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Schweizer tun sich schwer mit biometrischen Pässen

Keystone

Viele Schweizer fürchten sich vor dem "Gläsernen Menschen". Sie haben Bedenken, dass Daten der geplanten biometrischen Pässe in eine zentrale Datenbank gelangen. Die Volksabstimmung vom 17. Mai wird darüber entscheiden, ob Reisen für viele Eidgenossen beschwerlicher werden.

Schweizerinnen und Schweizer sind grosse Reisende. Sie geben pro Jahr mehr als 13 Milliarden Franken für Reisen ins Ausland aus. Alle sind sie auf optimale Reisedokumente angewiesen.

Regierung und Parlament haben letztes Jahr das Schweizer Ausweisgesetz revidiert und die Einführung des biometrischen Passes bis im März 2010 beschlossen.

Der Entscheid stösst in der Bevölkerung auf Widerstand. Ein überparteiliches Komitee hat gegen die Einführung des elektronischen Passes das Referendum ergriffen.

Deshalb wird im Mai nun eine Volksabstimmung über das revidierte Ausweisgesetz durchgeführt.

Streitpunkt: Zentrale Datenbank vom Bundesamt für Polizei

Die Schwachstelle des revidierten Ausweisgesetzes sehen die Gegner der biometrischen Schweizer Pässe darin, dass digitalisierte Bilder und Fingerabdrücke in einer zentralen Datenbank vom Bundesamt für Polizei (Fedpol) gespeichert werden.

“Damit geht die Schweiz weit über den Standard hinaus, den die Europäische Union oder die USA bei der Einführung von elektronischen Pässen fordern”, hält Robert Devenoges vom überparteilichen Komitee fest.

Zugriff auf die biometrischen Passdaten haben aufgrund strenger Regeln nur Schweizer Behörden. Andere Stellen, die im öffentlichen Interesse die Identität von Personen prüfen, können höchstens die Daten aus dem Pass auslesen, und Fingerabdrücke auch nur dann, wenn das Bundesamt für Polizei eine entsprechende Berechtigung gegeben hat.

Die Befürworter der biometrischen Pässe versichern, die Daten könnten nur auf kurze Distanz und mit Geräten gelesen werden, die dafür einen passenden elektronischen Schlüssel aufweisen. Es sei nicht möglich, Personen anhand des biometrischen Passes zu orten oder zu überwachen.

Hanspeter Thür, der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte, stört sich nicht an der Aufnahme von Gesichtsfotografie und Fingerabdrücken im biometrischen Pass, solange diese der Authentifizierung dient.

Vorbehalte hat Thür, wenn die biometrischen Daten zentral gespeichert und deshalb für Identifikationszwecke benützt werden können.

Länder wie Frankreich, Portugal, Niederlande, Finnland und Grossbritannien erwägen, Passdaten in einer zentralen Datenbank zu speichern; Deutschland und Österreich haben sich dagegen entschieden.

Auf Verlangen der USA

Viele Schweizerinnen und Schweizer spüren bereits, was es heisst, ohne biometrischen Pass unterwegs zu sein. Die USA verlangen, dass Pässe, die nach Oktober 2006 ausgestellt wurden, biometrische Daten enthalten müssen. Andernfalls muss der Inhaber des Passes für einen Amerika-Besuch ein Visum beantragen.

Die Volksabstimmung vom kommenden 17. Mai über das Ausweisgesetz setzt die Bundesbehörden unter Druck. Die Schweiz muss im Umfeld der Übernahme der EG-Ausweisverordnung das Schengener Assoziierungsabkommen (SAA) bis zum 1. März 2010 umsetzen.

Lehnt das Volk das revidierte Ausweisgesetz ab, kann die Schweiz nach Einschätzung der Behörden diesen Termin nicht einhalten. Ein Nein an der Urne hätte zur Folge, dass die Schweiz in der Passfrage mit den anderen Schengen-Staaten innert 90 Tagen eine Lösung für die Zusammenarbeit finden müsste.

Wenn bis im Mai 2010 keine Lösung vorliegt, wären nach Einschätzung vom Bundesamt für Polizei die Assoziierungsabkommen von Schengen und Dublin für die Schweiz in Gefahr.

Internationale Verpflichtung

Regierung und Parlament meinen, der biometrische Pass verbessere die Reisesicherheit der Bürger, verhindere den Missbrauch von Reisedokumenten, automatisiere die Identifizierung der Reisenden und sei für die Schweiz eine internationale Verpflichtung.

Die biometrischen Pässe erfüllen Standards, die von der internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO festgelegt wurden. Staaten im Schengenraum müssen zusätzlich zum digitalen Gesichtsbild die Abdrücke zweier Finger in die biometrischen Pässe integrieren.

54 Staaten haben bereits elektronische Pässe eingeführt. In der Schweiz stellen die Behörden im Rahmen eines Pilotprojekts seit Herbst 2006 biometrische Pässe aus.

“Wir haben von den Inhabern der biometrischen Pässe positive Rückmeldungen erhalten. Der Schweizer Pass ist fälschungssicher. Auch die Erfassung der Bilder und den Ausstellungsprozess haben wir im Griff”, erklärt Guido Balmer vom Bundesamt für Polizei im Gespräch mit swissinfo.

Anders tönt es aus dem Lager der Gegner der elektronischen Pässe. “Das neue Reisedokument fördert den Überwachungsstaat. Das revidierte Ausweisgesetz lässt den Bürgern keine Freiheit, ob sie biometrische oder konventionelle Pässe wünschen”, sagt Devenoges.

“Bei Datenpannen und falscher Verarbeitung der Passinformationen sind fatale Verwechslungen und ID-Diebstähle möglich”.

swissinfo, Erwin Dettling

Als assoziierter Schengen-Staat kann die Schweiz ab März 2010 nur noch biometrische Pässe mit elektronisch gespeichertem Gesichtsbild und zwei Fingerabdrücken ausstellen.

Für die Umsetzung dieser Weiterentwicklung des Schengen-Rechts hat die Schweiz eine maximale Frist von zwei Jahren. Die Nichteinführung in der Schweiz würde eine Vertragsverletzung darstellen.

Führt die Schweiz den Pass definitiv ein, kann die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnerstaaten im Schengenraum fortgesetzt werden.

Im Fokus stehen der erleichterte Reiseverkehr über die Grenzen, die enge Zusammenarbeit der Justiz- und Polizeikräfte mit ihrem dichten Netz gegen Kriminelle und die Regelung im Asylbereich gegen Mehrfachgesuche.

Das revidierte Ausweisgesetz hält fest, dass der Bundesrat festlegt, welche Ausweisarten einen Datenchip enthalten.

Artikel 2 hält fest: “Der Ausweis kann mit einem Datenchip versehen werden. Der Datenchip kann ein Gesichtsbild und die Fingerabdrücke der Inhaberin oder des Inhabers enthalten.” Offen bleibt, ob in der Schweiz auch Identitätskarten (ID) bald mit einen Chip erhalten.

Neu hält das Ausweisgesetz fest, dass ID-Anträge neu an die Kantone gehen, die auch Pässe ausstellen. Heute sind für ID die Gemeinden zuständig. Die Zusammenlegung der Ausstellungsverfahren von Pässen und ID soll Kosten sparen.

“Radio Frequency Identification” ist Identifizierung mit Hilfe von elektromagnetischen Wellen. Mit RFID-Chips können Gegenstände und Lebewesen berührungslos und automatisch identifiziert und gespeichert werden.

Ein RFID-Chip ist ein winzig kleiner Computerchip mit einem Draht als Antenne. Der Chip wird unsichtbar in Konsumgüter, Verpackungen, Etiketten und neu auch in Pässe und Identitätskarten eingebaut.

Lesegeräte können den Chip ansteuern und die auf ihm gespeicherte weltweit einmalige Nummer und andere Daten zurück ans Lesegerät senden.

Durch Vernetzung der gelesenen Daten mit Datenbanken kann ein exaktes Profil eines Menschen erstellt werden.

Es besteht die Gefahr, dass der von einem RFID-Chip erfasste Mensch die Kontrolle verliert, wer Zugriff auf seine persönlichen Daten hat und auf welche Datenbanken diese Informationen übertragen werden.

swissinfo.ch

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