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Solarmobil: Erstmals sitzend durch Australien

wsc07.ch

In wenigen Tagen beginnt in Australien das welthärteste Rennen für Solarmobile. Traditionell ist auch Swisspirit wieder dabei. Der neue Pilot heisst Simon Röösli und freut sich, nicht mehr wie seine Vorgänger im Cockpit liegen zu müssen.

Simon Röösli ist schon etwas nervös: Seit 2006 wartet er auf den Augenblick, sich in Australiens Norden ins Cockpit des neuesten Swisspirit-Solarfahrzeugs zu zwängen, und quer durch den Fünften Kontinent zu flitzen: Alle zwei Jahre wird in Darwin im Norden ein Solar-Rennen gestartet, das den Ruf hat, der weltweit härteste Contest für mit Sonnenenergie getriebene Fahrzeuge zu sein.

Die Schweizer Präsenz an diesem seit 1987 stattfinden Rennen ist Ehrensache. Schliesslich belegten die Fahrzeuge der Ingenieurschule Biel (jetzt Berner Fachhochschule Technik und Informatik) vor allem zu Beginn der damals noch alle 3 Jahre stattfindenden Rennen gute Plätze, 1990 hat der “Spirit of Biel II” sogar gesiegt.

“2006 hatte ich mich als Fahrer beworben und das Casting gewonnen”, erzählt Röösli gegenüber swissinfo.ch. “Seither bin ich offiziell Pilot von Swisspirit.” Doch im Oktober 2007 fiel eine Team-Person aus und Röösli musste zwei weitere Jahre warten.

Swisspirit ist das medienkräftigste Projekt des Vereins WSC07. Diese Non-Profit-Organisation hat ihren Sitz in La Neuveville und bringt im wissenschaftlichen und kulturellen Bereich Projekte und Akteure zusammen. Ziel ist die Forschung, Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien im Dienste der Menschheit und seiner Umwelt.

“Am 15. Oktober wird in Darwin das Fahrzeug empfangen, damit die Feineinstellungen beginnen können. Und in der Woche vor dem Start, der auf den 25. Oktober fällt, beginnen die Tests.”

Kängurus und Road Trains als Gefahren

Der Sicherheit der Fahrzeuge wird dabei grosses Gewicht beigemessen – zum Beispiel bei der Tauglichkeit im normalen Strassenverkehr. In Australien lauern ganz spezifische Gefahren auf einen Solarpiloten.

So ist bekannt, dass Kängurus vor die Kühlerhaube springen – deshalb haben viele Outback-Fahrzeuge riesige Kühlerschutz-Stangen. Nur wiegen diese Fahrzeuge 2 Tonnen oder mehr, während das Solarmobil knapp 200 Kilos auf die Waage bringt.

Auch Überholmanöver sind mit so leichten Fahrzeugen nicht ganz risikolos. Ab Darwin fahren viele so genannte Road Trains in Richtung Süden. Das sind Lastwagen, die nicht nur einen, sondern mehrere Anhänger ziehen, und insgesamt auf ein Gewicht von über 100 Tonnen kommen.

“Diese mit einem 200-Kilo-Fahrzeug zu kreuzen, bedeutet, einen ziemlichen Luftdruck aushalten zu müssen”, so Röösli. Da komme man schon ins Schwitzen.

Schwitzkammer Cockpit

Ins Schwitzen wird Röösli aber auch ohne Road Trains und Kängurus kommen. Es ist Frühling auf der Südhalbkugel, und auf die feuchttropische Hitze von Darwin folgt südwärts bald die trockene Hitze der Wüste. Doch eine Air-Condition-Anlage sei im Swisspirit (vorerst noch) keine vorgesehen.

Dafür ist das Helmtragen vorgeschrieben: “Ich rechne, dass die Hitze im Fahrzeug 50 Grad erreicht.” Vier bis fünf Stunden pro Tag muss er auf diese Weise aushalten. Deshalb ist die Teamarbeit wichtig. “Zwei Fahrer sind vorgesehen, ein Dritter könnte einspringen.”

“Wir dürfen jeweils von 8 Uhr morgens bis 17h nachmittags fahren, wissen aber nicht, wann wir uns die Pausen einteilen. Toilettenstops sind keine vorgesehen, es wird schon gehen ohne – vor lauter Schwitzen!” Dafür seien etliche Media Stops vorgesehen, an denen die Fahrer anhalten müssen, um von den Medien in Beschlag genommen zu werden.

Dabei lasse sich der Fahrer wechseln oder die Begleitfahrzeuge tanken. Nur: Diese Media Stops seien nicht einzuplanen. Wenn gerade die Blase drücke oder ein Fahrerwechsel anstehe, könne der Media Stop noch Stunden entfernt sein.

Jedes Solarfahrzeug wird von zwei Fahrzeugen begleitet. “Eines fährt voran und macht den Verkehr aufmerksam, das andere folgt hinterher.”

Erstmals sitzend

Der technische Fortschritt der letzten zwei Jahrzehnte im Solarbereich zeige sich weniger in der Zunahme der Geschwindigkeit der Fahrzeuge als in der Zunahme der Auflagen durch den Veranstalter, so der Solothurner Solarfahrer.

Dadurch werde das Rennen immer näher an den Normalverkehr gerückt – was ja auch der Zweck dieser Prototypen ist. Blinker, Hupe, Licht und Gurt seien dazugekommen. Auch müsse der Fahrer selbständig in 15 Sekunden aussteigen können. Die Fläche der Solarpanels auf dem Fahrzeug sei von 8 auf 6 Quadratmeter reduziert worden.

Und: Zur grossen Erleichterung muss der Fahrer jetzt eine Sitzposition einnehmen, was grosse Auswirkungen auf die Form des Fahrzeugs hat. Die bisher bekannte windschlüpfrige tiefe Form, die mit den auf dem Bauch liegenden Piloten erkauft wurde, weicht damit einer höheren, die den Laien eher an gängige Fahrzeugformen erinnert.

Nach ungefähr einer Woche nach der Ankunft in Adelaide sei der Rennstress wohl vorbei, und für einige aus dem Team ein Bad im Pazifik angesagt. Für Röösli jedoch geht die Reise weiter: “Eigentlich bin ich ja Biologe, und weniger Solarspezialist.”

Das Verhalten von Tieren liegt ihm näher als jenes der Fernfahrer. “Für mich geht die Reise deshalb von Australien gleich weiter nach Borneo, wo ich mich dem Verhalten von Orang Utans widmen kann.”

Alexander Künzle, swissinfo.ch

1979 in Solothurn geboren, wohnt Röösli zur Zeit in Neuenburg, wo er 2007 an der Uni Biologie abgeschlossen hat.

Seine Fachrichtungen sind Parasitologie und Verhaltensforschung.

Die beiden letzten Sommer-Saisons arbeitete er als Montageleiter bei der energiebüro AG, einem Solarplaner für Grossprojekte.

In Zukunft würde er sich gerne mit Tier- und Naturfotografie beschäftigen.

Der australische WSC gilt als härtestes Rennen für Solarmobile aus aller Welt.

Er führt von Darwin im Norden nach Adelaide im Süden – auf einer Strecke von etwas über 3000 km.

Mit dem ‘Spirit of Bienne’ hat die Schweiz zu Beginn des Rennens bis 1990 gute Ränge belegt – 1990 gewann der ‘Spirit of Bienne II’ sogar (Ingenierschule Biel).

Bis 1999 fand das Rennen alle 3 Jahre statt, seither alle 2 Jahre.

Am 25. Oktober beginnt das nächste Rennen – und dauert ungefähr eine Woche für das WDC07-Team.

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