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Sulzer Medica: Vergleichs-Vorschlag und “punitive damages”

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Der Winterthurer Medizinaltechnik-Konzern Sulzer Medica hat im Streit mit den Opfern der fehlerhaften Hüft- und Knieprothesen in den USA ein wichtiges Etappenziel erreicht. Das Vergleichs-Angebot wird zugelassen. In Texas wurde der Konzern aber zur Zahlung von 15,5 Mio. Dollar verurteilt.

US-Bundesbezirks-Richterin Kathleen O’Malley teilte am Mittwochabend in Cleveland, Ohio, mit, dass sie das Vergleichs-Angebot an die US-Sammelkläger zulässt. Die Entscheidung fiel nach zwei Hearings, an denen sich die Richterin die Vertreter der Parteien angehört hatte.

Als nächstes will O’Malley ein so genanntes Fairness-Hearing über den Vergleichs-Vorschlag ansetzen: Der Vergleich ist also noch nicht definitiv.

Trotz Erfolg: Rekurse bereits angekündigt

Dennoch bezeichnete David Floyd, Präsident der vom Hüftgelenk-Debakel betroffenen US-Tochter Sulzer Orthopedics, den Richter-Spruch als bedeutenden Erfolg. Bis zur definitiven Annahme des Vergleichs-Angebots sei jedoch weitere harte Arbeit nötig.

Einer der Klägeranwälte hatte denn auch umgehend Rekurs gegen die Entscheidung der Richterin angekündigt. Er wies darauf hin, dass die Zulassung des Vergleichs-Angebots die Rechte jener Opfer beschneide, die nicht an den Sammelklagen beteiligt seien.

“Wir haben auch von vielen Klägeranwälten positive Signale erhalten, welche das Vergleichsangebot unterstützen”, relativierte Sulzer-Medica-Sprecherin Beatrice Tschanz.

Innerhalb der nächsten zehn Tage wird allen klagenden Patienten der Gerichtsentscheid zugestellt, worauf diese sich innerhalb einer gesetzten Frist mit ihrer Unterschrift dem Vergleich anschliessen können.

Es besteht auch die so genannte Opt-out-Möglichkeit, bei der betroffene Patienten Sulzer Medica auf eigene Faust auf Bundesstaatsebene verklagen können. Allerdings würden diese Schadenersatz-Klagen erst nach 2008 behandelt werden, nachdem alle übrigen Patienten durch die Vergleichs-Regelung ausbezahlt worden sind.

Finanzierungs-Entscheid noch diesen Herbst

Zurzeit vorgesehen sind Zahlungen von insgesamt maximal 780 Mio. Dollar (umgerechnet rund 1,3 Mrd. Franken) an die Opfer der fehlerhaften Hüftgelenk- und Kniescheiben-Implantate. Die Entschädigung der Patienten will Sulzer Medica zu zwei Dritteln in bar und zu einem Drittel in so genannten American Depository Receipts (ADR) bezahlen.

Noch diesen Herbst werden die Sulzer-Medica-Aktionäre an einer ausserordentlichen Generalversammlung über eine Kapitalerhöhung zu entscheiden haben, wie Tschanz sagte. Bei der Zahlungsweise mit ADR trete eine Verwässerung des Aktienkurses von gegen 30% ein.

“punitive damages”

Ein Geschworenengericht im US-Bundesstaat Texas hat inzwischen Sulzer Medica im ersten Gerichtsverfahren in Zusammenhang mit fehlerhaften Hüftimplantaten zur Zahlung von 15,5 Mio. Dollar verurteilt.

Die sechs Geschworenen verurteilten Sulzer Medica zur Zahlung von Strafzuschlägen auf Schadenersatz (“punitive damages”). Nach texanischen Recht beläuft sich das Maximum für “punitive damages” auf 750’000 Dollar.

Die Strafzuschläge seien verhängt worden, weil Sulzer Medica die Information der Öffentlichkeit bezüglich des Produktefehlers verzögert habe. Geklagt hatten drei Frauen, die sich nach dem Produkterückruf im Dezember einer Reoperation unterziehen mussten.

Börse reagiert sehr positiv

An der Börse setzte nach anfänglichem Zögern – aber noch vor Bekanntwerden des Entscheides aus Texas – ein wahres Kursfeuerwerk ein. Der Kurs der Sulzer-Medica-Aktie schoss im Morgenhandel gegenüber dem Vorabendkurs zeitweise um 25,5% auf 138 Franken. Zum Handelsschluss betrug der Kursgewinn mit 130 Franken noch 18,2% oder 20 Franken.

swissinfo und Agenturen

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