkriegs an der Schweizer Grenze meldeten, seien aufgenommen worden. Seine Berechnungen stützt er auf eine Studie, die vergangenen Monat vom Genfer Staatsarchiv veröffentlicht wurde. Deren Ergebnisse könnten auf die Schweiz hoch gerechnet werden.

15 Monate später erschienen

Die Bergier-Kommission weist den Vorwurf zurück, diese Studie aus Genf ignoriert zu haben. Der Archivar habe seinen Bericht erst 15 Monate nach dem vorgesehenen Datum publiziert. Man habe es vorgezogen, sich auf intensive Recherchen im Bundesarchiv zu stützen. Die Genfer Zahlen könnten nicht tel quel auf die Schweiz hochgerechnet werden. Zudem müssten die vielen Unsicherheiten, die bestehen, berücksichtigt werden. Dazu kämen Unterschiede in der Methode und im betrachteten Zeitraum.

Zahlen nicht wesentlich

Die von der Kommission ermittelte Zahl von 24’398 Rückweisungen zwischen Januar 1940 und Mai 1945 berücksichtige alle zivilen Flüchtlinge, jüdische und nicht jüdische, so die Kommission.

Sie mache nur die eine Aussage, die nämlich über die Zahl der Rückweisungen, aber nicht über die der tatsächlich zurückgewiesenen Flüchtlinge. Es sei unmöglich zu eruieren, wie viele Flüchtlinge mehrmals und wie oft versucht haben, in die Schweiz zu gelangen.

swissinfo und Agenturen

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