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Nach drei Generationen muss Integration nicht bewiesen werden!

Swissinfo Redaktion

Die Schweiz muss die Grosskinder der Zuwanderer anerkennen. Sie wurden hier geboren und ausgebildet, sind vollkommen integriert und haben kaum noch Verbindungen zum Herkunftsland ihrer Grosseltern. Adrian Wüthrich, Präsident der unabhängigen Dachorganisation der Arbeitnehmenden Travail.Suisse, spricht sich zugunsten einer erleichterten Einbürgerung der dritten Ausländergeneration aus.

Am 12. Februar kann das Schweizer Stimmvolk darüber abstimmen, ob junge Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation Anspruch auf eine erleichterte Einbürgerung erhalten sollen, wenn sie diese beantragen. Die erleichterte Einbürgerung würde nicht automatisch geschehen, denn die Betroffenen müssten ihren Willen bekunden, und zwar vor ihrem 25. Geburtstag. Ausserdem blieben die Bedingungen für den Zugang zu diesem Gesuch beschränkt und reduzierten den Kreis der Betroffenen.

Adrian Wüthrich ist seit 2015 Präsident der unabhängigen Dachorganisation der Arbeitnehmenden Travail.Suisse. Er ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz und des Grossen Rats des Kantons Bern. zvg

Um die eigentliche Tragweite des Volksbegehrens zu erkennen, muss man verstehen, wer diese jungen Leute der dritten Einwanderergeneration sind und von welchen Vorteilen sie und die Gesellschaft als Ganzes profitieren könnte, falls am 12. Februar an der Urne ein Ja beschlossen wird.

Die Verfassungsänderung, über die abgestimmt wird, betrifft nur die jungen, in der Schweiz geborenen Personen, deren Eltern und Grosseltern ebenfalls in der Schweiz leben. Sowohl die Jungen wie deren Eltern müssen hier während mindestens fünf Jahren die obligatorische Schule besucht haben und im Besitz des Ausländerausweises C sein.

Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Universität Genf, sind die am häufigsten betroffenen Nationalitäten Italiener, Personen aus den Balkanländern, Türken, Spanier und Portugiesen. Diese Grosskinder der Zuwanderer sind in der Schweiz geboren worden und sprechen perfekt eine Landessprache. Nach der Schulbildung und mit in der Schweiz erworbenen Diplomen zeichnet sich bei ihnen eine berufliche und soziale Zukunft hier ab.

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In diesem Kontext muss die Integration der dritten Generation nicht mehr bewiesen werden: Man muss sie anerkennen! Dies umso mehr, als deren Beziehungen zum Herkunftsland der Grosseltern kaum existieren oder weniger wichtig sind, als jene zur Schweiz.

Es wäre deshalb ungerecht, wenn sich die in der Schweiz geborenen Grosskinder, deren Geschichte und Lebenslauf ohne Migrationshintergrund sich von jenen der Eltern und Grosseltern unterscheiden, den gleichen Einbürgerungsbedingungen unterziehen müssten. Die Einbürgerung dadurch zu erleichtern, dass auf Anhörungen verzichtet wird, bei welchen die Integration der bereits integrierten Personen bewiesen werden muss, ist ein notwendiger und gerechtfertigter Fortschritt.

“Vergessen wir nicht, dass sich bereits ihre Eltern und Grosseltern am Aufbau der heutigen Schweiz beteiligt haben.”

Ausserdem würde die Einführung einer Bundeskompetenz für die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation ermöglichen, alle unabhängig vom Wohnkanton in gleicher Weise zu behandeln. Kantone, die bereits eine erleichterte Einbürgerung für die zweite Generation vorsehen, würden diese Kompetenz behalten, ohne das Egalitätsprinzip gegenüber der dritten Generation zu beeinträchtigen.

Chance für Gesellschaft und Zukunft der Schweiz

Gemäss der bereits zitierten Studie beläuft sich die Zahl der Personen, welche die vorgesehenen Einbürgerungsbedingungen für die dritte Generation erfüllen dürften, auf rund 25’000. Diese Leute leben in der Schweiz und werden sicher hier bleiben.

Deshalb ist es entscheidend, sie auch rechtlich und nicht nur faktisch als zur Schweiz gehörend zu anerkennen. Diese Anerkennung ist eine Chance für die Gesellschaft, weil es sich um integrierte Menschen handelt, die ein soziales und berufliches Gewebe bilden, das den wirtschaftlichen Aufschwung der Schweiz begünstigt. Vergessen wir dabei nicht, dass sich bereits ihre Eltern und Grosseltern am Aufbau der heutigen Schweiz beteiligt haben. Die Geschichte der Saisonniers ist einer der Beweise dafür.

Ausserdem erlaubt die Anerkennung, die sich auch über die Gewährleistung von Bürgerrechten vollzieht, die politische Beteiligung der Bevölkerung zu erweitern und das demokratische System zu stärken. Auf die Jugend von heute zu setzen, heisst auch: auf die Zukunft der Schweiz zu setzen. Aus all diesen Gründen empfiehlt die unabhängige Dachorganisation der Arbeitnehmenden Travail.Suisse, am 12. Februar 2017 Ja zu stimmen.

(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

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