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Schweiz bemüht um besseren Gaza-Zugang

Israelische Soldaten kontrollieren in Rafah Yam im Gaza-Streifen palästinensische Arbeiter. Keystone

Die Schweiz beauftragte einen Experten aus Harvard für ein Transit-System im Gazastreifen. Sein Vorschlag traf auf weniger Widerstand als erwartet.

Claude Bruderlein erörterte mit Israelis und Palästinensern, wie der Zugang nach dem geplanten Rückzug von Israel aussehen könnte.

Der Plan, der von der Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey im Februar vorgeschlagen wurde, sieht ein System vor, das den Transit von Personen ebenso wie von lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicherstellt.

Die Schweizer Regierung hatte bei Experten der Harvard Universität angefragt, ein solches Transitsystem zu entwickeln, wobei alle Konfliktparteien im Nahen Osten einzubeziehen und anzufragen seien.

Das Experten-Team führte zwei Gesprächsrunden durch, mit Vertretern von Israel, der Palästinensischen Behörden, der UNO und der Nichtregierungs-Organisationen (NGO).

Diese Woche wird dem Eidgenössischen Department für auswärtige Angelegenheiten (EDA), das das Projekt finanziert, ein erster Entwurf vorgelegt.

swissinfo: Woher stammt die Idee?

Claude Bruderlein: Es handelt sich um eine alte Idee, die den Konfliktparteien wieder von neuem näher gebracht worden ist, als eine Art Zusatz während des Osloer Friedensprozesses.

Auch unter dem Abkoppelungs-Plan will Israel weiterhin die Zugänge zum Gaza-Streifen kontrollieren. Die alten Okkupationsgesetze gelten demnach weiter.

Laut den Bestimmungen muss Israel die Regeln der vier Genfer Konventionen respektieren, die den Zugang zum Gaza-Streifen betreffen.

Doch in der Praxis waren diese Bestimmungen niemals besonders genau. Sie verlangen von Israel zwar, den Zugang für Notfälle ständig zu garantieren. Wobei ein Notfall die Assistenz in Fällen umfasst, wo es um Überleben oder Würde der Menschen geht. Nur wurde die konkrete Durchführung nie klar spezifiziert.

swissinfo: Welche konkreten Massnahmen schlagen Sie vor?

C. B.: Ich schlage ein klares Set von Regeln vor, damit das System vorausschaubar und transparent wird. Im besonderen wird von Israel, den Palästinensischen Behörden und der UNO gefordert, eine Meldestelle und ein Suchsystem für Gesuche einzurichten.

Gegenwärtig ist der Zugang zwar möglich, aber schwierig. Es existieren auch keine Belege der Bewilligungen, oder der Fälle, die von Israel aus welchem Grund auch immer nicht bewilligt wurden.

Die Überwachung der Durchführung, auf die Israel verpflichtet ist, ist deshalb schwierig.

Schliesslich ist auch vorgesehen, einen Nachprüfungs-Mechanismus auf die Beine zu stellen, um langsam den Zugang zum Gaza-Streifen zu verbessern.

Dabei wird davon ausgegangen, dass der Rückzug der Israeli aus dem Gaza-Streifen zu erhöhter Unsicherheit an den Check Points führen könnte.

Man kann das so ausdrücken: Wir schlagen ein Überwachungs-System vor, das auf den Regeln der Genfer Konvention basiert. Damit werden die Rechte jener, die im Gaza-Streifen leben, geschützt.

swissinfo: Wie reagierte Israel auf diese Vorschläge?

C.B. Alle Parteien interessierten sich für den technischen Aspekt und den Beitrag, den der Vorschlag in den laufenden Verhandlungen spielen kann. Das war von Interesse, weil eingesehen wurde, dass ein internationales Gesetz mehr als eine Krücke, sondern ein Weg zu Ziel sein kann.

swissinfo: Welches war der Schweizer Beitrag zum Prozess?

C.B.: Der Schweizer Beitrag ist zentral, denn er ruft die Wichtigkeit von internationalen Gesetzen und deren Machbarkeit in Erinnerung. Auch betont er, dass ein minimaler Zugang zum Gaza-Streifen immer aufrechterhalten werden muss.

swissinfo: Welche Hindernisse stellten sich Ihnen während der Arbeit in den Weg?

C.B.: Ich arbeite nun seit 15 Jahren in dieser Gegend. So gesehen, war ich eigentlich überrascht, wie wenig Hindernisse sich mir in den Weg stellten.

Es scheint, dass ein allgemeines Interesse besteht, dass der israelische Abzugsplan gelingt und dass sich das Leben der Leute im Gaza-Streifen verbessert.

Ich bin auch nicht so sehr besorgt über den Widerwillen, der in einigen Kreisen herrscht. Der jetzige Plan, der durch die UNO, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und Nichtregierungs-Organisationen ausgehandelt wird, versucht alles, um zu einem guten Abschluss zu kommen.

Aber klar ist alles schwierig, oft unvorhersehbar. Es fusst auf persönlichen Beziehungen von ehemaligen Sicherheitsoffizieren in Gaza und dem Checkpoint Erez. Es wird seine Zeit dauern, bis das jetzige System in Gaza von einer – auf gesetzlicher Grundlage basierender Lösung – abgelöst ist.

swissinfo-interview: Elham Manea Knecht
(Aus dem Englischen übertragen von Alexander Kuenzle)

Claude Bruderlein ist in den USA Professor für Recht an der Harvard-Universität.

Bruderlein ist 43-jährig und in Québec (Kanada) aufgewachsen. Seine Eltern stammen aus der Schweiz.

Seine Laufbahn begann er beim IKRK. Dann wurde er Berater für Menschenrechtsfragen bei der UNO in New York.

Die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey lancierte im vergangenen Februar einen Vorstoss, um den Zugang für Personen, Waren und Dienstsleistungen im Gaza-Streifen zu verbessern.

In dieser Woche werden Experten aus Harvard, unter der Leitung von Claude Bruderlein, ihre Vorschläge im Aussenministerium präsentieren.

Die Schweiz ist Depositärstaat der Genfer Konventionen. Die Konventionen legen Menschenrechts-Standards fest, die auch in Kriegen und andern bewaffneten Konflikten eingehalten werden müssen.

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