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Sri Lanka: NGO im Dilemma

Zum ersten Mal in diesem Konflikt wurden NGO-Mitarbeiter Opfer einer Attacke. Keystone

Schweizer Hilfsorganisationen reagieren betroffen auf die Tötung von 17 Mitarbeitern einer französischen Entwicklungsorganisation am letzten Wochenende.

Einige gefährdete Projekte wurden stillgelegt. Die Nichtregierungs-Organisationen ziehen sich aber trotz ansteigender Eskalation zwischen der Regierung und den tamilischen Rebellen nicht ganz zurück.

Die Ermordung von 17 Mitarbeitern der “Aktion gegen Hunger” ist in diesem Konflikt die erste Tat gegen eine Nichtregierungs-Organisation (NGO). Sie hat weltweit Aufsehen erregt.

Am Sonntag wurden 15 der Opfer erschossen in der Nähe der Stadt Mutur aufgefunden. Zwei weitere wurden am Dienstag entdeckt. Mutur ist in der Nähe einer Konfliktzone in der Region Trincomalee, im Nordosten des Landes, wo Kämpfe um die Vorherrschaft der Wasserversorgung ausgebrochen waren.

“Unser Stab ist sehr besorgt, weil bis jetzt noch nie ein so heftiges Ereignis gegen eine Nichtregierungs-Organisation stattgefunden hat”, erklärt Anja Bouerdick, Sprecherin von Terre des hommes Schweiz, gegenüber swissinfo.

“In gewissen Zonen mussten wir unsere Tätigkeiten stoppen und neu bewerten, weil es zu gefährlich ist. Die Sicherheit unseres Personals steht an erster Stelle.”

Bouerdick weiter: “Wir ziehen uns aber nicht einfach zurück, denn wir wissen, dass sich die Situation ziemlich schnell ändern kann. Wir gehen in den betroffenen Gebieten erst mal auf Tauchstation und warten, bis sich die Situation beruhigt hat.”

Terre des hommes Schweiz beschäftigt im Distrikt Trincomalee rund 200 Angestellte inklusive einem Stab von 12 ausländischen Mitarbeitern. Weitere 100 Freiwillige arbeiten in den srilankischen Provinzen Ampara und Batticaloa.

Ein Mutter-Kind-Gesundheitsprogramm musste vorerst gestoppt werden, die Arbeit an einem Sozial-Zentrum für Kinder wurde unterbrochen.

Sicherheit

Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) hat zum Schutz seines 70-köpfigen Stabs vor Ort einen Sicherheitsbeamten eingestellt. Es lagert seine Aktivitäten aus dem am meisten gefährdeten Gebieten aus.

“Wenn wir am Himmel Militärflugzeuge sehen, rufen wir unsere Leute von den Feldern zurück. Dies ist in den letzten zehn Tagen nur einmal geschehen”, sagt SAH-Sprecherin Ruth Dällenbach.

“Unser Sicherheitsbeamter bespricht sich seit dem Beginn der Spannungen am Morgen jeweils mit UNO- und Rotkreuz-Mitarbeitern. Die neusten Gewaltakte haben jedoch auf unsere Arbeit in dieser Region keinen direkten Einfluss gehabt.”

Die Gewalt ist seit April dieses Jahres eskaliert, obwohl beide Seiten das im Februar 2002 in Genf ausgehandelte Friedensabkommen anerkennen.

Auch Schweizer Regierungs-Organisation bleibt

Die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) setzt sich in Sri Lanka bereits seit einigen Jahren aktiv für die Förderung des Friedens ein. Sie weitete ihre Tätigkeiten nach dem verheerenden Tsunami im Dezember 2004 aus.

DEZA-Sprecher Jean-Philippe Jutzi erklärte gegenüber swissinfo, das neueste Blutvergiessen hätte keinen sofortigen materiellen Effekt auf die Art und Weise, wie die Mitarbeiter ihre Arbeit weiterführen würden.

“Wir hatten bereits vor diesen Morden strikte Sicherheitsvorschriften und werden diese aufrecht erhalten”, sagte er.

“Alle Transporte und Personalverschiebungen wurden in Trincomalee bereits seit Wochen auf ein Minimum beschränkt. Aber selbstverständlich hat ein solches Verbrechen Konsequenzen, da wir noch vorsichtiger sein müssen.”

swissinfo, Matthew Allen
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

Der Konflikt zwischen der Regierung Sri Lankas und den tamilischen Separatisten geht auf Mitte der 1970er-Jahre zurück.

Im Februar 2002 haben beide Seiten einen permanenten Waffenstillstand geschlossen. Der Gewalt wurde jedoch bislang nur für kurze Zeitabschnitte entsagt.

Die Kämpfe wurden ausgesetzt, nachdem über 30’000 Menschen beim Tsunami vom Dezember 2004 getötet wurden. Sie flammten jedoch wieder auf, nachdem acht Monate später der Aussenminister von Sri Lanka, Lakshman Kadirgamar, ermordet wurde.

Der neuste Brandherd befindet sich im Distrikt Trincomalee, einer Tamilenhochburg im Nordosten. Er brach letzte Woche aus, als Aufständische die Wasserversorgung von einem Reservoir kappten.

Schätzungsweise 62’000 Menschen haben im Konflikt in Sri Lanka bislang ihr Leben verloren. Rund 800’000 Menschen sind in den letzten 20 Jahren vertrieben worden.
Die Schweiz spendete nach dem Tsunami 10,5 Mio. Fr. Soforthilfe. Bis Ende 2005 wurde die Summe auf 16,95 Mio. Fr. erhöht.
In der Schweiz leben über 35’000 aus Sri Lanka stammende Menschen – meist Tamilen.
Davon haben 10% die Schweizer Staatsbürgerschaft erhalten.
Die in der Schweiz lebende Exil-Gemeinschaft ist eine der grössten, nach Kanada, Deutschland und Grossbritannien.

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