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Schweizer Forschung muss global denken

Armut und Umweltkatastrophen Hand in Hand: Dürre und Hunger im Niger. Keystone

Armutsbekämpfung und Umweltschutz gehören heute zu den grössten Herausforderungen. Forschungs-Zusammenarbeit in den beiden Bereichen ist angesagt.

Das gilt auch für die Schweizer Forschung. Zur Zeit sind Diskussionen im Gang, wo Synergien und Zusammenarbeit zwischen den beiden Forschungs-Zweigen möglich sind.

Zu Beginn dieses Jahrhunderts gibt es in der Weltbevölkerung nach wie vor gewaltige Unterschiede bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen und der Verteilung von Wohlstand. Die Eingriffe der Menschen in die Umwelt gefährden bereits heute in weiten Teilen der Erde die natürlichen Lebensgrundlagen vor allem der Armen.

Ohne Gegensteuerung werden Umweltveränderungen in Zukunft noch mehr Existenz bedrohende Auswirkungen haben. Während die Verursacher globaler und grenzüberschreitender Umweltprobleme, wie beispielsweise des Klimawandels, vor allem in den Industrieländern zu suchen sind, leben die Betroffenen überwiegend in Entwicklungsländern.

Verknüpfte Umwelt- und Entwicklungspolitik

Deshalb gilt es, sich auf die Einsicht des Erdgipfels von Rio 1992 zu besinnen: Umwelt- und Entwicklungspolitik gehören unzertrennbar zusammen – auch im Kontext jeder langfristig erfolgversprechenden Strategie zur weltweiten Bekämpfung der Armut und zum Abbau der gefährlichen Sprengkraft des Nord-Süd-Gefälles.

“Deshalb müssen Armutsbekämpfung und Umweltpolitik von der lokalen bis zur globalen Ebene zu einer kohärenten Politik verknüpft werden”, sagt Bruno Stöckli, Kopräsident der Kommission für Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern (KFPE), gegenüber swissinfo.

Umweltforschung (“Global Change Research Community”) und Entwicklungsforschung (“Development-oriented Research Community”) bearbeiteten zwar Fragen von globaler Bedeutung, aber mit unterschiedlicher Fokussierung. Zur Zeit seien auf dem internationalen Parkett Diskussionen im Gang, wo und wie Synergien und eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den beiden “Communities” gefunden werden können, so Stöckli.

Für die KFPE sind solche Fragen wichtig, beispielsweise im Zusammenhang mit der Erreichung der UNO-Millenniums-Entwicklungsziele (Halbierung der weltweiten Armut bis 2015). An ihrer Jahrestagung in Bern wurden die Potentiale einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den beiden Forschungsbereichen beleuchtet.

Forschungspartnerschaften im Vordergrund

Forschungspartnerschaften sind für den KFPE-Kopräsidenten generell und auf allen Ebenen wichtig, “auch in der Schweiz”. Ebenso für den Süden brauche es diese, so Stöckli.

“Das ist das, was wir anstreben. Die globalen Herausforderungen sind so wichtig, dass wir aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm heraustreten müssen, dass wir unsere Partner kennen müssen, um mit ihnen zusammen Probleme anzugehen, die nicht hier allein in der Schweiz in unseren Wissenschaftsinstituten zu definieren und zu lösen sind.”

Jedes Forschungsprojekt müsse vor Ort beginnen, wenn es um entwicklungsrelevante Fragen gehe. “Dort beginnt die Partnerschaft. Die Identifikation des Problems ist Teil einer guten Nord-Süd-Partnerschaft, bis hin zur Umsetzung des Projektes, zur Implementierung der Resultate, welche die Forschung hervorbringt”, erklärt Stöckli.

Anwaltschaftliche Funktion

Zur Erreichung der Millenniums-Ziele könne die Schweiz partiell, lokal einen Beitrag leisten. Aber diese Ziele seien natürlich global ausgelegt, und unser Land könne sicher nicht direkt an diesen Prozessen teilnehmen.

“Hingegen können wir uns natürlich anwaltschaftlich hier in der Schweiz für eine lösungsorientierte Strategie einsetzen”, so Stöckli weiter. “Also mehr eine anwaltschaftliche Funktion hier als eine operationelle vor Ort.”

UNO-Gipfel “ein Flop”

Den UNO-Gipfel in New York, der sich letzte Woche auch mit diesen Problemen befasst hat, bezeichnet der KFPE-Kopräsident “gemessen an den Erwartungen als Flop”. Stöckli hat den Umweltteil des Berichtes der Abschlusskonferenz gelesen: “Über drei Seiten wird über Wichtigkeit und Notwendigkeit einer Umweltpolitik geredet, aber was fehlt, sind die konkreten Aktionen, die jetzt ergriffen werden sollten.”

Und das Allerwichtigste fehlt für Stöckli nach wie vor: die Finanzierung. “Die haben keine Ahnung, wie das alles finanziert werden soll. Und wenn wir jetzt wieder fünf Jahre warten bis zum UNO-Gipfel 2010, dann sind wir ziemlich nahe bei 2015. Und um 2015 geht es ja bei diesen Millenniums-Entwicklungszielen.”

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Rund 800 Millionen Menschen sind unterernährt, die meisten von ihnen leben in Entwicklungsländern.

Heute lebt rund ein Fünftel der Weltbevölkerung in extremer Armut, d.h. 1,2 Milliarden Menschen müssen mit weniger als einem Euro täglich auskommen.

September 2000: Am Millenniumsgipfel in New York hat die internationale Gemeinschaft versprochen, den Anteil extremer Armut auf der Welt bis 2015 zu halbieren.

Die Kommission für Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern (KFPE) setzt sich für eine nachhaltige Entwicklung ein.

Die KFPE bringt sich in die schweizerische Wissenschaftspolitik ein und engagiert sich für die Anliegen der Forscherinnen und Forscher und deren Institutionen auf nationaler und internationaler Ebene.

Sie fördert entwicklungs-orientierte Forschung und achtet darauf, dass partnerschaftliche Prinzipien eingehalten, die Qualität der Forschung gesichert und die Interessen aller Partner gewahrt werden.

Die KFPE ist eine Kommission des Rats der schweizerischen wissenschaftlichen Akademien (CASS).

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