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Schweizer Hilfe für Strassenkinder in Äthiopien

Äthiopische Strassenkinder lernen über den Sport soziales Verhalten. swissinfo

Dank einer Schweizer Hilfsorganisation können 50 Kinder, die in armen Verhältnissen in der Hauptstadt Addis Abeba leben, Lebenskraft tanken.

Der Verein “Sport-The Bridge” aus Bern begann sein Projekt 2004 in einer Stadt, wo 60’000 bis 100’000 Kinder auf der Strasse leben müssen.

“Sport-The Bridge” versteht sich als Brückenbauer zwischen der Schweiz und dem Ausland, wofür der Verein vor allem den Sport einsetzt. Seit November 2004 betreut der Verein in Addis Abeba ein sportpädagogisches Projekt zur Sozialisierung von Strassenkindern.

Der ehemalige Schweizer Bundesrat Adolf Ogi, der heute Sonderbeauftragter der UNO für Sport ist, hat das Patronat übernommen. Das Projekt in Äthiopien wird auch vom Bund unterstützt.

Kinder bis 14 Jahre können nun in einer zentral gelegenen Sportstätte in der äthiopischen Hauptstadt Fussball, Basketball und Volleyball spielen – und das bis drei Stunden täglich.

Dort erhalten sie auch medizinische Betreuung, können essen und duschen sowie die Kleider desinfizieren.

Projekt weiterführen

Vier Schweizer Betreuer werden von ihren äthiopischen Kollegen begleitet. Diese werden ab 2006 die Arbeit mit den jungen Leuten vollständig übernehmen.

Der Psychiater Stephan Zihler, Gründer und Präsident des Vereins “Sport-The Bridge”, wollte sicherstellen, dass einheimische Betreuer ausgebildet werden, damit sie das Projekt weiterführen können.

Vier der sechs äthiopischen Sportassistenten waren selber einmal ohne Dach über dem Kopf und können so die Herkunft ihrer Betreuten gut nachvollziehen. Einer ist ein ehemaliger Fussball- und Basketballstar, ein Held für seine jungen Betreuten, von denen viele vor ihrer Sportbetreuung missbraucht und misshandelt wurden.

Zihler sagt denn auch, dass die erste Herausforderung darin bestehe, den Jugendlichen durch das Mannschaftsspiel soziales Verhalten zu lernen und ihnen Vertrauen in die Erwachsenen zu geben.

Ein weiteres Ziel bestehe darin, die Familien der Jugendlichen zu finden und eine Beziehung aufzubauen, denn die sei abgebrochen, als die Kinder ihr Zuhause verlassen mussten.

“Wir müssen Sport und Familienleben erstrebenswerter machen als das Leben auf der Strasse”, sagt Zihler gegenüber swissinfo.

Das hat sich bewährt. Die Verwandten haben die Kinder und Jugendlichen gesucht. Nun leben die meisten der 50 Betreuten wieder bei sich zu Hause.

Erfolgsgeschichte

Der zwölfjährige Dembaru wurde vor fünf Jahren von zu Hause entführt und musste seither Kinderarbeit verrichten.

“Sein Entführer bestrafte ihn für jeden Fehler, indem er kochendes Wasser über ihn goss. Dembaru hat seither eine verstümmelte rechte Hand und ist auch psychisch verstört”, sagt Stephan Zihler.

Simona Frei, zuständig für die Familienzusammenführung, machte Dembaru’s Mutter Sinkanesh ausfindig. Sie hatte die Hoffnung längst aufgegeben, ihr Kind je wieder zu sehen.

Nun besucht sie ihren Sohn zweimal die Woche in der Sportstätte und spielt dort Tischtennis mit ihm. Sinkanesh strickt auch Kleider für die Kinder und erhält dafür einen Lohn.

Mesret (16) war Prostituierte, als sie zum Projekt von “Sport-The Bridge” kam. Simona Frei half ihr einen Platz im Heim zu finden. Mesret besucht nun die Abendschule, um die Lücken in ihrer Ausbildung zu schliessen.

Das “Brücke”-Team bereitet die Kinder auf die im September beginnende Schule vor. Die Teilnehmer am Projekt wurden gebeten, einen eigenen kleinen Beitrag zu den Ausgaben beizusteuern. Damit soll der Sinn für Eigentum und Eigeninitiative geschärft werden.

Stephan Zihler sagt, dass das eine kritische Phase sei. “Wenn die Kinder sich entscheiden, nicht zu Hause zu bleiben und auch nicht zur Schule gehen, landen sie wieder auf der Strasse.”

Politische Unsicherheit

Die politische Instabilität hat ein explosives soziales Klima in Addis Abeba geschaffen. Als die Polizei im Juni das Feuer auf Studenten eröffnete, wurden bei der gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen gegen das Ergebnis der Parlamentswahl 36 Personen getötet.

Zihler und Frei mussten damals die Schweizer Botschaft um Rat fragen, wie man das Gelände verlassen könne, um einen Weg durch die von den Unruhen unpassierbaren Strassen zu finden.

Die beiden Schweizer betonen, wie schwierig die Arbeit an einem Ort sei, wo die Leute unter der politischer Repression und extremer Armut leben müssen.

60% von 3,5 Millinen Einwohnern in Addis Abeba sind arbeitslos. Das Land zählt mehr als 5 Millionen Vollwaisen. Die Eltern der Kinder sterben an Krankheiten wie Aids und im Krieg.

“Es ist unmöglich durch die Strassen zu gehen, ohne dass sich Bettler an dich klammern”, sagt Simona Frei. “Die Gefahr, bei diesem Job, den wir hier tun, auszubrennen, ist sehr gross. Und doch lohnt sich der Einsatz.”

Zihler und Frei wollen im Dezember in die Schweiz zurückkehren. Dann wird eine frische Schweizer Crew die Arbeit übernehmen.

swissinfo, Julie Hunt
(Übertragung aus dem Englischen: Urs Maurer)

Äthiopien hat rund 70 Mio. Einwohner.
5 Mio. davon sind Waisen
Das “Sport-The Bridge”-Projekt in Addis Abeba kostet 180’000 Franken pro Jahr.
Die vier Schweizer Betreuer in Addis Abeba arbeiten auf freiwilliger Basis.

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