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Schweiz wird sich der EU anpassen

Greenpeace findet 2002 GVO in der Polenta von Coop. Keystone Archive

Die Deklarationspflicht für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) wird verschärft. Davon geht man bei Befürwortern, Kritikern und dem Bund aus.

Das Gentechnikgesetz soll bald in Kraft treten.

Die EU-Agrarminister haben kürzlich beschlossen, das seit 1998 geltende GVO-Moratorium zu beenden und stattdessen die Zulassung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln an strenge Bestimmungen zu knüpfen:

Einerseits durch eine lückenlose Rückverfolgbarkeit während des gesamten Produktions- und Verteilungsprozesses, wobei die Daten von der Industrie fünf Jahre lang aufbewahrt werden müssen, und andererseits durch eine Kennzeichnungspflicht.

Unterschiede zur bestehenden Schweizer Regelung

Diese funktioniert nach dem Herkunfts- und nicht wie in der Schweiz nach dem Nachweisprinzip. Das heisst, dass in der EU künftig auch Produkte wie Sojaöl gekennzeichnet werden müssen, bei denen die GVO nicht mehr nachgewiesen werden können.

In der Schweiz müssen demgegenüber Lebensmittelbestandteile – etwa Stärkeprodukte aus GVO-Mais – nicht deklariert werden, wenn sie chemisch identisch sind mit konventionell hergestellten Produkten.

Höhere Akzeptanz?

Das bringt den Bund in Zugzwang, macht es doch keinen Sinn, wenn die kleine Schweiz einen Extrazug fährt. Zwar sind derzeit keine GVO-Produkte auf dem Markt zu finden, doch könnte sich die Skepsis der Konsumenten gegenüber Gentechfood in Zukunft legen.

Genau darauf baut die Lobbyorganisation Internutrition. Geschäftsleiter Jan Lucht erhofft sich durch eine noch strengere Deklarationspflicht längerfristig eine höhere Akzeptanz von gentechnisch veränderten Lebensmitteln bei den Verbrauchern – “wenn sie besser informiert sind, die Wahlfreiheit garantiert ist und sie sich nicht über den Tisch gezogen fühlen”.

Die Industrie habe zwar wegen des grösseren administrativen Aufwands keine Freude an einer weiteren Verschärfung der Bestimmungen, doch der Trend gehe nun mal in Richtung Lebensmittelsicherheit, und dies nicht nur bei GVO-Produkten.

Gesetz bald in Kraft setzen

Beim Bund macht man sich denn auch bereits Gedanken, wie die EU-Richtlinien in die Schweizer Gesetzgebung eingefügt werden können.

Eben erst ist die Referendumsfrist für das neue Gentechnikgesetz (GTG) abgelaufen. Dieses soll nach den Vorstellungen des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) möglichst bald in Kraft gesetzt werden.

Ein entsprechender Antrag zuhanden des Bundesrates sei in Vorbereitung, erklärt Georg Karlaganis, Leiter der Buwal-Abteilung Stoffe, Boden, Biotechnologie.

Die Frage sei noch, ob die 1998 erlassenen Verordnungen, die in Teilen das GTG bereits vorweggenommen haben, zuvor noch angepasst werden müssen. Das Buwal ist der Ansicht, dass die Erlasse später ergänzt werden können.

Das hätte den Vorteil, dass dann gleich die EU-Regelung aufgenommen werden könnte. So sagt es Karlaganis zwar nicht, doch: “Das GTG zeichnet den Weg vor. “In der Tat steht sowohl in Artikel 16 (Trennung des Warenflusses) wie in Artikel 17 (Kennzeichnung) klar und deutlich: “Beim Erlass der Vorschriften (…) berücksichtigt der Bundesrat übernationale Empfehlungen sowie die Aussenhandelsbeziehungen.”

Das ermöglicht der Regierung ein rasches Vorgehen; sie muss weder Parlament noch Volk konsultieren. Es ist aber laut Karlaganis davon auszugehen, dass die Verordnungen in eine Vernehmlassung geschickt werden.

Tiefere Toleranzwerte

Dem Bundesrat ist es zudem freigestellt, die Toleranzgrenzen für GVO-Bestandteile von derzeit 1 Prozent bei Lebensmitteln und 3 respektive 2 Prozent bei Futtermitteln (je nach dem, ob es sich um ein Ausgangsprodukt oder um Mischfutter handelt) den EU-Vorschriften anzupassen.

Und die sind ebenfalls deutlich strenger als in der Schweiz: Sowohl Lebens- wie Futtermittel müssen deklariert werden, wenn der GVO-Anteil über 0,9 Prozent beträgt.

Für Jacqueline Oggier, beim WWF für das Dossier Gentechnik zuständig, sind dies im Prinzip erfreuliche Aussichten. Allerdings habe die EU das Zulassungsmoratorium aufgehoben, und es sei längerfristig damit zu rechnen, dass tatsächlich GVO-Produkte auf den Markt drängen.

Zudem hat die EU darauf verzichtet, verbindliche Richtlinien zu erlassen, wie die Koexistenz von konventioneller, biologischer und GVO-Landwirtschaft garantiert werden soll. Die Mitgliedsländer können also tun und lassen, was sie wollen.

Schon erwägt ein österreichisches Bundesland, sich zur gentechfreien Zone zu erklären. Was allerdings geschieht, wenn ein Landwirt darauf besteht, GVO-Pflanzen anzubauen, ist völlig offen. In der Schweiz soll dieser Gretchenfrage mit einem fünfjährigen Freisetzungsmoratorium begegnet werden. Die entsprechende Volksinitiative wird demnächst eingereicht.

David Sieber
© Berner Zeitung

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Die Deklarationspflicht für GVO wird verschärft. Davon geht man bei Befürwortern, Kritikern und dem Bund aus.

Das Gentechnikgesetz soll bald in Kraft treten.

In der Schweiz sind acht gentechnisch veränderte Produkte bewilligt. Dabei handelt es sich um Enzyme (Käseherstellung), Vitamine und verschiedene Getreidesorten.

Laut einer aktuellen Umfrage lehnen 67% der Befragten die Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft ab.

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