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Schweiz offen gegenüber Schuldenerlass

Ein Grund zur Freude für den Süden... Keystone

Die Schweiz steht dem Schuldenerlass für 18 arme Länder positiv gegenüber, den die acht führenden Industriestaaten (G8) kürzlich beschlossen haben.

Dies ergab eine erste Evaluation der Bundesverwaltung. Ein entsprechendes Engagement könnte die Schweiz jährlich rund 30 Mio. Franken kosten.

“Es ist ein wichtiger Schlüssel im Kampf gegen die Armut, aber nicht der einzige”, sagt Serge Chappatte, Vize-Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), gegenüber swissinfo zu den Plänen der G8-Staaten. Dies ist die Analyse, welche die DEZA zusammen mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) gemacht hat.

Die Initiative zur Entschuldung, die Mitte Juni von den Finanzministern der führenden Industriestaaten abgesegnet wurde, muss nun noch die Hürde des G8-Gipfels vom 6. bis 8. Juli im schottischen Gleneagles nehmen.

In einem ersten Schritt sieht die Initiative vor, dass 18 Ländern (darunter 14 afrikanischen) Schulden von insgesamt 40 Mrd. Dollar sofort gestrichen werden, die sie bei der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie der Afrikanischen Entwicklungsbank (AFDB) angehäuft haben.

Zwanzig weitere Länder mit 15 Mrd. Dollar Schulden, auch sie unter den ärmsten der Welt, könnten von einer solchen Massnahme profitieren. Bedingung ist die so genannte “gute Regierungsführung”, wozu etwa der erfolgreiche Kampf gegen Korruption gehört.

Mehr Transparenz

Wie Chappatte unterstreicht, stellt die G8-Gruppe diese Bedingungen ab auf die Erfahrungen eines früheren Schuldenerlasses von Weltbank und Währungsfonds aus dem Jahr 1996. Auch damals waren gute Regierungsführung, Demokratisierung, Budget-Disziplin und Kampf der Korruption Basis der Abmachung.

Diese Bedingungen seien enorm wichtig, damit die Entschuldung nicht zu einem reinen Schlag ins Wasser werde. Die Schweiz setze sich sehr für die Verstärkung der Schulden-Spezialisten in den Verwaltungen des Südens ein.

“Wir müssen auch darüber wachen, dass der Schuldenerlass für den Kampf gegen die Armut eingesetzt wird”, unterstreicht Chappatte.

Schweizer Beitrag: über das ordentliche Budget?

“Uns fehlen noch die genauen Informationen zur Umsetzung dieser Initiative der G8. Doch die Gläubiger-Institutionen (Weltbank, IWF, AFDB) dürfen durch das Programm nicht geschwächt werden”, so Chappatte.

Daher werden die Mitgliedstaaten des Abkommens von Bretton Woods den Grossteil des Schuldenerlasses tragen müssen. Und das je nach Bedeutung des Landes in diesen Institutionen.

In diesem Fall würde die Schweiz laut Chappatte während zehn Jahren zwischen 25 und 30 Mio. Franken pro Jahr zur Entschuldung beisteuern.

Beim derzeitigen Zustand der Bundesfinanzen wird dieser Beitrag wohl aus den existierenden Budgets für die Entwicklungszusammenarbeit kommen. “Es ist an der Landesregierung (Bundesrat), diese Frage zu behandeln. Wir denken aber, dass ein Teil der Gelder aus zusätzlichen Mitteln kommen sollte”, betont der DEZA-Vizedirektor.

Noch viel zu tun

Eine Hoffnung, die Bruno Gurtner, Ökonom der Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke, teilt. Auch er begrüsst den Entscheid der G8-Minister.

“Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch der Schuldenerlass sollte auf weitere hochverschuldete Länder des Südens ausgedehnt werden, zwischen 40 und 60 Staaten.”

Gurtner kritisiert jedoch einen Teil der Bedingungen, die an die Kandidaten für eine Entschuldung gestellt werden. “Mit ihren Strukturanpassungs-Programmen drängen die Institutionen von Bretton Woods zu stark auf liberalisierte Märkte, auch wenn diese Programme nach den Kampagnen der Nichtregierungs-Organisationen abgeschwächt wurden.”

Chappatte betont, dass diese Fragen im Zentrum der Doha-Runde stehen würden, dies im Zuge der Verhandlungen mit der Welthandels-Organisation (WTO). Und er vermutet, dass die von den multilateralen Institutionen verfolgte Entwicklungspolitik differenziertere Ansätze finden muss für die einzelnen Entwicklungsländer.

swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

Die Schweiz gehört zu den Pionieren bei der Entschuldung armer Länder.
In den 1990er-Jahren hat sie Programme zum Schuldenerlass für Gläubigerländer des Südens gestartet.
Zur G8 gehören die sieben führenden Industrienationen der Welt (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Kanada, Italien) und seit 1997 Russland.

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