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Tat-Verdächtiger verlor Familie beim Absturz

Kerzen, Blumen und Trauerkarten an der Stelle, wo der Fluglotse am Dienstagabend getötet wurde. Keystone

Die Polizei hat im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt an einem Fluglotsen in Kloten einen Verdächtigen festgenommen. Er hat die Tat nicht gestanden.

Eines ist sicher: Der Verdächtige hat bei der Flugkatastrophe in Überlingen seine ganze Familie verloren. Damals war der jetzt umgebrachte Lotse allein im Dienst.

Der am letzten Dienstag in Kloten getötete Fluglotse der Flugsicherung skyguide ist mit einiger Wahrscheinlichkeit einem Racheakt zum Opfer gefallen.

Am Mittwoch wurde in einem Gasthaus in der Nähe des Tatortes ein 48-jähriger Mann verhaftet, der bei der Flugzeugkatastrophe von Überlingen am Bodensee Anfang Juli 2002 seine Ehefrau sowie eine Tochter und einen Sohn verloren hatte. Dies gab die Zürcher Kantonspolizei am Donnerstag bekannt. Am Freitag wurde der Mann auf Antrag der Bezirksanwaltschaft in Untersuchungshaft versetzt.

Vorerst nicht geständig

Der Mann hat die Tat bis Freitag nicht gestanden. Für die Tatzeit legte er ein Alibi vor, das nun überprüft wird. Er war am 18. Februar auf legalem Weg in die Schweiz eingereist.

“Die bisherigen Befunde und Ermittlungen stellen den Mann ins Zentrum der Ermittlungen”, sagte der Zürcher Kripo-Chef Georges Dulex vor den Medien.

Der Verhaftete, dessen Nationalität noch nicht definitiv ermittelt werden konnte, sei bei Trauerfeierlichkeiten nach der Flugzeugkatastrophe mit 71 Toten, darunter 45 Kindern, verschiedentlich durch sein Verhalten aufgefallen, sagte Bezirksanwalt Pascal Gossner.

Gossner sagte, “der Verdächtige machte den Eindruck, dass er sich mit dem Unglücks-Tod seines Sohn, seiner Tochter und seiner Ehefrau nicht abfinden konnte”. Er habe immer wieder nach Namen von Fluglotsen gefragt.

Der getötete 36-jährige Fluglotse hatte in der Unglücksnacht Dienst gehabt. Er war am Dienstagabend auf der Terrasse seines Wohnhauses niedergestochen worden und an zahlreichen Stich- und Schnittverletzungen an Herz, Lunge und weiteren inneren Organen verblutet.

Tatverdächtiger war angesprochen worden

Der der Tat verdächtige Mann war von einem Nachbarin des Fluglotsen vor dessen Haus angesprochen und gefragt worden, was er suche. Der Mann habe einen Zettel in der Hand gehalten und nach dem Haus des Opfers gefragt.

Die Nachbarin zeigte ihm das Haus, wo sich der Mann im Garten hinsetzte, worauf das spätere Opfer zu ihm heraustrat und ihn fragte, was er wolle. Auch die Ehefrau des Fluglotsen sprach kurz mit dem Unbekannten und wandte sich dann wieder ihren Kindern zu.

Als sie kurz darauf ein merkwürdiges Geräusch hörte und nachsah, fand sie ihren auf dem Boden liegenden Ehemann und sah den Täter gerade noch weglaufen.

Die Polizei fand später ein 14cm langes Messer – wahrscheinlich handelt es sich um die Tatwaffe.

Gerrit Wilmans, einer der deutschen Anwälte, die die Interessen der Verbliebenen in Russland wahrnehmen und Kompensationszahlungen verlangen, meinte gegenüber swissinfo: “Die Situation ist sehr schockierend für alle Familien in Russland. Wir hören, dass die Möglichkeit besteht, wonach der Verdächtige unschuldig ist. Wir warten daher die weiteren Untersuchungen ab und hoffen, dass sich die Situation klärt.”

Beeinträchtigt Tat die Sympathien für Opferfamilien?

Zur Identität des Mannes wollte sich Wilmans nicht äussern. “Wir haben versucht, über die Schweizer Regierung und die Polizei mit ihm in Kontakt zu treten. Wenn wir diesen aufgenommen haben, werden wir sehen, ob wir ihn in diesem Fall vertreten können.”

Wilmans räumte zudem ein, dass nun einerseits die öffentliche Sympathie für die Opferfamilien beeinträchtig werden könnte. Andererseits handle es sich hier allenfalls um den Akt einer einzelnen Person und nicht einer ganzen Gruppe von Familien.

Dieser Umstand sei sehr wichtig und müsse von der Öffentlichkeit, von skyguide und anderen Beteiligten auch so verstanden werden.

swissinfo und Agenturen

Die Polizei hat einen Mann festgenommen, der verdächtigt wird, in den Mord an einem Fluglotsen von skyguide am Dienstag verwickelt zu sein.

Das Opfer war in der Nacht, als über dem Bodensee zwei Flugzeuge zusammenstiessen, allein im Dienst.

Die Polizei schliesst einen Zusammenhang zwischen dem Mord und der damaligen Rolle des Fluglotsen nicht aus.

1. Juli 2002: Zusammenstoss einer russischen Tupolew-Maschine und einer Boeing 757 der Firma DHL auf der deutschen Seite des Bodensees.

71 Menschen, mehrheitlich Kinder, verlieren ihr Leben.

November 2003: Erste aussergerichtliche Vereinbarung; erste Entschädigungs-Zahlungen an eine Gruppe von Hinterbliebenen.

Mit den anderen Klägern wird noch verhandelt.

24. Februar 2004: Der Lotse, der in der Unglücksnacht Dienst hatte, wird an seinem Wohnort in Kloten erstochen.

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