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Schweizer Projekte bringen Roma-Kindern Hoffnung

Roma-Kinder in der Ukraine betrachten Schulbildung als Hilfe af dem Weg aus der Misere. swissinfo.ch

Ganz im Osten der Ukraine gibt es eine kleine Schule, für die sich die Schweiz eingesetzt hat.

Die Roma-Kinder gehen gerne in die Primarschule der transkarpatischen Stadt Mukachevo.

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) half mit, aus einem zerfallenden Gebäude einen warmen und fröhlichen Ort für Kinder aus der nahe gelegenen Roma-Siedlung zu machen.

Für Heizung, Gas und einen modernen WC- und Duschraum setzte die DEZA 32’000 Franken ein.Die gemütlichen, gut eingerichteten und hellen Klassenzimmer sind Welten entfernt von den erbärmlichen Bedingungen im Roma-Ghetto, in dem 5’000 Menschen leben.

Elendsviertel

Die Hütten dieses Elendsviertels sind oft kaum grösser als ein Schrank, trotzdem wohnen darin ganze Familien.

Strom gibt es nur mitten in der Nacht: Die Behörden stellten den Tagesstrom wegen unbezahlter Rechnungen ab. Es gibt ein paar Wasserbezugs-Quellen im Ghetto, aber keine Bademöglichkeiten.

Kinder spielen barfuss in Abfallhaufen. Frauen kochen auf Herden im Freien, während die Männer unterwegs sind, um im Abfall von Mukachevo nach wiederverwertbarem Material zu suchen.

Kleinkinder in Lumpen springen zur Seite, als ein müdes Pferd einen hoch mit Altmetall beladenen Wagen durch die engen, verlöcherten Strassen der Siedlung schleppt.

Eine Frau zeigt ihr winziges Haus, in dem sie die abblätternden Wände mit hellen Tüchern verdeckt hat. Im einzigen Schlafzimmer mit zwei Betten schlafen sieben Personen.

Sieben Tage die Woche arbeitet sie, verkauft gebrauchte Kleider auf dem Markt und nimmt dabei oft gerade genug ein, um ein Brot kaufen zu können.

Durch das Dach des Nachbarhauses ist der Himmel zu sehen. Der Besitzer, ein junger geschiedener Mann, verdient mit dem Verkauf gebrauchter Plastiktassen einen Hungerlohn. Seine Mutter verkauft Altpapier, das sie im Abfall findet.

Armut

Der Zusammenbruch des sowjetischen Wirtschaftssystems und der langsame Aufbau der Marktwirtschaft brachte allen Menschen in der Ukraine grosses Elend, auch den Minderheiten.

Aber die Roma sind besonders verletzlich, weil sie weder lesen noch schreiben können und weil sie diskriminiert werden. In Transkarpatien gibt es immer wieder Berichte von systematischer Misshandlung der Roma durch die Polizei.

Der Europarat berichtete 1999, dass in ganzen Gemeinden Überwachungsrazzien durchgeführt würden, meist um die Menschen einzuschüchtern.

Laut Roma-Führer Yosif Virad besteht bei den Ukrainerinnen und Ukrainern ein tief verwurzeltes Vorurteil. “Wenn man sein Kind zum Arzt bringt, werden zuerst die Weissen behandelt, auch wenn sie später gekommen sind”, erzählt er swissinfo.

“Kürzlich ging ich auf den Markt, um eine Krawatte zu kaufen. Die Leute fragten mich, wozu ich denn eine Krawatte brauche.”

Ausbildung

Virad ist überzeugt, dass Ausbildung der Schlüssel für eine bessere Zukunft ist. “Wenn die Roma einmal gleich gut ausgebildet sind wie die übrige Bevölkerung der Ukraine, haben sie es vielleicht leichter.”

Davon ist auch die internationale Gemeinschaft überzeugt. 2003 wurde mit Hilfe der Weltbank und der Entwicklungsbank des Europarats ein Ausbildungsfonds für Roma (Roma Education Fund – REF) geschaffen, an dem sich auch die Schweiz beteiligt.

Laut REF ist Ausbildung das wichtigste Element, um den Roma zu mehr Möglichkeiten und besseren Lebensbedingungen zu verhelfen. Wie Zoltan Sivashi, der Direktor der Roma-Schule von Mukachevo erklärte, haben noch nicht alle Roma-Eltern die Botschaft verstanden.

Einige bringen ihre Kinder zu spät zur Schule. Andere nehmen sie aus der Schule, damit sie ihre jüngeren Geschwistern hüten können. Man geht davon aus, dass 50% der Roma-Kinder in Mittel- und Südosteuropa ihre Primarschulbildung nicht abschliessen.

Aber in Mukachevo kommen die Kinder in Scharen. Vor kurzem wurde für die neu Eingeschulten eine zusätzliche Klasse eröffnet. “Wir haben 560 Kinder und die Schule ist zu klein. Wir müssen sie in Schichten unterrichten”, so Sivashi.

Es ist oft schwierig für Roma-Kinder, sich in gewöhnliche Primarschulen einzugliedern, weil ihnen oft sogar die einfachsten Kenntnisse von Sechsjährigen fehlen. “Die meisten wissen nicht einmal, wie man einen Schreibstift hält”, erklärt Sivashi.

Gute Resultate

Trotz beträchtlichen Hindernissen auf ihrem Ausbildungsweg machen die Kinder grosse Fortschritte: 2004 schafften es von 35 Schülerinnen und Schülern von Mukachevo 12 an eine technische Schule. Das ist eine Rekordzahl.

Laut Roma-Führer Alexand Balog ist es dem persönlichen Einsatz des neuen Direktors zu verdanken, dass so viele Kinder die Schule besuchen.

Und auch einem kleinen, weit entfernten Alpenland ist es zu verdanken, dass die Roma-Schule ein so angenehmer Aufenthaltsort ist.

swissinfo, Julie Hunt, Mukachevo
(Übertragung aus dem Englischen: Charlotte Egger)

Die 48’000 Roma in der Ukraine leiden nach wie vor unter Armut und Diskriminierung.

Indem die Schweiz die Ausbildung unterstützt, verhilft sie ihnen zu mehr Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und zu besseren Lebensbedingungen.

Die DEZA will beim Aufbau eines Workshops zur Berufsausbildung an der Roma-Schule mithelfen.
Die Schweiz will auch ein Waschhaus nahe der Roma-Siedlung bauen.
Die DEZA hat 60’000 Schweizer Franken für einen Nähkurs für Roma-Frauen in Mukachevo bereit gestellt.

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