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Stetig steigende Jugendkriminalität

Ein Grossteil der Jugendkriminalität entfällt auf Vermögensdelikte. Keystone

Der Anstieg der Jugendkriminalität gab in letzter Zeit auch politisch viel zu reden. Das Phänomen ist allerdings nicht neu, wie eine Erhebung des Bundesamtes für Statistik belegt.

Gemäss dieser Erhebung ist die Anzahl Strafurteile gegen Jugendliche in den letzten Jahrzehnten langsam, aber stetig gestiegen. Sie betreffen mehrheitlich Vermögensdelikte.

Das Thema Jugendgewalt, insbesondere von Ausländern, ist im Wahlkampf zu einem Schlagwort geworden. So hat etwa auch die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) kürzlich die Instrumentalisierung des Themas “Jugendgewalt” durch einzelne Parteien im Wahlkampf beklagt.

Nun liegt eine Erhebung des Bundesamtes für Statistik (BFS) über die Verurteilungen von Jugendlichen in den letzten sechzig Jahren vor.

Der Anstieg der Jugendkriminalität sei seit der Mitte des letzten Jahrhunderts zu verzeichnen, heisst es. Bis in die 60er-Jahre gab es rund 600 Straftaten auf 100’000 Jugendliche.

Seither stieg die Rate kontinuierlich (1400 Strafurteile in den 90er-Jahren) und nicht explosiv, wie man angesichts der aktuellen Kontroverse zur Jugendkriminalität häufig meinen könnte.

Gestiegene Sensibilität

In Bezug auf Gewaltanwendung ist zudem davon auszugehen, dass die Sensibilität seit den 80er-Jahren in der Gesellschaft zugenommen hat.

Vieles spricht deshalb dafür, dass die Bereitschaft der Bevölkerung, Jugendliche auf Grund abweichenden Verhaltens anzuzeigen, gestiegen ist. Das heisst, Erziehungsverantwortung wird vom sozialen Umfeld heute häufiger an Polizei und Justiz übertragen als früher.

Überwiegend Vermögensstraftaten

Der Hauptteil der Straftaten bei Jugendlichen betrifft Vermögensdelikte (70%), besonders Diebstähle. Das BFS nennt dafür als Ursache den konsumorientierten Lebenstil, der sich ausgebreitet habe. Zudem habe die Verstädterung zu einer Anonymität geführt, die Straftaten begünstigte.

Eine Zunahme der Jugendkriminalität führe aber nicht zwangsläufig
zu einer steigenden Erwachsenenkriminalität.

Die Urteile wegen Straftaten gegen Leib und Leben spielen nach wie vor statistisch eine untergeordnete Rolle, auch wenn sich deren Anteil in den letzten 15 Jahren auf 10% verdoppelt hat.

Strassenverkehrsdelikte, die bei Erwachsenen die Mehrheit der Strafurteile betreffen, kommen bei Jugendlichen selten vor. Ebenfalls hat Drogenkriminalität ausserhalb des Bereichs des einfachen Drogenkonsums bei Jugendlichen kaum Relevanz.

Hauptsächlich männliche Jugendliche

Gesellschaftliche Veränderungen im Hinblick auf eine stärkere Teilhabe der weiblichen Jugendlichen im öffentlichen Leben schlagen sich nicht in einem verstärkten delinquenten Verhalten nieder.

In den vergangenen 60 Jahren wurden in der Schweiz rund fünf Mal mehr männliche als weibliche Jugendliche wegen einer Straftat verurteilt.

Weniger Einschliessungen

Auf straffälliges Handeln von Jugendlichen können Jugendstrafbehörden mit erzieherischen Massnahmen (Familienplatzierung, Heimeinweisung usw.) oder Disziplinarstrafen (Verweis, Busse, Einschliessung usw.) reagieren.

Zugenommen haben überwiegend die leichteren Disziplinarstrafen, insbesondere die Arbeitsleistung. Parallel dazu gingen die überwiegend eingriffsintensiven ausserfamiliären Platzierungen zugunsten von ambulanten Massnahmen und Erziehungshilfe zurück.

Einschliessungen – die Freiheitsstrafe für Jugendliche – welche früher fast die Hälfte der jugendstrafrechtlichen Sanktionen ausmachten, werden noch in weniger als 20% angeordnet.

swissinfo und Agenturen

Zahl der Strafurteile pro 100’000 Jugendliche:
2004: 1800
2000: 1400
1960: 600
70% der Strafurteile betreffen Vermögensdelikte
10% Straftaten gegen Leib und Leben

Jugendliche Straftäter wurden früher häufiger in ein Heim gesteckt als heute. Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) wurden in den 50-er Jahren bis zu 300 Jungendliche pro Jahr in ein Heim eingewiesen. Heute sind es noch 100 bis 140 Heimeinweisungen.

In den 50-er- und 60-er Jahren wurden viele straffällige Jugendliche in einer fremden Familie untergebracht, eine Massnahme, die heute kaum noch eingesetzt wird.

Heute werden überwiegend Arbeitsleistungen als Strafe ausgesprochen. 2001 waren 3860 Strafen in Form gemeinnütziger Arbeit ausgesprochen worden, 2005 bereits ein Fünftel mehr (4874).

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