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Sympathische Fundamentalisten

Über die Hälfte aller Schweizerinnen und Schweizer wollen noch immer am 'Sonderfall Schweiz' festhalten. Keystone

Das Hamburger Magazin "GEO" hat sein neustes Sonderheft der Schweiz gewidmet. Fazit: Das Land ist zwar modern, aber doch bedächtig.

“Typisch Schweiz: Einerseits ist sie praktisch das letzte Land der Erde, das nun den Vereinten Nationen beitritt. Andererseits ist sie das erste Land überhaupt, das die Entscheidung darüber dem eigenen Volk überlassen hat, bei einer Abstimmung im März 2002. In Sachen Neutralität und Basisdemokratie sind die Schweizer eben seit jeher sympathische Fundamentalisten gewesen.”

So beginnt das Editorial des geschäftsführenden “GEO”-Redaktors Andreas Wolfers. Und weiter schreibt er, daran werde sich so schnell nichts ändern. “Sie sagen Ja zur UNO, aber immer noch deutlich Nein zu EU und NATO”, wie das auch aus einer aktuellen Umfrage im “GEO”-Sonderheft hervorgeht.

Daraus schliesst Wolfers, dass die Eidgenossen “Bergler” seien, die ihre Schritte mit Bedacht wählten. Und daher blieben sie wohl auf absehbare Zeit – und hier zitiert der “GEO”-Redaktor die NZZ – “ein Reservat, in dem naturbelassene Menschen und Feldfrüchte den Zwangsmassnahmen der Brüsseler Bürokratie entzogen sind”.

Vielfalt statt Eintopf

Es liesse sich behaupten, die Schweizer bildeten nicht einmal eine Nation, schreibt Wolfers in seinem Editorial weiter: “Sie haben keine gemeinsame Sprache – und eine gemeinsame Kultur auszumachen, dürfte jedem schwer fallen, der von Appenzell über Montreux in Graubündens Bergdörfer fährt.”

Und da würde der Eidgenosse eben antworten, das Verbindende der Schweiz sei der Stolz auf ihre Vielfalt und das Wissen, in einer unverwechselbaren Natur zu leben. “Ja, oui, si, liebe Schweizer, das stimmt, wir haben uns überzeugt”, quititert “GEO”-Redaktor Andreas Wolfers.

Das 200-seitige Sonderheft zeigt mit wunderschönen Aufnahmen – und zwar nicht nur Landschaftsbildern – eine modernere Schweiz als viele wohl gedacht haben. Die Schweiz wirkt sympathisch, obwohl auch Kritik laut wird.

Der in Berlin und Zürich lebende Publizist Roger de Weck konstatiert in seinem einleitenden Essay, dass das Schweizerische aus weit mehr als dem klischeehaften Diminutiv des “li” – Fränkli, Bergli – bestünde.

A propos “Fränkli”: Schweizer Banken verwalten einen Drittel aller Privatvermögen. Diese Tatsache wird im “GEO”-Sonderheft analysiert, ebenso die cleveren Strategien der Werbeagenturen im vielsprachigen Land.

Wenig, aber fein

Die Schweiz: Schokolade und Uhren? Mitnichten. 95,5 Prozent der Uhren kommen… nicht aus der Schweiz. Dafür habe es der kleine Rest in sich, meint “GEO”. Es würden nämlich vor allem komplizierte mechanische Chronometer produziert. Dies ist das Fazit aus einem Besuch der Autoren bei den “Meistern des Taktgefühls”.

Überraschend ist für das Heft, und wohl auch für viele von uns Schweizerinnen und Schweizern, die Tatsache, dass unser Land die grösste Zahl weltberühmter Kunstsammlungen auf kleinstem Raum beherbergt.

Schweiz-Bild intakt

Die “GEO”-Umfrage zeigt, dass fast die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer befürchten, die jüngsten Negativ-Ereignisse wie das Swissair-Debakel, der Gotthardtunnel-Brand, der Amoklauf in Zug und der Crossair-Absturz hätten dem Image unseres Landes im Ausland geschadet. Doch die Eidgenossen könnten beruhigt sein, sagt uns das “GEO”-Sonderheft: Zumindest in Deutschland sei das Schweiz-Bild grossmehrheitlich unbeschädigt geblieben.

Jean-Michel Berthoud

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