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Ski-WM in Bormio als Schweizer Nullnummer

Am Boden: Daniel Albrechts Ausfall im Team-Wettbewerb symbolisiert die Lage der Skination Schweiz. Keystone

Die Schweiz zieht ohne Edelmetall von den Ski-Weltmeisterschaften ab: Beim abschliessenden Teamrennen gabs nur den 6. Rang.

Die Bilanz: Nur vereinzelte gute Rennen, viele Pleiten, keine Exploits. Der Katzenjammer bei Fahrern, Funktionären und Fans ist gross. Jetzt sind Rezepte gefragt.

Die Premiere des Teamwettkampfs war die letzte Hoffnung für die ehemals stolze Skination Schweiz, doch nicht mit leeren Händen von den Weltmeisterschaften im italienischen Bormio heimzukehren.

Doch auch zur WM-Finissage reichte es Silvan Zurbriggen, Sonja Nef und Co. nur zu einem Rang unter ferner liefen. Der Sieg ging überraschend an die Deutschen, die damit ihre zuvor ebenfalls leere Bilanz immerhin noch retten konnten.

Super-Gau

Bormio 2005 war eine WM der Superstars und des Super-GAUs. Zum ersten Mal seit den Weltmeisterschaften im August 1966 im chilenischen Portillo kehrt ein Schweizer Ski-Team ohne eine einzige Medaille von WM oder Olympia heim.

Der Super-GAU unseres alpinen Skisports war eine “Nullnummer” mit Vorankündigung. Von den im Einsatz stehenden Fahrern hatte lediglich Silvan Zurbriggen im Weltcup in einer WM-Disziplin einen Podestplatz herausgefahren.

Didier Défagos 3. Kombinations-Platz von Wengen kam in einer Sparte zustande, die es in dieser Form in Bormio nicht gab. Die Bilanz in Bormio ist deshalb das Spiegelbild der Saison.

Kein Teamgeist

Mit einem Medaillengewinn wären auch jene Resultate, die als “Ehrenplätze” gelten, positiver dargestellt worden. Dieser Exploit hat gefehlt. Der wäre nötig gewesen, um die Blockade im Schweizer Team zu lösen.

Einmal mehr bekam das ungeschriebene WM- oder Olympia-Gesetz Gültigkeit: Wenns nicht schon am Anfang “anhängt”, wird es von Tag zu Tag schwieriger, die Negativspirale aufzuhalten.

Spannungen nehmen zu, aus Mücken werden Elefanten, der Unmut wird über die Medien in die Öffentlichkeit transportiert. Die Form der Darstellung hängt naturgemäss von der jeweiligen Plattform ab.

Mit Ankündigung

Wenn eine Mannschaft erstmals seit 39 Jahren an einem Grossanlass ohne Medaille bleibt, darf sie über Kritik nicht erstaunt sein. 1966 gab es noch keinen Weltcup und nur 6 Rennen (plus eine errechnete Kombination).

Jetzt boten sich elf Gelegenheiten, Medaillen zu gewinnen. Haarscharf um eine “Nullnummer” herum kamen die Schweizer 1993 in Morioka, als Urs Lehmann mit seinem sensationellen Abfahrtssieg das Debakel verhinderte.

Viermal knapp an Medaille vorbei

Auch diesmal waren die Schweizer viermal einer Medaille recht nahe. In der Abfahrt fehlten Bruno Kernen (5.) lediglich 16 Hundertstelsekunden, und keiner des gesamten Teams hatte mehr Rückstand auf den Bronzemedaillengewinner als eine halbe Sekunde. Dass Trainer Flatscher trotz dieser guten Teamleistung verärgert war, spricht für ihn.

Silvan Zurbriggen, der in St. Moritz 2003 mit einer Silbermedaille das Tüpfchen noch aufs “i” gesetzt hatte, konnte diesmal am letzten Weekend das Rad nicht mehr herumreissen. Wie schon in der Kombination (5., 0,90 zurück) bot er auch im Slalom (7., 0,73 zurück) eine starke Leistung. Aber den Rettungsanker konnte auch er nicht werfen.

Frauen desolat

Bei den Frauen, die ohnehin nur zu fünft angereist waren, harzte es, wie schon im Weltcup, vom ersten Tag an. Trainerin Marie-Theres Nadig klammerte sich an das Prinzip Hoffnung und ärgerte sich, wenn man ihren Zweckoptimismus nicht teilte.

Der Realismus bestand aus einem 8. und 9. Platz von Nadia Styger in den Speed-Disziplinen als Bestresultate. Wobei Styger im Super-G nur 0,39 Sekunden zum Podest fehlten.

Gilli gefordert

Gian Gilli, der bedauernswerte Chef Leistungssport im Schweizer Skiverband, sagte es mehr rhetorisch als Selbstgespräch: “Ich hänge mich Tag und Nacht rein – und was habe ich bisher erreicht?”

Ende des letzten Winters hatte er nach einer verzweifelten Suche Marie-Theres Nadig und Martin Rufener als neue Cheftrainer gefunden. Über ein Dutzend Absagen waren vorausgegangen. Die Schweiz ist im alpinen Skirennsport keine Top-Adresse mehr.

Und jetzt? Noch nie haben in der Vergangenheit Trainer solche “Nullnummern” überlebt. Andererseits wäre gerade Kontinuität gefragt.

swissinfo und Agenturen

Medaillenbilanz WM Bormio 2005:
Österreich: 3 Gold, 4 Silber, 4 Bronze.
Kroatien: 3 Gold.
USA: 2 Gold, 1 Silber, 3 Bronze.
Schweden: 2 Gold, 1 Silber.
Die Schweiz blieb erstmals seit 39 Jahren an einem Grossanlass ohne Medaille.

Der WM in Bormio drückten Superstars den Stempel auf:

Die 10 Rennen (ohne Team-WM) wurden von nur fünf Athleten gewonnen:

Janica Kostelic (3 Siege), Anja Pärson, Bode Miller und Benjamin Raich (je 2 Siege) und Hermann Maier.

Verlierer sind neben der Schweiz auch die Norweger, bei denen Lasse Kjus und Kjetil Andre Aamodt erstmals seit ihrem Auftauchen 1991 ohne Medaille blieben.

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